Gemischtes

Todesfälle nach Grippe-Impfung: Italien nimmt Wirkstoff vom Markt

Lesezeit: 2 min
04.12.2014 00:02
Die italienischen Behörden haben den Grippe-Impfstoff Fluad des Schweizer Herstellers Novartis vorsorglich vom Markt genommen. 13 Todesfälle stehen im Verdacht, mit einer vorhergegangenen Impfung zusammenzuhängen. Der Wirkstoff Fluad ist speziell für ältere Risikopatienten auch in Deutschland zugelassen. Die europäische Arzneimittelbehörde teilte mit, es gebe keine Belege für einen ursächlichen Zusammenhang.
Todesfälle nach Grippe-Impfung: Italien nimmt Wirkstoff vom Markt

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Update: Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat eine Mitteilung veröffentlicht, nach der „keine Belege“ dafür gefunden wurden, dass Fluad die Todesfälle verursacht habe.

Die italienischen Behörden hatten den Grippe-Impfstoff Fluad des Schweizer Herstellers Novartis vorsorglich vom Markt genommen. Mindestens 3 Todesfälle stehen im Verdacht, mit einer vorhergegangenen Impfung zusammenzuhängen, 13 Fälle wurden gemeldet. Der Wirkstoff Fluad ist speziell für ältere Risikopatienten auch in Deutschland zugelassen.

Nach Informationen des deutschen Bundesinstituts für Impfstoffe PEI gibt es in Deutschland zum Wirkstoff Fluad derzeit sieben Verdachtsfallmeldungen auf Nebenwirkungen, eine davon schwerwiegend, keine Verdachtsfallmeldung eines Todesfalls. Zu Begripal gebe es aktuell lediglich vier Meldungen über  nicht schwerwiegende Reaktionen.

Susanne Stöcker, Biologin und Pressesprecherin des Paul Ehrlich Institut für Impfstoffe, hält die Aufregung um Fluad für nicht nachvollziehbar. Sie sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Der Impfstoff Fluad ist seit dem Jahr 2000  in der gesamten EU zugelassen und etabliert. Die Zulassung gilt speziell für die  Risikogruppe ältere Menschen über 65. Fluad enthält einen Wirkverstärker, um das Immunsystem dieser Menschen zu unterstützen. Diese verstärken die erwünschten, aber möglicherweise auch die unerwünschte Reaktionen wie lokale Nebenwirkungen, Schmerzen an der Einstichstelle oder Fieber. Er ist aber insgesamt unauffällig, seit Jahren erprobt und funktioniert.“

Wie die italienische Zeitung Corriere della Sera berichtet, stehen in Italien inzwischen 13 Todesfälle in sieben Regionen im Verdacht, mit der Impfung in Zusammenhang zu stehen. Die italienische Arzneimittelbehörde Aifa hatte zwei Impfchargen aus Siena am Donnerstag vorläufig vom Markt genommen. Laut Stöcker werden alle Chargen von Fluad, also auch die für den deutschen Markt,  in Siena produziert. Der Impfstoff sei identisch zu dem im letzten Jahr, die Stammzusammensetzung wurde nicht verändert.

Der Schweizer Pharmariese Novartis teilte mit, dass in diesem Jahr weltweit mehr als sieben Millionen Dosen Fluad verteilt worden seien. Dabei sei keine ungewöhnliche Häufigkeit von Nebenwirkungen beobachtet worden.

Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen Fluad nach ersten negativen Test zwar vorläufig eingestellt, gleichzeitig jedoch Ermittlungen gegen einen weiteren Impfstoff von Novartis aufgenommen: Agrippal, in Deutschland unter dem Namen Begripal bekannt. Die Verdachtsfälle haben sich demnach auf weitere Chargen und Impfstoffe ausgeweitet.

Es handelt sich bei den Todesfällen um Senioren, die meist Herz-Kreislauferkrankungen hatten und mehrere Medikamente einnahmen. In acht Fällen seien die Patienten innerhalb von 24 Stunden nach der Impfung gestorben.

Das italienische Gesundheitsministerium und die Regionen liegen im Streit um die angemessenen Vorkehrungen. Die Gesundheitsministerin Lorenzin warnte, es sei unnötig jetzt Angst vor Impfungen zu haben. „Wir nehmen die Sache ernst, aber eine Panik könnte der Gesundheit der Bevölkerung schwer schaden“, so die Ministerin. Der Verbraucherverband Codacons hingegen kündigte an, bei der Staatsanwaltschaft Beschwerde gegen die Arzneimittelbehörde einzulegen, weil sie die Verbraucher zu spät informiert habe.

Die Frage, ob es ein Behandlungsfehler sei, wenn Ärzte schwer kranke Risikopatienten durch eine Impfung zusätzlich belasten, verneint die PEI-Sprecherin. „Insbesondere ältere Menschen mit schweren Grunderkrankungen sollten gegen die Virusgrippe geimpft werden, für sie gilt  explizit die Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut. Die Impfung kann diese Menschen aber nur davor bewahren, an der Grippe zu sterben. Es wird immer auch Menschen geben, die nach der Impfung sterben. Aber nicht wegen der Impfung, sondern weil sie ohnehin gestorben wären.“

Auch Stöcker sieht in den Todesfällen nach Impfungen keinen Zusammenhang. „Es kann durchaus sein, dass es einen zufälligen zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und dem Tod der geimpften Person gibt, wenn diese beispielsweise eine schwere Grunderkrankung hatte, an der sie verstirbt, kurz nachdem die Impfung erfolgt ist. Im aktuellen Fall haben die italienischen Behörden keine Belege für einen kausalen Zusammenhang gefunden .“

Für eine abschließende Bewertung wolle man aber auch bei der deutschen Impfbehörde die Untersuchung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA abwarten. Diese hatte nach den gemeldeten Todesfällen in Italien umfassende Tests angekündigt. Nach EMA-Angaben wurden für die aktuelle Impf-Kampagne in Italien 4 Millionen Dosen verteilt. Derselbe Wirkstoff aus der Fabrik in in Siena wurde demnach auch in Österreich und Spanien ausgegeben.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Europameisterschaft 2024 am Arbeitsplatz streamen: Wie weit geht Arbeitgeber-Toleranz?
05.05.2024

Die Spiele der Europameisterschaft 2024 finden zu Zeiten statt, die nicht ideal für Arbeitnehmer sind. Einige Spiele starten bereits um 15...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handwerksbetriebe in Not: Geschäftslage trübt sich ein
05.05.2024

Die aktuelle Lage im Handwerk bleibt düster, mit einer spürbaren Verschlechterung der Geschäftslage im ersten Quartal 2024 aufgrund...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Politik
Politik Angriff auf SPD-Europapolitiker: Matthias Ecke in Dresden schwer verletzt
04.05.2024

Schockierende Gewalt: SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke wurde brutal angegriffen. Politiker verurteilen den Angriff als Attacke auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...