Finanzen

Nach EU-Strafe für Apple: USA nehmen sich Deutsche Bank vor

Die Aktie der Deutschen Bank ist wegen Drohungen des US-Justizministeriums unter hohen Druck geraten. Dieses fordert eine Strafe von 14 Milliarden Dollar für Vergehen auf dem amerikanischen Immobilienmarkt. Einige Beobachter erkennen darin eine Vergeltungsmaßnahme für die hohe Milliardenstrafe, welche die EU kürzlich gegen Apple ausgesprochen hatte.
16.09.2016 11:36
Lesezeit: 4 min

Eine drohende Milliarden-Strafe für die Deutsche Bank hat Anleger am Freitag aufgeschreckt. Sie verkauften nicht nur Papiere des deutschen Branchenprimus, sondern auch andere Finanzwerte, berichtet Reuters. Ein Großteil der Kursverluste von Dax und EuroStoxx50 ging auf ihr Konto. Die beiden Indizes verloren jeweils deutlich über 1 Prozent auf rund 10.280 beziehungsweise 2930 Punkte.

Der Aktienkurs der Deutschen Bank liegt derzeit rund 8,7 Prozent im Minus. Das US-Justizministerium fordert im Streit um angebliche Tricksereien bei Immobiliengeschäften 14 Milliarden Dollar von der Bank. Die Verhandlungen über die endgültige Strafe stünden aber erst am Anfang, betonte das Geldhaus. „Das Justizministerium hat die Deutsche Bank dazu auserkoren, ihren Teil beim Stopfen des enormen US-Haushaltsdefizits beizutragen“, urteilte Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus City of London.

„Das Ganze hat auch schwerwiegende Folgen für die Royal Bank of Scotland (RBS)“, warnte Analyst Neil Wilson vom Brokerhaus ETX Capital. Dem britischen Geldhaus drohe eine 13 Milliarden Dollar schwere Zahlung. „Selbst ein Drittel davon hätten einen lähmenden Effekt und würde die Rückkehr in die Gewinnzone weiter verzögern.“ RBS gehörten mit einem Kursminus von 3,1 Prozent zu den größten Verlierern im europäische Banken-Index, der seinerseits 1,6 Prozent einbüßte.

„Angesichts der prekären Finanzlage einiger europäischer Banken, von denen die Deutsche eine des risikobehaftetsten und systemrelevantesten ist, ist dies verstörend und wirkt kurzsichtig und unnötig strafend.“ Selbst ein Drittel der angedrohten Strafe von 14 Milliarden Dollar wäre eine schwere Last für eine Firma mit einem Börsenwert von rund 18 Milliarden Euro. „Gigantische Forderungen unterminieren Banken, drohen einige der am meisten globalisierten, systemrelevanten Institute zu destabilisieren, just als ein Cocktail neuer Regulierungen und ultra-niedriger Zinsen die Ertragskraft zerstören. Es gibt Spekulationen um eine neue Ära der 'Auge-um-Auge'-Handelskriege. Die Deutsche Bank könnte der Prügelknabe für den Angriff der EU-Kommission auf Apple sein“, sagte Wilson.

In Zürich rutschten Aktien von UBS und Credit Suisse, denen ähnliche Vergehen vorgeworfen werden wie der Deutschen Bank, um bis zu 4,9 Prozent ab. Im Stoxx50 der größten Werte aus der EU, der Schweiz und Großbritannien gehörten sieben der zehn größten Verlierer zum Finanzsektor. „Es gibt Spekulationen um eine neue Ära der 'Auge-um-Auge'-Handelskriege“, sagte ETX-Experte Wilson. „Die Deutsche Bank könnte der Prügelknabe für den Angriff der EU-Kommission auf Apple sein.“ Diese fordert vom US-Elektronikanbieter 13 Milliarden Euro Steuern nach.

Die Bundesregierung würde die Deutsche Bank nach Einschätzung des Grünen-Finanzexperten Gerhard Schick wohl stützen, falls sie wegen ihrer Rechtsstreitigkeiten in den USA in eine Schieflage geraten würde. „Der Finanzminister würde immer in die Zukunft schauen müssen und nicht, woher das Problem kommt“, sagte Schick am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin: „Die Frage wäre also, wie groß wäre der Schaden für die Volkswirtschaft, falls die Bank kippen würde.“ Damit sei das Grundproblem des Instituts umschrieben: „Die Deutsche Bank ist nach wie vor zu groß“, sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion.

