Die Kommission der Bundesregierung zu den Atomausstiegs-Kosten will den Konzernen bei den langfristigen Risiken der Altlasten entgegenkommen. Eine unbegrenzte Nachhaftung führe zu einer "Überforderung der Betreiber" und "laufe langfristig potenziell leer", heißt es in Kommissionspapieren, die der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag vorlagen. Ein solcher Weg sei "ohne Gewinn für die Gesellschaft". Deutlich wird aus den Papieren zudem, dass die Konzerne für Abriss und Stilllegung der Meiler allein aufkommen sollen. Die für Zwischen- und Endlagerung des Mülls gebildeten Rückstellungen sollen aber in einen Fonds mit öffentlich-rechtlichem Charakter, also unter Staatsbeteiligung, fließen. Offen bleibt die Frage einer "begrenzten Nachhaftung" und eines "Risikozuschlags" bei der Einzahlung in den Fonds durch die Konzerne.
Die Kommission mit 19 Mitgliedern aus gesellschaftlichen Gruppen soll bis Ende Februar Vorschläge erarbeiten, wie die Finanzierung von AKW-Abriss und Müll-Endlagerung finanziell gesichert werden kann. Die vier Betreiber E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW haben zusammen über 38 Milliarden Euro an Rückstellungen für die Altlasten gebildet, ob diese aber ausreichen, ist nicht zu erwarten. Da ein Endlager erst 2050 zur Verfügung steht, gilt besonders die bis dahin zugrunde gelegte Verzinsung der Rückstellungen als Risikofaktor. Zudem stehen die Unternehmen wegen stark gesunkener Strompreise und hoher Verschuldung wirtschaftlich unter Druck. Die Kommission verweist in den Papieren so auch auf ein "Insolvenzrisiko". Es sei auch eine Gefahr, wenn die Unternehmen Dividenden aus ihrer Substanz zahlten. RWE hatte am Mittwoch angekündigt, erstmals seit den 50er Jahren keine Dividende mehr an seine Aktionäre zahlen.
Das Dilemma der Kommission liegt darin, dass zum einen die Konzerne rechtlich verpflichtet wären, für sämtliche Alt-Lasten einzustehen. Zum anderen müssen die Unternehmen aber auch lebensfähig bleiben. Die Kommission verweist so darauf, dass bereits viel Zeit für die Sicherung der Mittel verloren gegangen sei. "Völlige Risikovermeidung ist nicht (mehr) möglich", heißt es so. Es gehe noch um Risikominderung und die "Vermeidung des Totalausfalls".
Die Drohung mit dem Totalausfall erinnert an die Banken-Rettung: Auch dort wurden jahrzehntelang die Gewinne privatisiert, die Verluste und im Fall der Atom-Lobby vor allem die völlig unkalkulierbaren Risiken müssen von den Steuerzahlern übernommen werden.
Eine Sicherung der gebildeten Rückstellungen für die Müll-Entsorgung etwa im Fonds sei nicht nur im Interesse des Staates. Auch für die Konzerne sei es gut, die "Entsorgung vom Schicksal der Betreiber abzukoppeln". Wenn diese künftig nicht mehr für alle Risiken unbegrenzt haften müssten, verbessere dies etwa ihren Zugang zum Kapitalmarkt.
Anders sehe es bei den vergleichsweise kurzfristigen Ausgaben für Abriss und Stilllegung der Atomkraftwerke aus, wovon das letzte 2022 vom Netz soll. Dies soll in der Hand der Betreiber bleiben. Für diese Aufgabe sind knapp 20 Milliarden der Rückstellungen vorgesehen. Hier stelle sich nur die Frage, wie die etwa in Kraftwerken gebundenen Werte der Rückstellungen transparenter gemacht werden können.
Bei dem ins Auge gefassten Fonds für die langfristigen Entsorgungskosten stelle sich die Frage, ob es eine begrenzte Haftung für mögliche Mehrkosten oder auch eine einmalige Zuzahlung zu den Rückstellungen geben solle. Das Geld aus den Rückstellungen solle jedenfalls in "Cash", beispielsweise in Raten bis 2022, in den Fonds fließen. Die Kommission spricht sich zudem dagegen aus, das Geld etwa als Sondervermögen unter Kontrolle des Bundeshaushalts zu stellen. Hier bestehe die Gefahr "anderweitiger Verwendung".