Politik

Spekulation: Wird Draghi neuer Staatspräsident Italiens?

Gegen Ende des Jahres wird Italiens Staatspräsident höchstwahrscheinlich seinen Rücktritt ankündigen. Napolitano würde frühzeitig sein Amt niederlegen. Nach Romano Prodi und Guiliano Amato als mögliche Nachfolger kommt nun auch EZB-Chef Draghi ins Gespräch. Seine Unterstützung in der EZB nimmt ab und er soll langsam genug von den Grabenkämpfen mit der Bundesbank haben. Die Position als Staatspräsident könnte ihm den Weg in die Politik ebnen.
16.12.2014 00:11
Lesezeit: 3 min

Während Italiens Premier Renzi versucht, gegen die hohe Arbeitslosigkeit und die Verschuldung zu kämpfen, werden die Gerüchte um das höchste Amt im Lande immer konkreter. Seit Anfang Dezember ist Napolitanos Rücktritt Thema in Italien. Gegen Ende des Jahres werde er seinen Rücktritt ankündigen, heißt es. Napolitanos Presseberater halten zwar noch immer teilweise dagegen. „Spekulationen über einen Rücktritt vor dem Ende der italienischen EU-Ratspräsidentschaft seien absolut grundlos“, so das Büro des Präsidenten. Aber „am Ende dieses Semesters wird der Präsident seinen eigenen Überlegungen treffen, autonom.“ Das wiederum  wiederspricht nicht den Gerüchten, dass Napolitano Ende des Jahres über seine politische Zukunft entscheiden wird. Zwar würde seine Präsidentschaft eigentlich noch weitere fünf Jahre andauern, aber Napolitano ist bereits 89 Jahre alt. Hier kommt EZB-Chef Draghi ins Spiel.

Der potentielle Nachfolger für Napolitano ist auch für den italienischen Premier Renzi nicht ohne Bedeutung. Immerhin hat der Staatspräsident die Fähigkeit, das Parlament aufzulösen. Die Krise in Italien hatte Napolitano in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus gerückt, während die Beliebtheit der Premiers zurückging. Renzi und seine Partei favorisierten den ehemaligen Präsidenten der EU-Kommission, Romano Prodi. Dieser zeigte bisher aber kein Interesse. Berlusconi hingegen sprach sich in einem Interview Ende November für  Giuliano Amato aus. Er machte aber auch deutlich, dass EZB-Präsident Mario Draghi ebenfalls eine Alternative sei.

Anfang Dezember war Draghi auch Teil der „provokanten Prognosen“ des Chefsvolkswirts der Saxo Bank, Steen Jakobsen. Jakobsen sagte, Draghi werde 2015 die EZB verlassen. Nun berichtet die Fiscal Times, dass Mario Draghi die EZB im Januar verlassen und ein politisches Amt in Italien übernehmen werde. Die Quellen seien ein bekannter Investor und ein gestandener Journalist aus Rom, heißt es in der Fiscal Times. „Draghi will raus“,  so eine der Quellen. Er hätte die Nase voll und sei von Berlin gelähmt worden. Zuletzt war die Unterstützung im EZB-Rat für Draghi immer mehr gesunken, so der britische Telegraph.

„Die Frage ist nun, wie man Draghis Übergang zu dem Posten als Staatspräsident Italiens ebnet“, so eine der Quellen der Fiscal Times. Er werde die EZB nur verlassen, wenn sie das hinkriegen. Darüber hinaus gebe es mittlerweile viele Stimmen in Italien, die sagen, Italien bräuchte nun jemanden an der Spitze, der zeige, dass das Land wieder auf EU-Kurs sei. Und Draghi würde dies definitiv erfüllen. Der EZB-Chef selbst verneint es, Ambitionen auf den Posten zu haben. Die Quellen der Fiscal Times behaupten jedoch, dass diese Aussagen nicht glaubwürdig seien. Mitte November hielt Draghi eine Rede zur EZB-Politik an der Universität von Rom. Ein erster Testlauf für eine offizielle Kandidatur, so die Quellen. Darüber hinaus traf sich Mario Draghi aber auch im August mit dem italienischen Premier Renzi. „Ich sehe Draghi regelmäßig“, zitierte die italienische Nachrichtenagentur Ansa Renzi. Das Treffen sei kein Zeichen dafür gewesen, dass Italien unter spezieller Beobachtung der EU-Autoritäten stünde, sagte Renzi. „Ich versichere Ihnen, das ist es nicht“. Details über das Treffen wurden jedoch nicht bekannt.

Im Oktober stieg die Zahl der Arbeitslosen dem italienischen Statistikamt zufolge auf 3,410 Millionen. Damit kletterte die Arbeitslosenrate um 0,3 Prozent auf 13,2 Prozent. Besonders für die 15 bis 24-Jährigen ist es derzeit kaum möglich, einen Job zu finden. 43,3 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind arbeitslos, Die Situation wird sich aber aller Voraussicht nach in den kommenden Monaten nicht entschärfen. Vielmehr könnte die Arbeitslosigkeit noch stärker ansteigen. So seien im dritten Quartal 70 Prozent der neuen Jobs in Italien nur durch Zeitverträge ausgefüllt worden, berichtet die italienische Nachrichtenagentur Ansa mit Verweis auf das Arbeitsministerium. Das ist ein Zuwachs von 1,8 Prozent gegenüber der Zeit zwischen Juli und September. Die befristeten Verträge spiegeln die aktuelle Lage der italienischen Wirtschaft sehr gut wieder. Die Industrieproduktion ist im September um 0,9 Prozent gesunken, im Baugewerbe gab es gegenüber dem Vormonat einen Rückgang um 5,4 Prozent. Das wiederum ließ die Hauspreise fallen, wie der Monatsbericht der italienischen Statistikbehörde zeigt. Der Einzelhandel ging auf monatlicher Basis um 0,1 Prozent zurück und gegenüber dem Vorjahresmonat um 0,5 Prozent. Insgesamt wird in diesem Jahr mit einem Rückgang des BIP um 0,3 Prozent gerechnet.

Die schlechte wirtschaftliche Lage Italiens spiegelt sich auch in den Zahlen der Auswanderer wieder. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Italiener ihr Land verlassen. 2012 sollen es der OECD zufolge 100.000 gewesen sein, für 2013 wird ein weiterer Anstieg erwartet.  Zusätzlich dazu ging die Zahl der Einwanderer nach Italien deutlich zurück. Waren es 2007 noch 572.000 sind es 2012 nur mehr 258.000 gewesen. Ein Trend, der in der ganzen EU zu beobachten ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...