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Freiwillige vor: Neuer Bahnchef gesucht

Die Deutsche Bahn steckt in ihrer tiefsten Krise, doch der Verkehrsminister drängt auf schnellen Wechsel an der Spitze. Während geeignete Kandidaten gesucht werden, wächst die Kritik an seiner Vorgehensweise. Jetzt entscheidet sich, wer künftig den nervigsten Job der deutschen Wirtschaft übernimmt.
21.08.2025 18:02
Lesezeit: 3 min
Freiwillige vor: Neuer Bahnchef gesucht
Ersatzverkehr, hohe Preise, Unpünktlichkeit, marode Schienen, alte Züge, Personalmangel: Achja, die Deutsche Bahn. Der neue Bahn-Chef jedenfalls wird viel zu tun haben. (Foto: dpa) Foto: Manuel Genolet

Einer der schwierigsten Jobs: Bahn sucht neue Spitze

Die Suche nach einem neuen Bahnchef oder einer neuen -chefin läuft auf Hochtouren. Der Verkehrsminister ist zuversichtlich, bald jemanden präsentieren zu können. Doch die Kritik an seinem Vorgehen hält an.

Wer übernimmt die Führung?

Wer leitet künftig einen der am meisten kritisierten Konzerne des Landes? Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) zeigt sich zuversichtlich, bald jemanden für die Spitze der Deutschen Bahn präsentieren zu können. "Ich habe den Eindruck, es gibt ausreichend Interessenten dafür und unsere Aufgabe ist es, unter denen, die zur Verfügung stehen, die Beste, den Besten aus unserer Sicht auszuwählen", sagte der CDU-Politiker am Mittwochabend in Kröv in Rheinland-Pfalz am Rande einer Sommerreise vor Journalisten.

Vor rund einer Woche hatte der Minister für viele überraschend verkündet, dass der aktuelle Bahnchef, Richard Lutz, seinen Posten wird räumen müssen. Aus Sicht der neuen Regierung ist er nicht der Richtige, um die tiefgreifende Krise des bundeseigenen Konzerns zu meistern. Schon im Koalitionsvertrag hatten die drei Regierungsparteien deshalb eine Neuaufstellung des Bahnvorstands vereinbart.

Neue Strategie am 22. September

Schnieder will am 22. September eine neue Strategie für den kriselnden Konzern vorstellen. In diesem zeitlichen Rahmen solle auch das entsprechende Personal präsentiert werden, sagte Schnieder – "vielleicht ein bisschen früher, vielleicht ein bisschen später". Vor einer Woche hatte der Minister erklärt: "Idealerweise können wir mit der Strategie im September den oder auch die neue Vorstandsvorsitzende präsentieren."

Bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden ist, soll Lutz im Amt bleiben. Die Suche läuft seither auf Hochtouren. Der Aufsichtsrat der Bahn hat externe sogenannte Recruiter und Headhunter beauftragt, geeignete Kandidaten zu identifizieren.

Kandidaten und Absagen

Mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger wurden bereits einige genannt. Dazu gehört etwa die Bahn-Regionalverkehrsvorständin Evelyn Palla oder der bisherige Chef der Infrastruktur-Tochter DB InfraGo, Philipp Nagl.

Zudem soll es Medienberichten zufolge bereits Absagen gegeben haben – etwa vom früheren Chef des Schweizer Bundesamts für Verkehr, Peter Füglistaler, oder von Andreas Matthä, derzeit noch Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Ebenfalls kein Interesse an dem Job hat der kurzzeitige Finanzminister Jörg Kukies (SPD), der kürzlich erklärte, nicht zur Verfügung zu stehen.

Verwunderung in der Branche

In der Bahnbranche herrscht deshalb noch immer Verwunderung, warum Minister Schnieder Lutz Abgang bereits verkündet hat, obwohl noch kein Nachfolger feststeht. "Die Bahn befindet sich in einer dramatischen Lage und ein langes Führungsvakuum kann sich niemand leisten. Weder die Fahrgäste noch das Bahnpersonal und am Ende auch der Verkehrsminister selbst nicht", erklärte Martin Burkert, der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Der Minister müsse jetzt konsequent handeln und einen überzeugenden Personalvorschlag vorlegen.

"Der Zeitpunkt der Entscheidung setzt Bundesverkehrsminister Schnieder in jedem Fall unter zusätzlichen Druck, schnell einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu präsentieren", betonte auch Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene. "In der öffentlichen Debatte sollte es jetzt nicht darum gehen, einen potenziellen Namen nach dem anderen zu nennen und zu verbrennen."

Schnieder wiederum verteidigte die Entscheidung zu Lutz gegen Kritik, er habe noch keinen Nachfolger präsentieren können. "Man kann einen solchen Prozess der Personalsuche nicht unter der Decke halten. Und ich finde es unfair gegenüber noch im Amt befindlichen handelnden Personen, wenn sie so etwas aus der Presse, aus den Medien erfahren." Deshalb habe er das direkte Gespräch gesucht.

Bahnchef: Einer der schwierigsten Jobs

Bahnchef: Das ist einer der schwierigsten Jobs, die derzeit zu vergeben sind. Er oder sie steht im Fokus von Politik und Öffentlichkeit, sollte die Branche und das System Eisenbahn kennen und Führungserfahrung in einem großen Konzern mitbringen.

Schnieder sagte, der Bahnchef oder die Bahnchefin sei eine der herausforderndsten Aufgaben der deutschen Wirtschaft, was auch mit der besonderen Struktur zusammenhänge. Auf die Frage, welche Rolle das Gehalt spiele, erklärte er, das, was anderswo in Dax-Konzernen gezahlt werde, werde bei der Bahn nicht gezahlt. "Aber ich habe nicht den Eindruck, dass man als Vorstandsvorsitzender bei der Deutschen Bahn verarmt."

Nachfolger steht vor großen Hürden

Wer auch immer Lutz Nachfolge antritt, er oder sie wird es schwer haben. Die Bahn steckt in der tiefsten Krise ihres Bestehens. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr ist so schlecht wie noch nie seit der Bahnreform. Die Infrastruktur gilt als marode und völlig überlastet. Den Konzern belasten zudem seit Jahren Verluste und ein milliardenschwerer Schuldenberg – auch wenn dieser durch den Verkauf der Logistiktochter DB Schenker etwas kleiner geworden ist.

Mit neuem Personal sei daher nicht alles gelöst, machte Schnieder deutlich. Damit sei der Schalter nicht umgelegt. Der Minister verwies auf den Koalitionsvertrag und strukturelle Reformen bei der Bahn. Bis Ende des Jahres solle ein Großteil dessen, was man sich vorgenommen habe, zumindest in der Umsetzung sein. Die Bahn sei ein sehr komplexes Unternehmen. Davon können Fahrgäste derzeit ein Liedchen singen.

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