Griechische Medien berichten, dass der deutsche Konteradmiral Jörg Klein, Kommandant der SNMG 2 Maritime Group der Nato, Griechenland und die Türkei um Erlaubnis gebeten habe, am 3. März 2016 mit dem Flaggschiff „Bonn“ in griechische und türkische Gewässer bei Lesbos einfahren zu dürfen, berichtet die Zeitung Kathimerini. Die Einfahrt sollte von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen per Hubschrauber begleitet und beobachtet werden. Athen gab dem Konteradmiral seine Zustimmung, doch Ankaras Antwort viel negativ aus. Die Türkei begründete die Entscheidung damit, dass Probleme zwischen der Nato und der Türkei bestehen würden, da die operationellen Planungen der Türkei noch nicht beendet seien. Klein stieß bereits in der Vergangenheit auf negative türkische Reaktionen. Dieser hatte zuvor gesagt, dass Griechenland einen Anspruch auf einen Luftraum mit einer Breite von 10 nautischen Meilen habe.
Die Türkei hingegen erkennt aber nur sechs nautische Meilen an. Die Nato arbeitet aktuell an einem Plan, vier Schiffe (die deutsche „Bonn“, die kanadische „Fredericton“, die griechische „Salamis“ und die türkische „Barbara“) in der Ägäis einzusetzen. Die Nato will zunächst alle Unstimmigkeiten auf der operationellen Ebene aus dem Weg schaffen, um anschließend die Entscheidungsbefugnis den Politikern zu übertragen. Dies ist mittlerweile der zweite Anlauf. Die türkischen Vertreter haben all ihre Vorschläge, die im Zusammenhang mit ihren Forderungen in der Ägäis (Such- und Rettungsaktionen etc.) stehen, erneut eingebracht. Nach Informationen der Zeitung Hürriyet haben hat die Türkei Deutschland klar gemacht, dass sie von ihren Ansichten bezüglich der Situation in der Ägäis nicht abweichen werde. Die türkischen Vertreter seien zufrieden mit der Einstufung der Nato, wonach die Ägäis ein gemeinsames Gewässer der Türkei und Griechenlands sei.
Um Streitigkeiten zwischen der Türkei und Griechenlands während des von Deutschland geführten Nato-Einsatzes in der Ägäis zu verhindern, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel Druck auf Griechenland ausgeübt. Nach Informationen der Zeitung Zaman forderte Merkel von Athen und allen anderen Staaten, die am Einsatz beteiligt sind, für die Dauer des Einsatzes eine „stille Diplomatie“. Ebenfalls auf Merkels Bestreben hin, sollen die nachträglichen Forderungen der Türkei in den Nato-Beschluss aufgenommen worden sein. Demnach soll das Eindringen von fremden Schiffen in die Gewässer der Türkei ausschließlich für die Dauer des Nato-Einsatzes gelten.
Die Bundesregierung spielt den Streit herunter, räumt aber ein, dass der Nato-Einsatz trotz der bevorstehenden Landtagswahlen nicht wie geplant starten könne. Es fänden „zurzeit die notwendigen Detailabsprachen statt“, die Planungen seien aber „auf einem guten Weg“, teilte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP mit. Nato-Diplomaten hatten zuvor von einer Blockade durch die Türkei gesprochen.
Die Türkei und Griechenland befinden sich seit Jahrzehnten in einem Streit um die Hoheitsrechte in der Ägäis. Nach Beschluss der Internationalen Seerechtskonferenz in Genf 1958 wurden die Hoheitsgewässer der Türkei an ihren Küsten auf zwölf Seemeilen festgelegt. Obwohl Griechenland den Genfer Beschluss im Jahr 1972 ratifiziert hat, erhebt das Land ebenfalls einen Anspruch von zwölf Seemeilen. Bisher hat Ankara von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Doch auch Griechenland hat sich bisher zurückgehalten, um einem Territorial-Konflikt zu vermeiden.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte in der vergangenen Woche bekräftigt, dass griechische Boote nicht in türkischen Hoheitsgewässern tätig werden sollten und türkische nicht in griechischen. Andere Schiffe sollten aber sehr wohl auch direkt vor der türkischen Küste agieren. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte darauf verwiesen, dass der Einsatz auch mehr Transparenz zu den Vorgängen auf türkischer Seite schaffe. „Deutschland wollte eine Stationierung in türkischen Gewässern, das haben die Türken abgelehnt“, sagte ein Diplomat.
Der Einsatz der Nato gegen Flüchtlinge und Migranten ist aus Menschenrechtsgründen äußerst umstritten. Die Grenzagentur Frontex etwa lehnt eine Rückführung von Personen in die Türkei ab, weil die Türkei alles andere als ein sicherer Herkunftsstaat sei. Die Nato dagegen soll dem Wunsch Merkels zufolge Boote mit Flüchtlingen zurücktransportieren, wenn sie in der Nähe der Kriegsschiffe kentern.