Politik

Euro-Retter geben sich mehr Zeit für Deal mit Griechenland

Die Euro-Retter wollen mit Griechenland auch nach dem für heute eilig einberufenen Krisen-Gipfel weiter verhandeln. Wozu dann alle Staatschefs auf Steuerzahler-Kosten durch Europa tingeln müssen, erschließt sich dem Beobachter nicht. Auffallend: Bundesfinanzminister strahlt eine geradezu demonstrative Lustlosigkeit aus.
22.06.2015 17:26
Lesezeit: 2 min

Die Verhandlungen im griechischen Schuldenstreit werden vermutlich nicht auf dem EU-Krisengipfel zu einem Abschluss kommen. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem lobte am Montag zwar die Vorlage neuer Reformvorschläge aus Athen als wichtigen Schritt. Für eine eingehende Bewertung sei aber mehr Zeit nötig. EU-Vertretern zufolge soll beim Euro-Sondergipfel am Abend dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras noch einmal deutlich gemacht werden, dass seine Regierung zunächst eine Einigung mit der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) erreichen muss. Verhandlungen soll es bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone nicht geben. Finanzminister Wolfgang Schäuble will ebenfalls, dass die Troika die Entscheidung über einen Deal aufbereitet: "Ich sehe nicht, wie wir ohne substanzielle Vorschläge den Euro-Gipfel vorbereiten sollen." Die EZB erhöhte erneut die Kreditlinien an die griechischen Banken, um einem Sturm auf die griechischen Banken zuvorzukommen. Die europäischen Börsen reagierten positiv auf die Entwicklung.

Am Wochenende hatte die Amerikaner klargemacht, dass sie eine Einigung wünschten. Griechenland ist für die Nato im Konflikt mit Russland von strategischer Bedeutung. Die EU hat die Sanktionen gegen Russland am Montag ohne Angabe von Gründen verlängert, wodurch den meisten Euro-Staaten enormer wirtschaftlicher Schaden entstehen dürfte.

Die Euro-Staaten würden im Fall eines Grexit schlagartig 340 Milliarden Euro verlieren. Diese Aussicht dämpft die Bereitschaft der Euro-Retter zur finalen Konfrontation mit Griechenland.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande sagten, nach dem Sondertreffen der Regierungschefs der Euro-Staaten wäre die Uhr auch noch nicht abgelaufen. Merkel sagte, es gebe in dieser Woche "noch viele Tage Zeit, um gegebenenfalls Entscheidungen zu treffen". Am Donnerstag und Freitag treffen sich die EU-Regierungschefs zu ihrem regulären Sommer-Gipfel. Ohne Einigung endet das Hilfsprogramm am 30. Juni - und damit die Aussicht der Griechen auf weitere Milliardenhilfen.

Zunächst sollte Griechenlands Premier Alexis Tsipras mit den Chefs der Troika sprechen. Aus Merkels Sicht liegt der Schlüssel bei der Troika. Ohne deren abschließende Empfehlung würde die Spitzenrunde am Abend nur ein "Beratungsgipfel" sein. Tsipras hatte klar gemacht, dass er davon ausgehen, dass die letzte Entscheidung eine "politische Lösung" sein müsse.

Dijsselbloem zeigte sich offen für ein weiteres Treffen der Eurogruppe in dieser Woche, um die neuen Vorschläge aus Athen bewerten zu können. Die Beratungen der Euro-Finanzminister waren bereits nach weniger als zwei Stunden beendet.

Der engste Berater von EU-Präsident Jean-Claude Juncker, sein Kabinettschef Martin Selmayr, nannte ein Angebot der Griechen vom Sonntag eine gute Basis. Er betonte aber, ein Kompromiss gleiche einer "Zangengeburt". Juncker betonte, dass noch eine lange Durststrecke vor den Verhandlungspartnern liege. Bundesfinanzminister its offenbar schon ziemlich genervt von den Verhandlungen. Schäuble sagte, für ihn sei der Stand seit dem Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag unverändert. Zu den Äußerungen Selmayrs merkte Schäuble an: "Es müssen nicht über das Wochenende von irgendwelchen nicht-autorisierten Persönlichkeiten irgendwelche Erwartungen geschürt werden, sondern es muss eine seriöse Prüfung (der Vorschläge) sein."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Technik streikt: Zählt Ausfallzeit zur Arbeitszeit?
01.07.2025

Wenn im Büro plötzlich die Technik versagt, stellt sich schnell eine Frage: Muss weitergearbeitet werden – oder zählt die Zeit...

DWN
Politik
Politik NATO ohne Substanz: Europa fehlen Waffen für den Ernstfall
01.07.2025

Europa will mehr für die Verteidigung tun, doch der Mangel an Waffen, Munition und Strategie bleibt eklatant. Experten warnen vor fatalen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...