Die russischen Medien berichten über einen möglichen Rücktritt des russischen Innenministers Wladimir Kolokoltsew. Denn nach Angaben des privaten US-Geheimdiensts Stratfor tobt im Kreml ein Machtkampf zwischen verschiedenen konkurrierenden Cliquen.
Der Westen spekuliert seit einiger Zeit mit dem Sturz Putins. Die Sanktionen könnten dazu beitragen, dass die Position Putins wegen der sich verschlechternden Wirtschaftslage gefährdet wird.
Putin selbst hält den rapide sinkenden Ölpreis für eine Gefahr. Die Russen wollen jedoch mit einer Erhöhung der Währungsreserven gegensteuern.
Doch Stratfor will eine andere Kampfzone ausgemacht haben: Es geht um das wichtige Innenministerium, dem auch die Polizei unterstellt ist.
Das Innenministerium ist eines der mächtigsten Ministerien des Landes und ist deshalb heiss umkämpft. Es ist ein wichtiges Werkzeug für alle jene, die in Russland politische Macht für sich verbuchen wollen. Das Innenministerium stellt einen wesentlichen Teil des innenpolitischen Überwachungsapparats des Landes bereit.
Der Pressesprecher des russischen Präsident, Dimitri Peskow, hat die Gerüchte über Machtkämpfe im Kreml bisher weder bestätigt noch dementiert.
Auf der technischen Ebene gehört Kolokoltsew zu den besseren Innenministern der russischen Geschichte. So argumentiert zumindest Stratfor. Seine Reformen der Polizei und der Sicherheitskräfte des Innern wurden in der Öffentlichkeit hochgelobt. Zu den Sicherheitskräften des Innern gehören paramilitärische Einheiten mit einer Truppenstärke von 200.000 Personen. Diese Paramilitärs sind die am besten ausgebildeten und ausgestatteten Sicherheitsbeamten Russlands, berichtet Stratfor. Sie verfügen über Kampferfahrung und waren sowohl im Nordkaukasus als auch in Tschetschenien tätig.
Traditionell gesehen untersteht das Innenministerium den Geheimdiensten und es gibt auch eine Reihe von Verzahnungen. Während der zaristischen Ära kontrollierte das Ministerium die Gendarmerie und die Geheimpolizei. In der frühen Sowjetzeit war Felix Dserschinski der erste Innenminister und gleichzeitig der Chef der Geheimpolizei Tscheka. Die Tscheka ist der Vorläufer des KGB und auch die Gründung dieser gefürchteten Einheit geht auf Dserschinski zurück.
Der Inlandsgeheimdienst FSB hat die Einheiten des Innenministeriums immer als seinen bewaffneten Arm angesehen. Der FSB hat sich niemals auf das russische Militär verlassen, zumal das Militär unter der Aufsicht und dem Einfluss verschiedener Fraktionen steht, die untereinander konkurrieren.
So war Ex-Innenminister Raschid Nurgalijew ein führender FSB-Beamter, bevor er Innenminister wurde. Er führte das Ministerium aus einer reinen politischen Motivation heraus und entwickelte keine innere Sicherheits-Strategie.
Doch Kolokoltsew war vor seinem Amt als Innenminister als Chef der Polizei in Moskau tätig. Er wurde als Technokrat angesehen, der mit den internen Machtkämpfen im Kreml nichts zu hatte. Seine Abhängigkeit zum FSB ist im Gegensatz zu Nurgalijew sehr gering.
Als Kolokoltsews Nachfolger wird Viktor Zolotow gehandelt. Zolotow gilt wiederum als Gefolgsmann Putins und war zuvor Chef des Föderalen Sicherheitsdiensts (FSO). Der FSO ist direkt für den Schutz des russischen Präsidenten zuständig. Zolotow steht nicht in Verbindung zu den Sicherheitskreisen des Kremls. Seine einzige Anlaufstelle ist Putin.
Sollte er tatsächlich Innenminister werden, müsste sich der Präsident auf einen Machtkampf mit dem FSB einstellen, was unter anderem seine Popularität untergraben könnte. Putin müsste sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er seinen Laden nicht im Griff hat. Denn der FSB will wieder die Macht über das Innenministerium erlangen und wird sich nicht so leicht geschlagen geben.