Lefteris Karagiannopoulos von Reuters beschreibt eine interessante Entwicklung in Griechenland:
Früher waren Wildschweine und Stromausfälle die größten Probleme des griechischen Baumwollbauern Mimis Tsakanikas. Seit es nur noch begrenzt Bargeld gibt und Überweisungen beschränkt sind, hat er vor allem das Problem, Angestellte, Lieferanten und Geschäftspartner zu bezahlen. Einen Ausweg aus dieser Misere sieht der 41-jährige Landwirt wie viele seiner Kollegen im Tauschhandel, wie er in vorindustrieller Zeit weit verbreitet war.
Einige seiner Angestellten bezahlt Tsakanikas mit Teilen der Klee-Ernte. Statt Landmaschinen gegen Bargeld zu mieten, versucht er, die Technik mit anderen Bauern zu tauschen. Auch die Pacht für einen Acker zahlt Tsakanikas in Naturalien. "Es ist ein Alptraum", sagt er. "Ich schulde vielen Geld, der Tankstelle, dem Landmaschinenservice." Jeden Tag gehe er zur Bank, ohne ausreichend Geld zu bekommen. 420 Euro Bargeld gibt pro Woche.
Den Tauschhandel hat es nach seinen Worten auf dem Land schon immer gegeben. Aber in jüngster Zeit nehme er immer mehr zu. Daten über den Umfang dieser Geschäfte gibt es nicht. Entsprechende Internetplattformen verzeichnen jedoch einen deutlichen Zulauf, und die Bauern bestätigen den zunehmenden Tauschhandel. Früher habe er vor allem in Familien und kleineren Gemeinschaften eine Rolle gespielt, sagt Haris Lambropoulos, Wirtschaftsprofessor an der Universität Patras. "Jetzt ist dieses Phänomen mehr strukturiert und organisiert."
Deutlich wird das auch auf den entsprechenden Portalen. Tradenow (www.tradenow.gr), das sich seit drei Jahren als Plattform für den Tauschhandel anbietet, hat seit den Beschränkungen im Finanzwesen die Zahl der Nutzer und das Handelsvolumen verdoppeln können. "Vor den Kapitalverkehrskontrollen mussten wir die Firmen ansprechen, sich registrieren zu lassen", sagt Firmenchef Yiannis Deliyiannis. "Jetzt melden sie sich von selbst." Getauscht werde alles: Eine Autowerkstatt gibt Reifen für eine Duschkabine, ein Unternehmen für Einbruchsalarmsysteme bietet seine Dienste im Gegenzug für Papier und Werbung, ein Metzger aus Athen will Dienstleistungen mit Fleisch bezahlen.
Meistens interessieren sich aber Bauern für die Tauschgeschäfte, denn sie hatten ohnehin wenig Bargeld in den Kassen, als die Banken vorübergehend geschlossen wurden. In der Landwirtschaft kommen die großen Einnahmen erst mit dem Verkauf der Ernte. Kosten fallen das ganze Jahr an. Nun tauschen sie Weizen gegen Tierfutter, Heu gegen Käse oder vermieten Geräte gegen andere Agrarprodukte.
Mit Argwohn betrachten die Steuerbehörden den Tauschhandel, denn ohne Rechnungen lässt sich nicht nachprüfen, ob die Mehrwertsteuer gezahlt wurde. "Tauschhandel ist nicht illegal, solange die rechtlich erforderlichen Dokumente ausgestellt werden", sagt Christos Kyriazopoulos von der Antikorruptionsabteilung im Finanzministerium. "Wir haben die Entwicklung aber genau im Auge."