Nach jahrelangen Streitigkeiten über das iranische Atomprogramm haben die Beteiligten einen signifikanten Fortschritt erzielt. Die UN-Vetomächte sowie Deutschland einigten sich mit der Islamischen Republik auf ein Rahmenabkommen in dem Konflikt, wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung im schweizerischen Lausanne mitteilten. Demnach soll das iranische Nuklearprogramm auf Jahre deutlichen Begrenzungen unterworfen werden. Im Gegenzug sollen Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden.
Die Einigung im Atomstreit mit dem Iran umfasst nach Angaben von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier folgende Kernpunkte:
- Der Iran verpflichtet sich, seine Urananreicherung bis zu 25 Jahre einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen zu unterwerfen.
- In den ersten 10 Jahren müssen mehr als zwei Drittel der bestehenden Kapazitäten zur Uran-Anreicherung stillgelegt werden. Über 95 Prozent des angereicherten Urans müssen verdünnt oder ausgeführt werden.
- In den Jahren danach sollen Anreicherung, Forschung und Entwicklung nur in engen Grenzen und unter strikter Kontrolle erlaubt sein.
- Alle nuklearen Aktivitäten des Iran werden bis zu 25 Jahre durch die Internationale Atomenergiebehörde kontrolliert.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nennt das vereinbarte Kontrollsystem «beispiellos in Intensität und Laufzeit».
Die internationale Gemeinschaft will jeden technologischen Weg zu einer iranischen Atombombe versperren. Der Regierung in Teheran erhofft sich durch Sanktionsaufhebungen einen ökonomischen Aufschwung.
Für Jubelstimmung sei es zwar noch zu früh. «Dennoch: Mit den vereinbarten Eckpunkten haben wir Hindernisse aus dem Weg geräumt, die einer Einigung ein Jahrzehnt lang im Weg standen.»
Mogherini wertete die Vereinbarung als «entscheidenden Schritt». Bis zum 30. Juni soll ein umfassendes Abkommen erreicht werden. Sarif sagte, es gebe jetzt noch keine Verpflichtungen.
Unterhändler und Außenminister der beteiligten Länder hatten seit vergangenen Donnerstag unter der offenbar geschickten Moderation Mogherinis im schweizerischen Lausanne um eine grundsätzliche Einigung in dem seit mehr als einem Jahrzehnt währenden Streit gerungen. Die Gespräche waren nach dem Auslaufen einer Frist in der Nacht auf Mittwoch verstrichen verlängert worden.
Die Einigung markiert nach 35 Jahren Eiszeit zwischen Washington und Teheran - 1979 waren beim Sturz des Schahs die US-Botschaft besetzt und 52 US-Diplomaten fast eineinhalb Jahre als Geiseln festgehalten worden - auch einen Neubeginn der Beziehungen. Er hoffe, dass durch die letztliche Umsetzung der Maßnahmen gegenseitiges Misstrauen abgebaut werden könne, sagte Sarif.
Steinmeier hofft bei einer endgültigen Einigung auf eine Signalwirkung auch für andere internationale Krisen. «Es wäre der erste und einzige Konflikt im Mittleren Osten, bei dem uns eine Entschärfung gelingt», erklärte er. «Vielleicht entstehen aus dieser Dynamik auch Aussichten einer Entschärfung anderer gefährlicher Krisen und Konflikte im Nahen und Mittleren Osten.»
US-Präsident Barack Obama lobte die Vereinbarung über das iranische Atomprogramm als historischen Schritt. «Dies ist ein guter Deal, ein Deal, der unsere entscheidenden Ziele einschließt», sagte Obama am Donnerstag kurz nach der im schweizerischen Lausanne erreichten Grundsatz-Einigung. Zugleich appellierte er an den Kongress in Washington, den nun folgenden Detailverhandlungen keine Steine in den Weg zu legen.n.
Obama machte klar, dass nach dem nun erreichten Rahmenabkommen noch viel zu tun sei. «Unsere Arbeit ist noch nicht getan. Der Deal ist noch nicht unterzeichnet», sagte er. Falls der Iran seine Verpflichtungen nicht erfüllen sollte, «wird es keinen Deal geben». «Dieser Deal beruht nicht auf Vertrauen», fügte Obama ausdrücklich hinzu. «Er ist bei weitem unsere beste Option.» Es werde eine äußerst harte Überwachung geben. Falls der Iran betrügen sollte, werde dies an den Tag kommen.
Obama verwies auch darauf, dass die israelische Regierung die Entwicklung mit großer Skepsis verfolge. Er werde daher noch am Donnerstag mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sprechen. Die Alternative seien aber ein Abbruch der Verhandlungen und militärische Angriffe auf iranische Atomanlagen gewesen, was einen neuen Krieg in Nahost bedeutet hätte. Jedes Abkommen müsse auch «iranischen Terrorismus und seine Aggressionen stoppen», forderte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf Twitter.
Israel sieht die Einigung über das iranische Atomprogramm als «schlechte Rahmenvereinbarung, die zu einem schlechten und gefährlichen Abkommen führen wird». Sollte auf der Basis dieser Richtlinien ein endgültiges Abkommen vereinbart werden, wäre dies ein «historischer Fehler, der die Welt sehr viel gefährlicher machen wird», hieß es am Donnerstagabend aus Regierungskreisen in Jerusalem.
Die Vereinbarung legitimiere das iranische Atomprogramm, obwohl dieses einzig und allein darauf abziele, Atombomben zu bauen. Keine der iranischen Atomanlagen werde geschlossen, lautete die Kritik. «Dieser Deal verspricht dem Iran eine vollständige Aufhebung der Sanktionen, während er seine nuklearen Fähigkeiten behalten kann.»
Es werde im Rahmen der Vereinbarung nicht von Teheran gefordert, «die Aggression in der Region, den weltweiten Terror und die Drohungen mit einer Zerstörung Israels zu stoppen». Das Rahmenabkommen sei eine «Kapitulation vor den iranischen Diktaten» und werde «nicht zu einem friedlichen, sondern zu einem kriegerischen Atomprogramm» führen.
Die Alternative zu dem «schlechten Deal» sei nicht Krieg, sondern eine andere Vereinbarung. Diese müsse die atomare Infrastruktur des Irans und dessen «Aggressionen sowie regionalen und weltweiten Terror erheblich einschränken».
Das größte Problem für Obama ist nun die Zustimmung im Kongress. «Dies ist nicht einfach ein Deal zwischen mir und der iranischen Regierung.» Es gehe hier um Krieg und Frieden. Obama bezog sich damit auf Republikaner, aber auch auf Demokraten, die einem Abkommen sehr skeptisch gegenüberstehen. So meinten der republikanische Senator John McCain und sein Parteikollege Lindsey Graham: «Jegliche Hoffnung, dass ein Atom-Deal den Iran zur Aufgabe seines jahrzehntealten Strebens nach regionaler Herrschaft durch Gewalt und Terror führen wird, ist einfach wahnhaft.»
Die diplomatische Offensive war durch den reformorientierten iranischen Präsidenten Hassan Ruhani möglich geworden. Der hatte den rund 78 Millionen Persern einen wirtschaftlichen Aufschwung versprochen. Die Sanktionen wie das Öl-Embargo der EU hatten zu einer enormen Inflation und zu Engpässen bei den Waren geführt.