Istanbul ist am Dienstag bereits zum vierten Mal in diesem Jahr von einem schweren Anschlag erschüttert worden: Die Explosion einer ferngezündeten Autobombe zerriss am Morgen einen Bus mit Bereitschaftspolizisten. Elf Menschen wurden getötet, wie die Behörden mitteilten. Am Nachmittag wurden vier Verdächtige festgenommen. Staatschef Recep Tayyip Erdogan machte die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK verantwortlich. Deutschland, Frankreich und die USA verurteilten die Attacke.
Tatsächlich gibt es keinerlei objektive Informationen über Tathergang und Urheberschaft. Alle Angaben stammen von offizieller türkischer Seite und sind auf ihren Wahrheitsgehalt hin nicht zu überprüfen.
Die Bombe detonierte vor einem großen Hotel nahe der U-Bahnstation Vezneciler, von der viele Sehenswürdigkeiten wie der Große Basar und die Süleymaniye-Moschee schnell zu Fuß zu erreichen sind. Von dem Polizeibus blieb nur ein ausgebranntes Wrack übrig, an Autos und Geschäften zersplitterten Fenster. Die berühmte Sehzade-Moschee aus dem 16. Jahrhundert wurde beschädigt.
Über Lautsprecher wurden die Menschen aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Anschließend wurde ein verdächtiges Fahrzeug kontrolliert gesprengt.
Sieben Polizisten und vier Zivilisten seien getötet worden, sagte der Gouverneur von Istanbul, Vasip Sahin. 36 Menschen seien verletzt worden, drei von ihnen lebensbedrohlich. Am Nachmittag wurden laut der halbamtlichen Nachrichtenagentur Anadolu vier Verdächtige festgenommen und zum Verhör ins Polizeihauptquartier gebracht. Niemand bekannte sich zu der Attacke an Tag zwei des muslimischen Fastenmonats Ramadan.
Präsident Erdogan machte aber umgehend die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verantwortlich: Es sei "nichts Neues", dass "die Terrororganisation" ihre Anschläge in großen Städten verübe, sagte Erdogan nach einem Besuch von Verletzten in einem Krankenhaus. Er kündigte an, den "Kampf gegen den Terrorismus bis zum Ende, bis zur Apokalypse" zu führen. Die Täter würden "den Preis für das Blut bezahlen, das sie vergossen haben".
Die türkische Armee geht im Südosten des Landes schon seit einem Jahr mit aller Härte gegen PKK-Kämpfer und ihre Sympathisanten vor. Medienberichten zufolge bombardierten türkische Kampfflugzeuge erst am Montagabend im Nordirak erneut Stellungen der PKK.
Seit Jahresbeginn wurden in Istanbul und in der Hauptstadt Ankara zahlreiche tödliche Anschläge verübt, die der Miliz Islamischer Staat (IS) oder militanten Kurden zugerechnet wurden. In Istanbul riss am 12. Januar ein Mann zwölf Deutsche mit in den Tod. Im April tötete eine Bombe in einer Einkaufsstraße drei Israelis und einen Iraner, auch dahinter wurde der IS vermutet. Im Mai wurden acht Menschen - darunter mehrere Soldaten - verletzt, als eine ferngezündete Autobombe ein Militärfahrzeug in der Metropole am Bosporus beschädigte. Kein einziger der Angriffe wurde jemals aufgeklärt.
Mehrere westliche Länder mahnten ihre Bürger in der Türkei schon vor Dienstag zur Vorsicht und schlossen wegen der Anschlagsgefahr vorübergehend diplomatische Einrichtungen. Der neue Anschlag zu Beginn der Tourismus-Saison versetzt der Branche einen weiteren Tiefschlag. Schon im April waren nur 1,75 Millionen Ausländer in die Türkei gereist, 28 Prozent weniger als im Vorjahresmonat.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich "entsetzt" über den neuen Anschlag. "Nichts kann solche Anschläge rechtfertigen und nichts diese Grausamkeiten entschuldigen", sagte sie in Berlin. Deutschland stehe im Kampf gegen den Terrorismus an der Seite der Türkei. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach von einem "terroristischen Verbrechen" und erklärte, es sei "erschütternd", dass die Türkei abermals um Tote und Verletzte trauern müsse.
Das Auswärtige Amt riet Reisenden nach Istanbul, aber auch in andere türkische Städte zu besonderer Vorsicht. Dies gelte vor allem für öffentliche Plätze, touristische Attraktionen und Menschenansammlungen.