Finanzen

Trotz Sanktionen: Russland meldet überraschendes Wirtschafts-Wachstum

Die russische Wirtschaft hat die Analysten überrascht und sich im vierten Quartal 2014 als erstaunlich robust erwiesen. Die größte Gefahr für 2015 ist ein anhaltend niedriger Ölpreis. Investoren sehen Chancen in Russland. Staatsanleihen gelten heute als sicherer als noch im Dezember.
02.04.2015 01:27
Lesezeit: 2 min

Das russische Statistikamt meldete am Mittwoch die Daten für 2014. Im vierten Quartal verzeichnete Russland ein Wachstum von 0,4 Prozent. Im dritten Quartal lag das Wachstum noch 0,9 bei Prozent. Im Gesamtjahr stieg das BIP um 0,6 Prozent. Der Nachrichtendienst Bloomberg ist überrascht - die 11 von Bloomberg in einer Umfrage befragten Ökonomen hatten erwartet, dass die Wirtschaft wegen der niedrigen Ölpreise und wegen der Sanktionen im vierten Quartal zum Stillstand kommen werde. Bloomberg sieht die Lage in Russland in einer Analyse als erstaunlich entspannt.

Denn die russische Wirtschaft erweist sich als erstaunlich widerstandsfähig: Der Rubel legte die beste Performance unter 24 Emerging Markets hin. Auch am Mittwoch zeigte sich der Rubel erholt. Die Kosten für Kreditausfallsversicherungen (CDS) für russische Staatsanleihen sind auf dem niedrigsten Stand seit Dezember. Die Investmentbank Goldman Sachs hält russische Bonds sogar für ein sinnvolles Investment.

In einer Analyse beschreibt der ehemalige Bloomberg-Chefredakteur Matthew Winkler, dass die internationalen Investoren weiter in russische Unternehmen investieren. Zahlreiche Unternehmen geben an, dass sie im Jahr 2014 höhere Umsätze als im Vorjahr verbucht hätten. Halter von russischen Staatsanleihen hätten laut dem Bloomberg Russia Local Sovereign Bond Index in diesem Jahr 7 Prozent gewonnen, während es für Staatsanleihen aus anderen Schwellenländern Verluste von 1,1 Prozent setzte. Der MSCI Emerging Market Index habe ergeben, dass die russischen Unternehmen profitabler seien als Unternehmen aus vergleichbaren Volkswirtschaften.

Winkler kommt zu dem Schluss, dass die Sanktionen in gewisser Weise das Gegenteil dessen bewirkt haben, was sie beabsichtigt hatten: Die Russen seien gezwungen, heimische Produkte zu kaufen, wovon die Unternehmen profitierten. Die russische Wirtschaft habe sich - trotz des Rubel-Absturzes - als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen.

Bleibt der Ölpreis allerdings auf dem niedrigen Niveau, könnte Russland in eine Rezession schlittern, sagte Vladimir Tikhomirov, Chefvolkswirt bei der Moskauer BCS Financial Group Bloomberg. Er erwartet, dass sich dieser Trend erst in drei bis sechs Monaten wieder umkehren wird.

Die Wirtschaft des weltweit größten Energie-Exporteurs war unter Druck geraten, weil der Ölpreis um fast 50 Prozent abstürzte. Der Rubel erlebte seinen größten Verfall seit ihrer schwersten Krise im Jahr 1998 und geriet an den Rand einer Rezession. Durch die westlichen Sanktionen wurden die russischen Banken vom internationalen Kapitalmarkt abgeschnitten und die Kapitalabflüsse dauern an. Die russische Regierung reagierte mit Einschnitten bei den öffentlichen Ausgaben und die Notenbank erhöhte den Leitzins.

Tikhomirov sieht die Ursache für das Wachstum im vierten Quartal in dem einmaligen und plötzlichen Konsumanstieg der Privathaushalte. So waren zahlreiche Russen dazu übergegangen, sich vermehrt Neu- und Gebrauchtwagen zu kaufen. Diese gelten als sichere Geldanlagen.

Die Weltbank malt die Zukunft Russlands dagegen in schwärzesten Farben, wie der Bericht des Instituts zeigt, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Darin wird für das aktuelle Jahr ein Rückgang des BIPs um 3,8 und für 2016 ein Minus von 0,3 Prozent prognostiziert. „Die hauptsächliche Herausforderung für Russland ist der anhaltende Mangel an Investitionen“, so Weltbank-Analystin Birgit Hansl.

Dieses Problem hängt allerdings vor allem mit dem Mangel an Diversifizierung in der russischen Wirtschaft zusammen. Das Land ist zu stark von seinen Energie-Exporten abhängig. Die US-Regierung versucht derzeit, den Russen diese Domäne streitig zu machen: Mit dem Fracking, für das die Bundesregierung am Mittwoch den Weg geebnet hatte, wollen die Amerikaner den Russen über das TTIP den europäischen Energiemarkt abjagen. 

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