Update 2. September 2018: In der Fassung vom 15. März 2015 haben wir die Ausführungen des afrikanischen Friedensaktivisten Mawuna Remarque Koutonin zitiert, die die Grundlage dieses Artikels sind. Der Text von Koutonin war auf der Website Silicon Africa zu finden, die nur noch im WebArchive existiert. Koutonin schreibt unter anderem für den britischen Guardian.
In dem Artikel sprach der Autor von einem "Pakt zur Fortsetzung der Kolonialisierung", den Frankreich mit seinen Kolonien geschlossen haben soll. Ein solcher "Pakt" in Form eines einheitlichen schriftlichen Gesetzeswerks liegt offiziell allerdings nicht vor, weshalb wir den Hinweis auf diesen "Pakt" aus dem Text entfernt haben.
Allerdings gibt es weiterhin die an den Euro gekoppelte "Kolonialwährung" CFA, die immer noch für Unruhe in Afrika sorgt, wie etwa die BBC im Jahr 2017 berichtete. Le Monde stellt die Auswirkungen des CFA dar. Daran kann man erkennen, dass die Koppelung an den Euro einen gewaltigen Hebel für Frankreich darstellt. Paris nützt diesen auch zur Durchsetzung geopolitischer Interessen.
Allerdings haben die afrikanischen Staaten mit dem CFA im Gegenzug eine konvertierbare Währung erhalten, die nicht zwangsläufig zu ihrem Schaden sein muss. Wegen der traditionellen Kredit-Abhängigkeiten sind die Spielräume für die afrikanischen Staaten allerdings begrenzt. Die Koppelung an den Euro führt darüber hinaus dazu, dass die afrikanischen Staaten keine Chance haben, auf geldpolitische Entscheidungen bezüglich des CFA Einfluss zu nehmen. Diese liegt ausschließlich bei der EZB, der in ihrem Bereich keiner Verpflichtung zu Transparenz oder Offenlegung unterworfen ist.
In den 1950er- und 60er-Jahren entschieden die afrikanischen Kolonien Frankreichs, sich unabhängig zu machen. Zwar akzeptierte die Regierung in Paris die Unabhängigkeitserklärungen formal, stellte aber sicher, dass die Kolonien weiter eng mit Frankreich kooperieren. Unter anderem verpflichteten sich die Staaten, die französische Kolonialwährung CFA („Franc für die Kolonien Frankreichs in Afrika“) einzuführen, das französische Schul- und Militärsystem beizubehalten und Französisch als Amtssprache zu etablieren.
Auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen sind 14 afrikanische Staaten nach wie vor dazu verpflichtet, etwa 85 Prozent ihrer Währungsreserven in der französischen Zentralbank in Paris zu lagern. Dort unterstehen sie der direkten Kontrolle des französischen Finanzministeriums. Die betroffenen Länder haben keinen Zugang zu diesem Teil ihrer Reserven. Sollten ihre verbleibenden 15 Prozent Reserven nicht ausreichen, müssen sie sich die zusätzlichen Mittel vom französischen Finanzministerium zu marktüblichen Zinsen leihen. Seit 1961 kontrolliert Paris so die Währungsreserven von Benin, Burkina Faso, Guinea-Bissau, Elfenbeinküste, Mali, Niger, Senegal, Togo, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Kongo, Äquatorialguinea und Gabun.
Zudem müssen diese Länder jährlich ihre „kolonialen Schulden“ für die von Frankreich errichtete Infrastruktur an Paris überweisen, wie der Friedensaktivist Mawuna Remarque Koutonin auf seiner Website Silicon Africa ausführlich darlegt. So nimmt Frankreich rund 440 Milliarden Euro jedes Jahr ein. Die Regierung in Paris verfügt auch über ein Vorkaufsrecht auf alle neuentdeckten Rohstoffvorkommen in den afrikanischen Ländern. Und schließlich müssen französische Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen in den Ex-Kolonien bevorzugt behandelt werden. Als Folge dessen befinden sich dort die meisten Vermögenswerte in den Bereichen Versorgung, Finanzen, Transport, Energie und Landwirtschaft in den Händen französischer Konzerne.
Die Führungselite der jeweiligen Länder hat in der Regel kaum eine andere Wahl als die Forderungen zu erfüllen. Sollten sich die afrikanischen Politiker weigern, droht ihnen ein Attentat oder der Sturz der Regierung. In den letzten 50 Jahren fanden insgesamt 67 Coups in 26 afrikanischen Ländern statt. 16 dieser 26 Länder waren ehemalige Kolonien Frankreichs.