Die Rückstellungen der Deutschen Bank würden nicht zur Begleichung der vom US-Justizministerium geforderten 14 Milliarden Dollar reichen. Die Bank hofft, dass die Rechnung am Ende niedriger ausfällt. Schick sagte, die seit der Finanzkrise aufgestellten neuen europäischen Regeln und Verfahren für Banken-Schieflagen wie Banken-Testamente oder die mit den Eigentümern beginnende Haftungskaskade bei Rekapitalisierungen würden bei der Deutschen Bank nicht ausreichen: „Die Deutsche Bank ist zu groß, als dass normale Regeln greifen würden.“

Politisch wäre es allerdings fatal, wenn deutsche Steuergelder eingesetzt würden, um die Bank wegen dubioser Geschäfte zu retten: „Das kann man niemandem im Land erklären.“ Die von den US-Behörden aufgerufene Summe von 14 Milliarden Euro sei schon „ein sehr harter Aufschlag“, sagte Schick: „Das löst Sorgen aus.“

Die Bundesregierung schaltet sich nach eigenen Angaben nicht in die Verhandlungen der Deutschen Bank mit dem US-Justizministerium. „Wir mischen uns nicht ein“, sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums am Freitag in Berlin. Es handele sich um laufende Verhandlungen zwischen diesen beiden Seiten. Es habe in jüngster Zeit keine Gespräche des Ministeriums darüber mit den amerikanischen Behörden gegeben.

Die Sprecherin sagte, die US-Behörden hätten sich bereits mit anderen Kreditinstituten auf Vergleichszahlungen geeinigt. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass am Ende des Verfahrens um die Deutsche Bank „auf Grundlage der Gleichbehandlung ein faires Ergebnis erzielt wird“. Einen Zusammenhang zu den jüngsten Steuerrückforderungen der EU-Kommission an den US-Konzern Apple könne sie nicht erkennen.

Die SPD dringt auf eine baldige Entscheidung über mögliche Strafzahlungen der Deutschen Bank. Vize-Fraktionschef Carsten Schneider sagte am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin: „Für das Institut ist eine zügige Entscheidung erforderlich - in diesem Fall, aber auch in den weiteren offenen Rechtsstreitigkeiten.“ Ein Neustart mit Vertrauensaufbau sei nur mit einer Bereinigung der Altlasten möglich.

Schneider sagte, bei der Deutschen Bank schlügen nun „die Altlasten aus der Goldgräberzeit“ ein. Das Institut müsse aber wie andere Fälle behandelt werden: „Ich erwarte, dass die Deutsche Bank von den US-Behörden ebenso behandelt wird wie die US-amerikanischen Banken.“

Das Hypothekenthema geht auf die Zeit vor der Finanzkrise zurück und betrifft nicht allein die Deutsche Bank. Viele Großbanken hatten sich auf dem amerikanischen Immobilienmarkt über Jahre eine goldene Nase verdient. Sie reichten Hypotheken an mittellose Familien aus und blähten damit ihr Kreditgeschäft auf. Die Risiken wurden anschließend an Investoren weitergereicht - in Form von hochkomplexen Anleihen, die den Banken ebenfalls hohe Gebühren in die Kasse spülten. Als der Markt 2007 kollabierte, erwiesen sich diese Bonds als wertlos. Viele der Käufer fühlten sich über den Tisch gezogen und klagten erfolgreich gegen die Banken. Im Frühjahr hatte Goldman Sachs einen Vergleich mit dem US-Justizministerium eingetütet - rund fünf Milliarden Dollar schwer. Nur ein Teil davon ist allerdings eine Barzahlung an die Behörden. In vielen Fällen mussten betroffene Banken auch Anleger entschädigen.

Die Deutsche Bank betonte, man beabsichtige „auf keinen Fall, diese möglichen zivilrechtlichen Ansprüche in einer Höhe zu vergleichen, die auch nur annähernd der genannten Zahl entspricht“. Branchenkennern zufolge haben die Banken in den Gesprächen mit den Behörden durchaus Verhandlungsspielraum zu ihren Gunsten. Wie groß der Spielraum bei einem ausländischen Institut ist, ist allerdings offen. Das US-Justizministerium wollte sich zur Sache nicht äußern. Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus City of London hat seine eigene Interpretation: „Das Justizministerium hat die Deutsche Bank dazu auserkoren, ihren Teil beim Stopfen des enormen US-Haushaltsdefizits beizutragen.“

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