Politik

Angela Merkel schließt Rücktritt wegen Flüchtlings-Krise aus

Lesezeit: 2 min
28.02.2016 23:47
Bundeskanzlerin Merkel schließt einen Rücktritt im Fall des Scheiterns des Flüchtlingsgipfels mit der Türkei aus. In diesem Fall müsse sie weitermachen. Es werde den nächsten Gipfel geben. Einen Plan B habe sie nicht.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Kanzlerin Angela Merkel hat die europäischen Partner erneut eindringlich zu einer gemeinsamen Lösung der Flüchtlingskrise aufgerufen. «Meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit besteht darin, dass dieses Europa einen gemeinsamen Weg findet», sagte Merkel am Sonntagabend in der ARD. Sie setze ihre gesamte Kraft auf den von ihr eingeschlagenen Weg einer europäischen Lösung sowie einer Bekämpfung der Fluchtursachen vor allem in Syrien. «Das alles mag manchen zu langsam gehen», sagte die Kanzlerin. Sie glaube aber daran, dass dies der einzige Weg zu einer nachhaltigen Lösung sei.

Zur Grenzschließung in Mazedonien sagte Merkel, die deutsche Verantwortung sei es, die Situation nicht zu Lasten eines Landes, sondern gemeinsam mit den EU-Partnern zu lösen. Sie setze auf die Verhandlungen mit der Türkei bei dem EU-Türkei-Gipfel in einer Woche. Merkel sagte Griechenland weitere Unterstützung zu: «Dieses Land können wir doch jetzt nicht im Stich lassen.» Man habe das Land doch nicht im Euro gehalten, um es jetzt fallenzulassen.

Auf die Frage, ob sie einen Plan B habe, sagte Merkel: «Nein, ich habe ihn nicht. Ich habe einen anderen.» Merkels Konzept: Keine Obergrenze, Zuzug ordnen und steuern, europäische Lösung suchen. Die Kanzlerin hofft auf den zweiten EU-Türkei-Sondergipfel am 7. März. Auf die Frage, ob Merkel persönliche Konsequenzen ziehen werde, wenn der Gipfel scheitert, sagte Merkel. «Nein. Dann muss ich ja weiter machen.» Wenn der geplante Gipfel kein Ergebnis bringt, werde es den nächsten Gipfel geben.

Angesichts der Flüchtlingsströme quer durch Europa warnte Merkel vor nationalen Alleingängen. «Das ist genau das, wovor ich jetzt Angst habe, wenn der eine seine Grenze definiert, muss der andere leiden. Das ist nicht mein Europa.» Niemand solle glauben, dass durch einseitige Grenzschließungen die Probleme beseitigt werden könnten. Sie leite dabei der Gedanke, «dass Europa nicht kaputtgeht».

Die Kanzlerin bat die Bürger um Geduld für ihren internationalen Ansatz. Europa zusammenzuhalten und Humanität zu zeigen sei ihre Priorität. Es gehe auch um Deutschlands Ansehen in der Welt. «Das ist eine ganz wichtige Phase unserer Geschichte.»

Merkel kritisierte das Verhalten von Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Flüchtlingskrise. Dessen Vorstoß zu einem Sozialprojekt für einheimische Bedürftige parallel zur Flüchtlingshilfe lehnte sie ab. Sie bezeichnete den von Gabriel zitierten Satz als «schlimm»: «Für die macht ihr alles, für uns macht ihr nichts.» Gabriel hatte im ZDF gesagt, dieser Satz, den er auf allen seinen Veranstaltungen höre, sei «supergefährlich».

Merkel sagte, einen solchen Satz solle man sich gar nicht erst zu eigen machen. Und weiter: «Ich finde, die SPD und der Vorsitzende Herr Gabriel machen sich damit klein», sagte Merkel. Die schwarz-rote Koalition habe vieles für Kinder, Eltern, Rentner und Kranke getan - Krankenhausreform, Kindergelderhöhung, Rente mit 63, Mütterrente. «So zu tun, als bräuchten wir eine riesenzusätzliche Anstrengung, sehe ich nicht.» Union und SPD hätten bisher gemeinsam Verantwortung gut wahrgenommen und machten das auch Schritt für Schritt weiter.

Auf die Frage, ob sich angesichts der teils gewalttätigen Proteste und des offenen Hasses gegen Flüchtlinge eine Situation wie in der Weimarer Republik entwickeln könnte, antwortete Merkel: «Das glaube ich nicht.» Zwar müsse man entsprechende Warnungen ernst nehmen. Es sei aber ihre Aufgabe, «Probleme so zu lösen, dass wir zu unseren Werten stehen können».

Die jüngsten fremdenfeindlichen Übergriffe in Sachsen kritisierte die Kanzlerin scharf: «Das sind Bürgerinnen und Bürger, die etwas tun, was ich zutiefst ablehne.» Wer Sorgen habe, könne friedlich demonstrieren. Artikel 1 des Grundgesetzes laute «Die Würde des Menschen ist unantastbar.» Das gelte für jeden in Deutschland - für Deutsche und Flüchtlinge. Übergriffe mit kriminellem Charakter verabscheue sei. Dennoch sei sie zu Gesprächen bereit. Voraussetzung sei die Fähigkeit und Bereitschaft des Gegenüber zum Zuhören. «Natürlich geben wir niemandem auf.» (...) Ich mache für alle Menschen Politik.»


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit neuem Rekordhoch - geht es jetzt Richtung 100.000 US-Dollar?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag legt die wichtigste Kryptowährung direkt nach. Seit dem Sieg von Donald Trump bei...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Dividenden leben? So erzielen Sie ein passives Einkommen an der Börse
21.11.2024

Dividenden-ETFs schütten jedes Jahr drei bis vier Prozent der angelegten Summe aus. Wäre das auch was für Ihre Anlagestrategie?...

DWN
Politik
Politik Weltstrafgericht erlässt auch Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant - wegen Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen
21.11.2024

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den früheren...

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...

DWN
Politik
Politik Neue EU-Kommission: Nach heftigen Streit auf „umstrittenes“ Personal geeinigt
21.11.2024

Nach erbittertem Streit haben sich die Fraktionen im EU-Parlament auf die künftige Besetzung der Europäischen Kommission geeinigt. Warum...