Gemischtes

Krebs-Gefahr von Glyphosat: EU schlägt sich auf die Seite von Monsanto

Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat sich überraschend auf die Seite von Monsanto geschlagen und erklärt das Pestizid Glyphosat für „wahrscheinlich nicht krebserregend“. Damit stehen die Chancen gut, dass Monsanto für das von der WHO verurteilte Pestizid in Europa erneut eine Zulassung erhält. Die EFSA ist berüchtigt, weil viele Wissenschaftler auch von der Gentechnik-Industrie finanziert werden.
13.11.2015 00:43
Lesezeit: 2 min

Im Juli 2015 sorgte die Weltgesundheitsorganisation WHO für Aufsehen, weil sie das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ einstufte. Damit wurde erstmals offiziell festgestellt, dass eine Krebs-Gefahr besteht. Wer nun gedacht hätte, dass dies für die EU ausreichen sollte, um Monsanto die anstehenden Neuzulassung zu versagen, der wurde nun von einem Gutachten der EU-Lebensmittelbehörde überrascht: Darin kommt die Expertengruppe der EU zu dem Schluss, dass der Stoff vermutlich keine krebserregende Bedrohung für den Menschen darstelle, heißt es in einem am Donnerstag in Parma veröffentlichten Gutachten. Die Efsa-Forscher schlagen vor, einen neuen Grenzwert für die akute Aufnahme von Glyphosat, zum Beispiel während einer einzigen Mahlzeit, von 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht festzulegen. Damit werde „die künftige Bewertung potenzieller Risiken durch Glyphosat“ verschärft, sagte José Tarazona, Leiter des Referats für Pestizide der Efsa. Bisher gibt es nur einen Grenzwert für die tägliche regelmäßige Aufnahme des Stoffes – dieser soll laut Efsa-Empfehlung von 0,3 auf 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht erhöht werden.

Die Zulassung des Mittels in Europa war bis Mitte 2016 verlängert worden. Experten der EU-Staaten sollen auf der Basis des Efsa-Gutachtens – und auf Vorschlag der EU-Kommission – bis dahin über eine Neuzulassung entscheiden. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, seine Behörde werde das Gutachten nun prüfen. Die Efsa hat nur den Wirkstoff Glyphosat bewertet. Über die Zulassung von Produkten, in denen er enthalten ist, müssen die EU-Staaten am Ende entscheiden.

Das Problem der EFSA: Sie ist massiv von Leuten unterwandert, die teilweise von der Industrie finanziert werden. Die EFSA stand immer wieder im Zentrum von Skandalen, weil die angeblich unabhängigen Forscher enge Beziehungen zu den großen Gentechnik-Konzernen wie Monsanto unterhalten. Zuletzt war die EFSA aufgefallen, als sie versuchte, die französischen Autoren einer kritischen Studie, die sogenannte Séraldini-Studie, über die Wirkungen von Roundup zu diffamieren. Ein kritischer Bericht von Testbiotech hat jedoch ergeben, dass die Franzosen mit besseren wissenschaftlichen Standards gearbeitet hätten als die EFSA. Christoph Then von Testbiotech machte damals auf das grundsätzliche Problem der Methodik von EFSA aufmerksam: „Die Art und Weise, wie die EFSA Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen bewertet, scheint von der einseitigen Absicht geleitet, jegliche Zweifel an der Sicherheit der Produkte zurückzuweisen. Die Debatte über wissenschaftliche Standards wird dazu instrumentalisiert, um die bisherigen Stellungnahmen der Behörden zu verteidigen, nach denen keine gesundheitlichen Risiken zu befürchten sind.“

Die EFSA hatte zwar im Juli 2014 neue Richtlinien über ihre „Unabhängigkeit“ veröffentlicht, doch diese sind nach Einschätzung des Watchdogs Corporate Europe Observatory (CEO) ein reines Feigenblatt: Denn die EFSA erklärt einen „Experten“ nur dann für befangen, wenn er zum exakt selben Thema für die Industrie arbeitet. Grauzonen und Umgehungen sind daher leicht möglich, zumal die EFSA keinerlei Sanktionen kennt, wenn ein Forscher gegen die theoretische Regeln verstößt.

Foodwatch reagierte daher genervt auf die positive Beurteilung von Glyphosat durch die EU. In einer Pressemitteilung wird die Ablehnung der 2016 auslaufenden Zulassung für das Monsanto-Produkt gefordert: „Wenn die Wissenschaft keine eindeutigen Antworten liefert, muss politisch entschieden werden – und solange die Hinweise auf potenzielle Krebsrisiken nicht widerlegt sind, ist nur eine Entscheidung denkbar: Die Europäische Kommission muss dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragen und Glyphosat die Zulassung entziehen. Für eine Neuzulassung fehlt die Grundlage. Auch andere potenziell oder erwiesenermaßen schädliche Mittel müssen ihre Zulassung verlieren, damit die Agrarwirtschaft beim Wegfall von Glyphosat nicht auf andere ebenfalls riskante Mittel zurückgreift. Die Europäische Kommission muss jetzt die Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel grundlegend neu aufstellen. Künftig müssen nicht nur isolierte Einzelwirkstoffe, sondern auch die anwendungsfertigen Mischpräparate toxikologisch bewertet werden. Die Prüfung muss transparent und unabhängig erfolgen. Eine Zulassung darf nur dann ausgesprochen werden, wenn keine substantiellen Hinweise auf gesundheitliche Risiken für die Verbraucherschaft vorliegen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Kurs knickt nach Orcel-Aussage deutlich ein
31.03.2025

Die Commerzbank-Aktie muss nach einer starken Rallye einen Rückschlag hinnehmen. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte zuvor einen möglichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU vor Herausforderungen: Handelskriege könnten die Wirtschaft belasten – der Ausweg heißt Binnenmarkt
31.03.2025

Die protektionistischen Maßnahmen der USA und mögliche Handelskonflikte belasten die EU-Wirtschaft. Experten wie Mario Draghi fordern...

DWN
Technologie
Technologie Arbeitsmarkt: Top-Berufe, die es vor 20 Jahren noch nicht gab
31.03.2025

Eine Studie von LinkedIn zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) neue Jobs und Fähigkeiten schafft, Karrieren und Arbeitswelt verändert:...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betonblock: Lego verklagt Hersteller von Anti-Terror-Betonklötzen
31.03.2025

Lego verklagt das niederländische Unternehmen Betonblock. Die Anti-Terror-Blöcke des Herstellers erinnerten zu sehr an die...

DWN
Technologie
Technologie Neue EU-Vorschriften: Plug-in-Hybriden drohen deutlich höhere CO2-Emissionen
31.03.2025

Mit der Einführung neuer, verschärfter Emissionsmessungen für Plug-in-Hybride (PHEVs) wird die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge erheblich...

DWN
Politik
Politik Marine Le Pen wegen Veruntreuung zu Fußfesseln verurteilt - FN-Chef Bardella: "Hinrichtung der französischen Demokratie"
31.03.2025

Marine Le Pen wurde in Paris wegen der mutmaßlichen Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen - das...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerk mit Speicher: Für wen sich die Investition wirklich lohnt
31.03.2025

Balkonkraftwerk mit Speicher: eigenen Strom gewinnen, speichern und so Geld sparen. Doch so einfach ist es leider nicht, zumindest nicht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Der Handelskrieg gefährdet die US-Ausnahmestellung
31.03.2025

Da Investitionen nach neuen Möglichkeiten abseits der zuletzt florierenden US-Finanzmärkte suchen, wird an der Wall Street diskutiert, ob...