Politik

Euro-Retter stellen Ultimatum an das griechische Parlament

Die Euro-Gruppe verlangt vom griechischen Parlament die Verabschiedung eines harten Austeritäts-Programms. Dahinter könnte das Bestreben stecken, Syriza-Chef Alexis Tsipras zu Fall zu bringen. Bei den Verhandlungen mit Tsipras fahren die Euro-Retter offenbar schwere Geschütze auf. Die Syriza zeigt in Athen erste Zeichen einer Spaltung.
12.07.2015 18:57
Lesezeit: 2 min

Statt die drohende Katastrophe für die griechische Bevölkerung rasch und wirksam abzuwenden, scheint die Euro-Gruppe eher auf eine parteitaktische Lösung abzuzielen.

Die Euro-Gruppe verlangt, dass das griechische Parlament bis zum 15. Juli deutlich härtere Austeritäts-Maßnahmen beschließt, um über ESM-Kredite überhaupt verhandeln zu dürfen. Das sagte der finnische Finanzminister Alexander Stubb in Brüssel nach dem Treffen der Finanzminister. Die Taktik dahinter könnte sein, die Syriza-Koalition zu spalten: Zum einen ist es faktisch unmöglich, ordentliche Gesetze von so weitreichendem Ausmaß innerhalb von zwei Tagen zu entwerfen. Die Abgeordneten haben dann kaum Zeit, die Gesetzesvorschläge durchzulesen.

Offenbar fahren die Euro-Retter schwere Geschütze auf. So wurde der Vorschlag von Schäuble, Griechenland aus dem Euro zu werfen, plötzlich in die Diskussionen aufgenommen. Bei den Finanzministern war das Papier noch nicht kursiert:

Doch die Euro-Retter haben offenbar den Plan, Premier Alexis Tsipras zu entmachten: Die Syriza-Koalition könnte an dem Vorschlag Tsipras die Gefolgschaft verweigern. Tsipras ist für Merkel ein Problem, weil er fast 50 Prozent der Bevölkerung hinter sich weiß, wie griechische Umfragen nach dem Referendum ergeben haben. Bei Referendum hatte Tsipras fast eine Zweidrittel-Mehrheit bekommen. Die anderen EU-Staaten sehen darin einen möglichen neuen Weg: Wenn man sich von der Austerität verabschiedet, könne man Wahlen gewinnen. Die Euro-Retter setzen offenbar darauf, dass die anderen Parteien dem Plan zustimmen werden. Sie hoffen, damit eine Mehrheit im griechischen Parlament zu erreichen oder aber Neuwahlen zu provozieren. Es ist auffällig, dass der neue Chef der konservativen Nea Dimokratia bei den Beratungen in Brüssel aufgetaucht ist. Der Guardian zitiert den Syriza-Mann Nikos Bistis, der bereits davon spricht, dass die Syriza über die Vorschläge gespalten sei. Ein Flügel bezeichnete die Forderungen der Troika als Erpressung und forderte Tsipras auf, sich nicht zu unterwerfen.

Es wäre denkbar, dass der griechische Präsident in einer Verfassungskrise eine Art Notstand ausrufen muss und eine Technokraten-Regierung einsetzt. Das hatte Griechenland schon einmal erlebt: Der damalige Premier Georgios Papadendreou war gestürzt worden, noch bevor er ein Referendum hatte durchführen können. Ihm folgt der Goldman Sachs-Banker Lucas Papademos. Auch Italiens Silvio Berlusconi überlebte seinen Widerstand gegen die Troika-Politik nicht: Er wurde vom Goldman-Banker Mario Monti ersetzt.

Beide Goldmänner haben die ihnen übertragenen Staaten keinen Millimeter weitergebracht. Doch wie schon bei der Austerität sind die Euro-Retter völlig verstockt: Sie probieren die als falschen Rezepte offenbar so lange aus, bis die Wirklichkeit ihren Vorstellungen entspricht: Die neuen Vorschläge der Euro-Gruppe sind für die griechische Wirtschaft tödlich. Offenbar setzen die Euro-Retter darauf, dass Tsipras so verantwortungsbewusst ist, dass er nicht seine persönliche Karriere im Blick hat, sondern Schaden von seinem Volk anwenden will: Es ist in der Tat auf dem Weg, zum tragischen Helden dieses mittlerweile mehr als würdelosen Schauspiels zu werden. Unterdessen haben sich Tsipras, Merkel, Hollande und Tusk zu Beratungen zurückgezogen. 

Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung der Staats- und Regierungschefs wurde diese mittlerweile fortgesetzt. Indes zitiert der Guardian einen Diplomaten, Merkel und Hollande Tsipras hätten in dem persönlichen Gespräch Tsipras so sehr unter Druck gesetzt, dass es als „mentales Waterboarding“ bezeichnet werden könne.

Hier die Sitzordnung des Sondergipfels:

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Babyboomer verlassen die Bühne: Jetzt kommt das große Chaos am Arbeitsmarkt
29.06.2025

Die Babyboomer verabschieden sich in Scharen – und mit ihnen verschwinden Loyalität, Erfahrung und Arbeitsdisziplin. Zurück bleibt ein...

DWN
Panorama
Panorama Ersatzpflege: Was sich für pflegende Angehörige ab dem 1. Juli ändert
29.06.2025

Pflegende Angehörige stemmen den Großteil der häuslichen Pflege in Deutschland – oft bis zur Erschöpfung. Doch was passiert, wenn sie...

DWN
Immobilien
Immobilien Heizkosten: Vergleich der Kosten für verschiedene Heizungslösungen - Tipps
29.06.2025

Heizöl, Pellets, Gasheizung oder Wärmepumpe: Wer 2025 neu heizt, muss weiterhin hohe Kosten einpreisen. Doch welche Heizungslösung ist...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Elon Musks X wird zur Bank: Der Angriff auf das Finanzsystem
29.06.2025

Elon Musks Plattform X will mehr sein als ein soziales Netzwerk. Mit eigenen Finanzdiensten und digitaler Geldbörse kündigt sich eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pandora und Amazon decken globales Fälschernetzwerk auf
29.06.2025

Pandora und Amazon decken ein globales Netzwerk von Produktpiraten auf. Die Drahtzieher in China sitzen nun im Gefängnis – doch die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verteidigungsbranche boomt: Diese fünf Aktien setzen Analysten jetzt auf die Watchlist
29.06.2025

Der globale Rüstungsboom bietet Anlegern neue Chancen. Fünf Aktien stehen bei Analysten hoch im Kurs – von Hightech-Zulieferern bis zu...

DWN
Panorama
Panorama Unwetterwarnungen: Was sie können und was nicht
29.06.2025

Unwetterwarnungen sollen Leben retten – und das möglichst rechtzeitig. Doch nicht immer klappt das. Warum ist es trotz modernster...

DWN
Politik
Politik Bundeswehr: Rüstung auf dem Papier – Defizite auf dem Feld
29.06.2025

Die Bundeswehr bleibt trotz 100-Milliarden-Sondervermögen kaum einsatzfähig. Es fehlt an Ausrüstung, Personal und Struktur. Ist das...