Politik

Facebook löscht User-Inhalte im Auftrag der Bundesregierung

Lesezeit: 3 min
27.02.2016 02:26
Facebook hat in dieser Woche mit der Kontrolle von Postings auf seiner Website begonnen. Das Unternehmen teilte mit, es werde sicherstellen, dass „schlechte Inhalte“ entfernt werden. Diese Inhalte werden Facebook von Nutzern gemeldet und dann von einem deutschen Dienstleister entfernt.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat bei seinem Besuch in Deutschland dem Wunsch der Bundesregierung stattgegeben, seine Seite auf Inhalte von deutschen Nutzern zu durchforsten. Die Nachrichtenagentur AFP meldet, dass Zuckerberg bekanntgegeben habe, dass in Deutschland inzwischen 200 Stellen eingerichtet wurden, die sicherstellen sollen, dass „schlechte Inhalte“ nicht auf Facebook stehen.

Was unter dem reichlichen vagen Begriff der „schlechten Inhalte“ zu verstehen ist, ist unklar. In der aktuellen Debatte sollen sich die Maßnahmen auf ausländerfeindliche Hassparolen beziehen. Zuckerberg sagte: „Bis vor kurzem haben wir das in Deutschland nicht gut genug gemacht.“ Das Unternehmen hatte im November versprochen, gegen Hetze vorgehen zu wollen, allerdings erst, nachdem die Bundesregierung Facebook dazu aufgefordert hatte. Dies ist erstaunlich, weil es eigentlich nicht erst der Aufforderung und dem Druck der Bundesregierung bedurft hätte, um solche Inhalte zu erkennen und zu entfernen.

Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar, wie ein US-Unternehmen herausfinden will,, ob es sich bei einem Posting um zulässige Meinungsäußerung handelt oder tatsächlich geltende Gesetze verletzt werden. Selbst für Gerichte ist dies ein aufwendiger Prozess, diese Unterscheidung herauszuarbeiten.

Bei Facebook läuft das Verfahren dagegen völlig intransparent ab: Facebook hat die Aufgabe an einen Dienstleister delegiert, der zu völligem Stillschweigen verpflichtet ist. Die zum Bertelsmann-Konzern gehörende Arvato in Güterloh hat diese Aufgabe übernommen, verweist jedoch an Facebook zu Detailanfragen. Mit der Pressestelle von Facebook haben viele deutsche Medien allerdings keine besonders guten Erfahrungen gemacht: Eine Anfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten vom 22. September 2015 ist bis heute unbeantwortet geblieben.

Auch das Verfahren von konkreten Löschanfragen ist nicht zu durchschauen: Nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten wird Arvato ausschließlich auf Hinweise von Nutzern tätig. Die Sachbearbeiter, deren besondere Kompetenz bei der „Sprache“ liegen soll, löschen Inhalte also aufgrund von Hinweisen Dritter. Es ist unbekannt, ob sich diese Hinweisgeber in irgendeiner Form zu erkennen geben müssen oder ob Löschaufforderungen auch anonym erfolgen können.

Ob es sich bei den Hinweisen um Denunziationen handelt, wird von den Sachbearbeitern vermutlich nur schwer zu klären sein: Dem Vernehmen nach gibt es eine regelrechte Flut von Löschaufforderungen. Es ist schwer vorstellbar, dass die Sachbearbeiter eine angemessene Einzelfall-Prüfung vornehmen können. Schon bisher war es bei Facebook so, dass Posts stets ohne Anhörung der Beschuldigten gelöscht wurden.

Dies ist problematisch, weil Zuckerberg am Freitag selbst einräumte, mit dem Dilemma bisher überfordert gewesen zu sein: Den Verantwortlichen seien die spezifisch deutschen Aspekte dieses Problems früher nicht klar gewesen, räumte der Unternehmensgründer bei einer Veranstaltung mit Fans in Berlin ein. Dass beim Vorgehen gegen Hass im Internet auch ein besonderes Augenmerk auf Hetze gegen Migranten gelegt werden müsse, habe Facebook erst lernen müssen. Einen Anstoß habe ihm hier ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer UN-Veranstaltung gegeben, sagte Zuckerberg laut AFP.

