Die Führung der Europäischen Zentralbank hat sich darauf geeinigt, ihr Inflationsziel auf 2 Prozent anzuheben und bei Bedarf eine Überschreitung dieser Marke zuzulassen. Dies berichtet Bloomberg mit Verweis auf Insider. Die Einigung kam bei einer Sondersitzung am Dienstag und Mittwoch zustande, bei der die erste Strategieanpassung der EZB seit fast 20 Jahren abgeschlossen wurde.
Die Entscheidung markiert eine signifikante Änderung des bisherigen Inflationsziels der EZB von "unter, aber nahe bei 2 Prozent". Die überarbeitete Strategie könnte der Notenbank die Rechtfertigung für eine längere Beibehaltung ihrer ultralockeren Geldpolitik geben, nachdem die Inflationsraten über Jahre unter der Marke von 2 Prozent lagen.
Es wird erwartet, dass die EZB-Führung nach dem Sommer über den Ausstieg aus den Notfallmaßnahmen diskutieren wird, die ein Anleihekaufprogramm im Wert von 1,85 Billionen Euro beinhalten. Allerdings hat EZB-Direktor Fabio Panetta aus Italien bereits gefordert, die massiven Kriseninterventionen auf Dauer fortzuführen.
Die offiziellen Ergebnisse der Strategieüberprüfung werden am Donnerstag um 13.00 Uhr Frankfurter Zeit veröffentlicht, und EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird 90 Minuten später eine Pressekonferenz abhalten. Die Überprüfung deckt eine ganze Reihe von Themen ab, darunter auch der Kampf gegen den Klimawandel, das Zusammenspiel von Fiskal- und Geldpolitik, die Beschäftigungsentwicklung und die Globalisierung.
Das Inflationsziel stand jedoch im Mittelpunkt der Einschätzung. Lagarde sagte im Juni, dass man sich verpflichtet sieht, gleichermaßen auf zu niedrige und zu hohe Werte zu reagieren, dass aber die bisherige Formulierung von "unter, aber nahe bei 2 Prozent" das Ziel der Notenbank "für Beobachter und für die Märkte verwirrend" gemacht habe.
Was bedeutet das neue Inflationsziel von 2 Prozent?
"Sicherlich würde man denken, dass dies zukünftige potenzielle Zinserhöhungen noch weiter hinausschieben sollte, und es würde meiner Meinung nach auch mehr Asset-Käufe in der Zukunft erforderlich machen", sagte Jacob Kirkegaard, ein Senior Fellow beim German Marshall Fund. "Aber die Realität ist natürlich, dass selbst ein solches Ziel der EZB potenziell einen großen Ermessensspielraum einräumt."
Das neue Inflationsziel der EZB unterscheidet sich vom Ansatz der US-Notenbank. Die Federal Reserve hat im letzten Jahr angekündigt, ein "durchschnittliches Inflationsziel" anzustreben. Das heißt, sie will künftig Inflationsraten von über 2 Prozent akzeptieren und als explizites Ziel festlegen, wenn die zuvor gemessene Inflation unter der Marke von 2 Prozent lag.
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat kürzlich gesagt, dass eine Beibehaltung der lockeren Geldpolitik, selbst wenn die Inflation mittelfristig über dem Zielwert liegt, den Eindruck erwecken könnte, dass die EZB die Kreditkosten für die Eurostaaten absichtlich niedrig hält - denn genau das tut sie de facto. Eine Staatenfinanzierung durch die Notenbank würde aber ihre Unabhängigkeit untergraben, so Weidmann.
Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel deutete am Samstag an, dass die EZB ein Überschießen zulassen könnte. Sie sagte, die Entscheidungsträger müssten abwarten, bis die tatsächliche Inflationsdynamik mit den Prognosen übereinstimmt. "Diese Geduld kann dazu führen, dass die Inflationsergebnisse für eine vorübergehende Zeit moderat über unserem Ziel liegen."