Ein Beispiel hierfür ist der erste Präsident des westafrikanischen Togo, Sylvanus Olympio. Er weigerte sich, nach den Vorgaben Frankreichs zu handeln. Doch Frankreich bestand darauf, dass Togo Entschädigung für die Infrastruktur zahlt, die die Franzosen während der Kolonialzeit errichtet hatten. Die Summe belief sich jährlich auf rund 40 Prozent des Haushaltes von Togo im Jahr 1963 und brachte das gerade erst unabhängige Land schnell an seine wirtschaftlichen Grenzen.
Darüber hinaus entschied der neue Präsident Togos, die Kolonialwährung CFA abzuschaffen und eine eigene Landeswährung zu drucken. Nur drei Tage nach dieser Entscheidung wurde die neue Regierung von einer Gruppe ehemaliger Fremdenlegionäre gestürzt und der Präsident getötet. Der Anführer der Legionäre, Gnassingbe Eyadema, erhielt umgerechnet 550 Euro von der lokalen französischen Botschaft für das Attentat, wie der britische Telegraph berichtete. Vier Jahre später wurde Eyadema mit Unterstützung aus Paris der neue Präsident von Togo. Er etablierte eine tyrannische Diktatur in dem westafrikanischen Land und hielt sich bis zu seinem Tod im Jahr 2005 an der Macht.
In den folgenden Jahren griff die Regierung in Paris immer wieder auf ehemalige Fremdenlegionäre zurück, um unliebsame Regierungen in den Ex-Kolonien zu stürzen. So wurde der erste Präsident der Zentralafrikanischen Republik, David Dacko, im Jahr 1966 durch ehemalige Mitglieder der Fremdenlegion gestürzt. Ebenso erging es dem Präsidenten Burkina Fasos, Maurice Yaméogo, und dem Präsidenten von Benin, Mathieu Kérékou. Und auch der erste Präsident der Republik Mali, Modiba Keita, fiel im Jahr 1968 einem Putsch von Ex-Legionären zum Opfer. Nur wenige Jahre zuvor hatte auch er beschlossen, die französische Kolonialwährung abzuschaffen.
Im Gegensatz dazu haben sich die anderen Kolonialmächte von solchen Maßnahmen verabschiedet. Großbritannien musste seine Lektion bereits im Zuge der Amerikanischen Revolution von 1763 lernen. Auslöser war die Entscheidung Großbritanniens, den amerikanischen Kolonien die Kosten für den gerade beendeten Franzosen- und Indianerkrieg aufzubürden. Der Protest dagegen mündete in der „Boston Tea Party“ und schließlich im Unabhängigkeitskrieg und der Gründung der Vereinigten Staaten 1776. Im Jahr 1778 verabschiedete das britische Parlament den „Taxation of Colonies Act“. Darin verzichtete Großbritannien künftig auf Steuern und Abgaben auf Umsätze in den Kolonien „British America“ und „British West Indies“.
Gleiches gilt für die ehemaligen Kolonien Australien und Kanada. Zwar gehören diese nach wie vor zum „Commonwealth of Nations“ und unterstehen damit formal dem britischen Königshaus. Die Steuerhohheit liegt spätestens seit der Unabhängigkeitserklärung der Länder Anfang des 20. Jahrhunderts ausschließlich bei den dortigen Regierungen.
Auch die ehemalige Kolonialmacht Niederlande erhebt keinerlei Steuern mehr auf seine ehemaligen Einflussgebiete in Südamerika und Südostasien. In Südostasien seien die Finanzen Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund verheerender Kriege so desaströs gewesen, dass die Niederlande ihre Kolonien regelmäßig finanziell stützen mussten. Das Königreich trennte sich von einem Großteil seiner Kolonien bereits Anfang des 19. Jahrhunderts. Zuletzt verließen die niederländischen Antillen im Oktober 2010 das Königreich. Lediglich die Karibikinseln Aruba, Curaçao und Sint Maarten sind nach wie vor Bestandteil des Königreichs der Niederlande.
Die politische Elite Frankreichs denkt dagegen nicht daran, die Relikte aus der Kolonialzeit zu beseitigen und die ehemaligen Kolonien in die vollständige Unabhängigkeit zu entlassen. Vielmehr scheint in Paris die Befürchtung vorzuherrschen, dass man ohne die Einnahmen aus Afrika in der wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit versinken könnte. Schon der ehemalige französische Präsident Jacques Chirac sagte im März 2008: „Ohne Afrika würde Frankreich in den Rang eines Drittweltlandes abrutschen.“