Es ist äußerst fraglich, ob ausgerechnet Facebook, dem erst vor wenigen Monaten klar geworden ist, dass Hass-Postings ein Problem sind, die geeignete Instanz ist, um über Inhalte auf deutschsprachigen Websites zu befinden. Offenbar geht es auch um die Kontrolle von politischen Themen: So wurden die Deutsch-Türkischen Nachrichten zensuriert, weil in einer Artikelüberschrift die PKK genannt wurde. Die Administratoren der DTN wurden für 24 Stunden gesperrt. Eine Reaktion von Facebook liegt nicht vor.

Es ist unbekannt, ob Facebook von der Bundesregierung oder den politischen Parteien bei konkreten Löschungen angeleitet wird. Es ist gerade im Hinblick auf den Eingriff bei den DTN ebenfalls unklar, ob Facebook Inhalte in Deutschland nach Vorgaben der US-Regierung löschen lässt.

Auch in der Bundesregierung ist der Ton in den vergangenen Wochen wesentlich schärfer geworden. So rückte Bundesjustizminister Heiko Maas einen der angesehensten Juristen Deutschlands in die Nähe der „geistigen Brandstifter“: Der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio hatte für die CSU ein Gutachten erstellt, in dem er zu dem Ergebnis kam, dass die dauerhafte Grenzöffnung nicht im Einklang mit der Verfassung stehe. Ob di Fabios Gutachten auch unter die Lösch-Arbeiten von Facebook fallen wird – etwa, wenn dieses auf Facebook gepostet und an Arvato von anonymen Kontrolleuren als „Brandstiftung“ gemeldet wird, ist schwer abzuschätzen.

Natürlich ist es Facebook als einem privaten US-Unternehmen völlig unbenommen, in dieser Sache zu entscheiden, welche Inhalte das Unternehmen auf seinen eigenen Seiten veröffentlicht wissen will. Es ist dem Unternehmen ebenfalls unbenommen, seine publizistischen Grundsätze eng mit der Bundesregierung abzustimmen. So lange die Nutzer davon profitieren, die Seite gratis verwenden zu können, haben sie keinerlei Mitwirkungsrechte.

Hinweis in eigener Sache: Die Redaktion der DWN hat sich entschlossen, bis zur Klärung der oben angesprochenen grundsätzlichen Problematik bis auf weiteres keine Artikel mehr aktiv auf Facebook zu posten. Wir laden unsere Leserinnen und Leser ein, die zahlreichen alternativen Verbreitungswege der DWN zu nutzen. Sie sind hier zu finden, unter anderem mit einer Möglichkeit zur Anmeldung zum DWN-Newsletter.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Finanzen
Finanzen Nach Trumps missglücktem Finanztrick: Stillstand der US-Regierung doch noch abgewendet
21.12.2024

Der US-Kongress hat einen drohenden Stillstand der Regierungsgeschäfte im letzten Moment abgewendet. Nach dem Repräsentantenhaus...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - vier Tote, zahlreiche Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Griechenlands Wirtschaft boomt: Erfolgreiche Steuerreformen und starke Investitionen treiben den Aufschwung
21.12.2024

Griechenlands Wirtschaft überrascht: Für 2025 erwartet das Land einen Haushaltsüberschuss von 13,5 Milliarden Euro – mehr als doppelt...

DWN
Panorama
Panorama Winterurlaub in Gefahr: Weniger Gäste in den Alpen erwartet
21.12.2024

Die Alpenregion, ein traditionell beliebtes Ziel für Wintersport und Erholung, steht in der neuen Saison vor Herausforderungen. Weniger...

DWN
Finanzen
Finanzen Quality Investing: Von der Kunst des klugen Investierens
21.12.2024

Luc Kroeze, Autor des Buches „Die Kunst des Quality Investing“, erläutert im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unsicherheit für PCK: Verkauf der Shell-Anteile gescheitert
20.12.2024

Das Scheitern des Verkaufs der Shell-Anteile an der Schwedter Raffinerie erschüttert den Standort. Wieder bleibt die Zukunft unklar. Nun...