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Neuaufstellung bei der Deutschen Bahn: Bahnchef Richard Lutz tritt ab – wie es weitergeht

Bahnchef Richard Lutz tritt überraschend ab – doch was bedeutet das für die Deutsche Bahn? Zwischen ungelösten Problemen, politischem Druck und unklarer Strategie steht der Konzern vor entscheidenden Weichenstellungen. Wird der Führungswechsel zum Aufbruch oder bleibt alles beim Alten?
14.08.2025 22:28
Aktualisiert: 14.08.2025 22:28
Lesezeit: 3 min
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Neuaufstellung bei der Deutschen Bahn: Bahnchef Richard Lutz tritt ab – wie es weitergeht
Bahnchef Richard Lutz tritt ab, der Druck auf Patrick Schnieder, Verkehrsminister im Bund, wächst (Foto: dpa). Foto: Carsten Koall

Bahnchef Richard Lutz geht: Druck auf den Bundesverkehrsminister Schnieder wächst

Mit dem vorzeitigen Aus von Bahnchef Richard Lutz ist die Debatte um seine Nachfolge und die künftige Ausrichtung des Schienenkonzerns in vollem Gange. "Damit wächst der Druck auf den Verkehrsminister enorm", erklärte der Chef des Interessenverbands Allianz pro Schiene, Dirk Flege. "Er muss nun innerhalb weniger Wochen die längst überfällige Bahnstrategie der Regierung vorstellen und den dazu passenden Vorstandsvorsitzenden gleich mit."

Lutz wird die Deutsche Bahn nur noch solange führen, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden ist. Darauf haben sich Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), Lutz und der Vorsitzende des Bahn-Aufsichtsrats, Werner Gatzer, geeinigt. "Die Suche nach einem neuen Bahnchef, einer neuen Bahnchefin hat mit diesem Augenblick begonnen", sagte Schnieder auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Berlin.

Neue Strategie am 22. September

Am 22. September will der Bundesverkehrsminister eine neue Strategie für den bundeseigenen Konzern vorstellen. "Idealerweise können wir mit der Strategie im September den oder auch die neue Vorstandsvorsitzende präsentieren", so Schnieder. Die Pläne seien weitgehend fertig, lediglich Details seien noch offen. "Die Lage bei der Bahn ist dramatisch, allein wenn Sie auf die Kundenzufriedenheit, die Pünktlichkeitswerte oder die Wirtschaftlichkeit schauen", sagte er. Zuerst wollte er die strategische Richtung klären, dann die Personalfragen.

Kritiker des Bahnchefs Richard Lutz sehen nun die Chance auf einen Kurswechsel. Peter Westenberger, Geschäftsführer des Wettbewerberverbands Die Güterbahnen, erklärte: "Es ist dankenswert, dass er jetzt den Weg freimacht für eine neue Strategie und neue Köpfe."

Bahnchef Richard Lutz: Nachfolge noch offen

Spekulationen über mögliche Nachfolger halten an. Genannt werden unter anderem Evelyn Palla, Chefin der Regionalverkehrstochter DB Regio, der frühere Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) sowie Philipp Nagl, Chef der Infrastruktur-Tochter InfraGo. Ob ein neuer Bahnchef die tiefgreifenden Probleme lösen kann, bleibt fraglich.

Der Grünen-Politiker Matthias Gastel sieht im Wechsel keinen Fortschritt: "Dass DB-Chef Lutz gehen wird, macht nichts besser." Er forderte mehr Kontrolle durch den Bund und zusätzliche Mittel. Die bisherige Strategie könnte in einer neuen aufgehen – unklar ist jedoch, wie.

Kritik und ungelöste Probleme

Bahnchef Richard Lutz kann sich von Kritik nicht freisprechen – seit 2010 ist er Vorstandsmitglied, seit 2017 Konzernchef. Die Krise der Deutschen Bahn ist auch seine. Im Frühjahr sagte er: "Wäre ich Verursacher der Krise, ließe sie sich sehr einfach und schnell lösen." Mit seinem Abgang ist Verkehrsminister Schnieder einer Lösung keinen Schritt näher gekommen. Zudem habe er bisher keine klare Strategie erkennen lassen.

Unter Lutz startete die Bahn ein umfassendes Sanierungsprogramm. Ziel ist es, mehr als 40 stark befahrene Strecken bis Mitte der 2030er Jahre zu modernisieren. Doch vor allem die marode Infrastruktur sorgt weiterhin für gravierende Probleme. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr sank von 78,5 Prozent im Jahr 2017 auf 62,5 Prozent 2023. Auch wirtschaftlich steckt die Deutsche Bahn seit Jahren in den roten Zahlen.

Richtungsentscheidung steht an: Umbruch unter der neuen Bundesregierung

Die Trennung von Bahnchef Richard Lutz galt vielen als unausweichlich. "Mit ihm auf der Lok bewegte sich der Staatskonzern auf abschüssiger Strecke ins Nirgendwo", hieß es. Doch ein Wechsel an der Spitze allein reicht nicht. Die Politik müsse festlegen, ob die Deutsche Bahn als schlankes Verkehrsunternehmen wirtschaftlich arbeiten und Gewinne erzielen soll – oder ob sie als Vollversorger für Bürger und Wirtschaft einen großen Teil des Verkehrs übernehmen soll, um zur Klimaneutralität beizutragen. Ohne diese Entscheidung bleibt der Posten des Bahnchefs ein schwieriger Auftrag. Der 61-jährige Pfälzer ist seit 1994 im Unternehmen. Von 2010 bis 2017 war er Finanzvorstand, bevor er Vorstandsvorsitzender wurde. Sein Insiderwissen half ihm nun nicht mehr. Fahrgäste, die sich durch seinen Weggang kurzfristige Verbesserungen erhoffen, könnten enttäuscht werden: Selbst Kritiker befürworten grundsätzlich den langfristigen Sanierungskurs bei der Infrastruktur.

Im Koalitionsvertrag kündigte die neue Bundesregierung an, Aufsichtsrat und Vorstand der Deutschen Bahn neu aufzustellen – mit mehr Fachkompetenz und schlankeren Strukturen. Diese Neuaufstellung hat nun begonnen. Der Konzern müsse pünktlich, sicher und sauber sein, sagte Schnieder. Zudem müsse er schneller, schlanker, schlagkräftiger und wirtschaftlicher werden. Konkrete Schritte nannte er nicht. Der Ausgang der Suche nach einem neuen Bahnchef wird entscheidend dafür sein, ob die Deutsche Bahn ihre tiefgreifenden strukturellen Probleme angehen kann. Klar ist: Ohne eine klare politische Strategie bleibt jeder Personalwechsel nur ein Teil der Lösung.

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