Politik

Was will Trump, der „amerikanische Erdogan“?

Donald Trump greift die Fed und Amerikas Institutionen frontal an – mit Folgen, die weit über die USA hinausreichen. Droht Europa ein wirtschaftlicher Schock, wenn der Dollar fällt und die US-Institutionen zerbrechen? Zehn Fragen, Antworten und Folgen von Trumps irrationalem Angriff auf die Fed, die Institutionen und das System.
31.08.2025 11:00
Lesezeit: 4 min
Was will Trump, der „amerikanische Erdogan“?
Das Spiel, das Trump derzeit spielt, ist nicht ohne. (Foto: dpa) Foto: Alex Brandon

Angriff auf die Unabhängigkeit der Fed

Trump tut alles, damit die Welt ihn nicht respektiert. Damit die USA nicht wieder groß werden. Damit der Dollar seine Vorrangstellung als Weltwährung verliert. Er tut alles, um Amerika institutionell schwach und gefährlich zu machen – besonders für Ausländer. Damit Geschäft und Menschen Angst vor Amerika haben, anstatt dass Amerika das gelobte Land ist.

1. Warum setzt Trump den Fed-Vorsitzenden und jetzt das Mitglied des Gouverneursrats Lisa Cook ab?

Weil er die Geldpolitik seiner eigenen Politik unterordnen will. Den Fed-Vorsitzenden wird Trump ohnehin im kommenden Jahr bestimmen, wenn die Amtszeit des derzeitigen Vorsitzenden Powell endet. Doch das reicht nicht, um die Fed zu kontrollieren – er braucht auch die Mehrheit im Gouverneursrat. Deshalb setzt er jetzt Lisa Cook ab, mit dem Argument, sie sei angeblich in einen Hypothekenbetrug verwickelt.

2. Warum ist Trump gleichbedeutend mit einem permanenten Staatsstreich?

Wer noch glaubt, dass der 6. Januar 2021 – der Tag des Angriffs von Trumps Anhängern auf das Kapitol, Symbol der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – ein Scherz war, irrt sich. Das war ein Putschversuch, den die Amerikaner lediglich „verschoben“ haben. Sie hatten das Pech, einen geschwächten Biden zu wählen. Danach konnte nur Trump folgen. Jetzt setzt Trump als US-Präsident seine systematischen Angriffe auf die zentralen Institutionen fort: von den Gerichten über die Universitäten bis hin zu Behörden – und nun auch gegen die Unabhängigkeit der Fed.

3. Kann Trump die Kontrolle über die Fed übernehmen?

Die Antwort ist relativ. Würden alle Mitglieder des Gouverneursrats ad absurdum freiwillig zurücktreten, könnte Trump die offenen Posten mit seinen Kandidaten besetzen. Genau das geschah Anfang August, als Adriana Kugler zurücktrat. Trump nominierte stattdessen „seinen“ Stephen Miran, der noch auf die Bestätigung wartet. Miran ist Autor eines Dokuments, das zum Manifest von Trumps Plänen zur Umgestaltung des Welthandels wurde. Sollten jedoch alle Gouverneure auf ihren Posten bleiben und im Namen der Unabhängigkeit der Zentralbank Widerstand leisten, dürfte Trump keinen Erfolg bei seinem Staatsstreich gegen die Fed haben. Das Oberste Gericht der USA hat Trump erst kürzlich daran erinnert, dass die Fed einen höheren Schutz genießt als manche andere Positionen, die er bereits mit Entlassungen attackiert hat. Schon die Konflikte um die Unabhängigkeit der Fed sind jedoch ein institutioneller Angriff – in einer Demokratie unzulässig.

4. Was geschah, als Erdogan die Zentralbank entmachtete?

Medien wie die FT verweisen auf die Ähnlichkeiten zwischen Trump und Erdogan, dem türkischen Autokraten. Natürlich sind die USA und die Türkei nicht dasselbe: Demokratie und Institutionen waren vor Trump 2.0 auf einem völlig anderen Niveau. Der Dollar ist die Weltwährung, die Lira nicht. Die USA verfügen über die stärkste Wirtschaft, die Türkei nicht. Doch Erdogans Entmachtung der Zentralbank führte zu 80 Prozent Inflation, Zerstörung der finanziellen Stabilität, Verlust von Wohlstand. In den USA sind solche Folgen kaum vorstellbar – die Institutionen sollen die Amerikaner und ihre Prosperität schützen. Eine neue „Goldene Ära“ gibt es nur mit starken Institutionen.

