Deutschland

Sonnenfinsternis: Stromanbieter geben Entwarnung wegen Blackout-Gefahr

Bei der befürchteten Blackout-Gefahr durch die Sonnenfinsternis am Freitag geben die Stromnetzbetreiber vorsichtige Entwarnung. Grund dafür sei das voraussichtlich schlechte Wetter. Starke Schwankungen durch große und abrupt wegfallende Strommengen könnten durch die Bewölkung abgemildert werden.
19.03.2015 13:15
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Stromnetzbetreiber geben vorsichtige Entwarnung bei der befürchteten Blackout-Gefahr durch die Sonnenfinsternis am Freitag. „Der Wetterbericht sieht für uns gut aus“, sagte der Leiter Systemführung beim westdeutschen Netzbetreiber Amprion, Joachim Vanzetta der Deutschen Presse-Agentur. Es werde wohl kein sehr sonniger Tag. „Wir rechnen für Deutschland derzeit mit einer maximalen Solarleistung von 17 000 bis 20 000 Megawatt.“ Szenarien gingen bisher von maximal 24 000 Megawatt Solarleistung aus.

Das Worst-Case-Szenario war ein bundesweit wolkenloser Himmel und viel Sonne. Die dadurch entstehenden großen Strommengen könnten durch das plötzliche Aussetzen der Spannung bei der Finsternis und vor allem durch die danach wieder einsetzende Überspannung die Stromnetze überlasten. Beim Wechsel von Tag und Nacht ist dies kein Problem, da hier weniger eine graduelle Verdunkelung erfolgt und auch der Verbrauch nachts abnimmt.

Amprion und die drei anderen Betreiber von großen Höchstspannungstrassen haben zudem die Mengen an Reservekraftwerksleistung, die sie im Notfall zur Stabilisierung des Netzes anfordern, erhöht. „Es können Kosten im einstelligen Millionen-Bereich entstehen, aber die genaue Rechnung kennen wir erst Freitagabend“, sagte Vanzetta.

Nach Einschätzung des Industrieverbandes BDI wird das Ereignis zu einer harten Probe für das deutsche Stromnetz. Es werde sich zeigen, ob Netze und Kraftwerke auch in Extremsituationen mit der Energiewende zurechtkämen, erklärte der BDI.

Wegen der Sonnenfinsternis wird in kurzer Zeit deutlich weniger Strom von Solaranlagen ins Netz gespeist. Experten gehen davon aus, dass die Leistung von 17.000 auf 8000 Megawatt sinkt. Die Netzbetreiber und Stromerzeuger müssen diese Lücke mit konventionellen Kraftwerken und Wasserstrom ausgleichen. Der BDI erklärte, selbst wenn der Test gut ausgehe, müssten die deutschen Stromnetze konsequent ausgebaut und modernisiert werden.

Wichtig sei demnach neben dem Wetter auch das Verbraucherverhalten. „Wir haben nur von der letzten vergleichbaren Sonnenfinsternis 1999 Vergleichswerte: Damals gab es weniger Verbrauch, weil alle sich die Finsternis anschauen wollten und draußen waren, viele Betriebe haben quasi Pause in den Stunden gemacht. Ob dies wieder so wird wissen wir natürlich nicht.“

1999 gab es in Deutschland allerdings auch kaum Solaranlagen. Heute gibt es bereits über eine Million davon, rund 39 000 Megawatt installierte Solarleistung, die aber anders als bei konventionellen Kraftwerken nicht komplett erreicht werden kann. An sehr sonnigen Tagen mit blauem Himmel in ganz Deutschland gibt es solare Leistungsspitzen von bis zu 30 000 Megawatt.

Am Anfang der Sonnenfinsternis rechnen die Netzbetreiber mit einem Rückgang der Solar-Einspeisung um bis zu 12 000 Megawatt. Nach Ende des kosmischen Schauspiels erwarten sie eine wieder dazukommende Einspeisung von bis zu 19 000 Megawatt.

Der Grund für den deutlichen Unterschied: Die Finsternis hört genau zur Mittagszeit auf, da dann die Sonne am höchsten steht steigert dies die Stromproduktion. Die maximalen 19 000 Megawatt entsprächen der Leistung von rund 14 großen Atomkraftwerken. Eine Herausforderung, wenn in kurzer Zeit so viel Strom in die Netze knallen sollte und konventionelle Kraftwerke im Gegenzug heruntergefahren werden müssen. Gerade in Süddeutschland sind große Industriezentren. Autobauer wie BMW und Daimler sind auf eine sichere, störungsfreie Versorgung angewiesen.

Diverse Risikostudien sind erstellt worden. Und die vier großen Netzbetreiber dürfen sich statt normalerweise 3500 Megawatt an sogenannter Regelenergie für Engpasssituationen für den Tag der Sonnenfinsternis mit deutlich mehr Regelenergie eindecken. Das ist die Reservekapazität, die dafür verpflichtete Kraftwerke sofort liefern müssen, um Netzschwankungen zu kompensieren. Bestimmte Kraftwerke könnten in Notsituationen richtig viel Geld verdienen.

Für die Bürger wären die Wolken jedoch ärgerlich. Millionen wollen das Schauspiel am Himmel beobachten - fast überall in Deutschland sind Schutzbrillen ausverkauft.

Die EU hatte bereits vor Monaten vor einem Blackout gewarnt. Neben Deutschland, könne es auch in Italien und Frankreich aufgrund des hohen Anteils an Solarstrom zu Problemen kommen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Technologie
Technologie Fahrerlose Taxis in Hessen: Chinesische Technik, deutscher Pilotbetrieb
01.06.2025

In Deutschland startet das erste Pilotprojekt für autonome Taxis: Ohne Fahrer, aber mit Überwachung aus der Ferne. Ein Modell mit...

DWN
Technologie
Technologie Goldrausch 2.0: Wie Google KI neu definiert – und Europa zuschaut
01.06.2025

Google I/O 2025 bietet einen tiefen Einblick in die nächste Ära der Künstlichen Intelligenz – von echten 3D-Videocalls bis hin zu...

DWN
Panorama
Panorama Nur noch fünf Minuten: Schlummertaste in Deutschland beliebt
01.06.2025

Mit der Schlummertaste kann man das Aufstehen verzögern. Ärzte raten davon ab, aber die Praxis ist gerade in Deutschland gängig....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...