5. Wie wichtig ist es, dass die amerikanischen Institutionen „gegen Trump gewinnen“?

Von größter Bedeutung. Nobelpreisträger betonen: Der Unterschied zwischen armen und reichen Staaten liegt in der Funktionsweise und Unabhängigkeit der Institutionen. Wohlstand, Rechtsstaatlichkeit und Chancen in den USA werden durch Institutionen gesichert – nicht durch George Washington, und schon gar nicht durch jemanden wie Trump. Wenn die Institutionen in den USA fallen, fällt Amerika – mit allen Folgen für Menschen, Wirtschaft und Welt.

6. Wird die Fed im September die Zinsen senken?

Die jüngste Rede des Fed-Vorsitzenden in Jackson Hole war als Hinweis zu verstehen, dass es immer mehr Signale für eine Zinssenkung gibt. Eine unabhängige Fed würde also fachlich das tun, was Trump politisch schon längst fordern wollte. Trumps Angriff auf Lisa Cook wirft zwar einen Schatten auf die Entscheidung, doch die Fed steht weiterhin über dem Druck des Präsidenten.

7. Was bedeutet das für den Dollar?

Nach Trumps Ankündigung, Lisa Cook sofort zu entlassen, fiel der Dollar leicht. Mit einer Zinssenkung durch die Fed würde er weiter schwächeln. Genau das ist Trumps Ziel – er stört sich am „zu starken Dollar“. Gleichzeitig will er aber, dass der Dollar Weltwährung bleibt. Ein Widerspruch: Man kann keine schwache und gleichzeitig „starke“ Währung haben.

8. Was bedeutet Trumps Angriff auf die Fed für die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen?

Ein schwacher Dollar verbilligt Energie, Rohstoffe und Materialien für Europa. US-Produkte werden billiger, europäische Produkte in den USA dagegen teurer. Damit entstehen doppelte Belastungen: starker Euro plus 15 Prozent US-Zölle. Ergebnis: amerikanische Waren fluten den EU-Markt, während europäische Exporte in die USA einbrechen.

9. Was würde ein Zerfall der US-Institutionen für europäische Investitionen bedeuten?

Eine Katastrophe. Bisher galt Amerika als attraktiv, weil Kapital dort günstig war und Rechtssicherheit bestand. Diese Sicherheit wurde von Institutionen garantiert – nicht von Politik oder Einzelpersonen. Trump fordert, dass in den USA nur verkauft werden darf, was auch dort produziert wird. Gleichzeitig macht er die Produktion in den USA für Ausländer gefährlich.

10. Wie sehr kann Europa Trump und den USA noch vertrauen?

Überhaupt nicht. Europa hat einen Verbündeten verloren – bei Verteidigung, Sicherheit, Wirtschaft, Menschenrechten. Sinnvoll wäre, wenn die EU endlich ihre eigenen internen Hürden beseitigt und sich auf einen echten Binnenmarkt, ein einheitliches Finanzsystem und gemeinsame Stärke konzentriert. Doch stattdessen gewinnen nationale Interessen wieder die Oberhand: „Made in Germany“, „Made in France“ statt „Made in EU“.

Das Wirtschaftsblatt Casnik Finance zitiert hierbei die FT: Jean Monnet sagte: „Europa wird in Krisen geschmiedet und wird die Summe der Lösungen dieser Krisen sein.“ Paul-Henri Spaak ergänzte: „In Europa gibt es nur zwei Arten von Staaten: kleine Staaten und kleine Staaten, die noch nicht begriffen haben, dass sie klein sind.“ Damit die USA Europa nicht demütigen, müssen sich die führenden EU-Staaten an Spaak und Monnet erinnern – und handeln.

Parallelen zu Erdogan und Folgen für den Dollar

Für Deutschland ist Trumps Kurs ein doppeltes Risiko. Als exportorientierte Volkswirtschaft trifft sie der starke Euro gegenüber einem geschwächten Dollar besonders hart. Zugleich steht die Bundesbank als Symbol unabhängiger Geldpolitik in der Tradition, die Trump nun in den USA zu zerstören droht. Ein schwächerer Dollar, gekoppelt mit US-Zöllen, könnte die deutsche Exportindustrie massiv belasten und Investitionen in den USA unattraktiver machen.

Trump spielt ein gefährliches Spiel: Er schwächt absichtlich die Unabhängigkeit der Fed, destabilisiert Institutionen und gefährdet die Rolle des Dollars. Für Europa – und besonders Deutschland – bedeutet das mehr Unsicherheit, höhere Risiken für Exporte und Investitionen sowie die Notwendigkeit, eigene Strukturen zu stärken. Die eigentliche Frage lautet daher: Kann Europa ohne die USA souverän handeln, wenn Trump die Institutionen Amerikas zerstört?

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Simona Toplak ist Chefredakteurin der slowenischen Wirtschaftszeitung Casnik Finance.

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