Politik

Blamage für Merkel: US-Regierung führt Kanzlerin mit peinlichen Emails vor

Lesezeit: 3 min
10.05.2015 01:15
Die öffentliche Demontage von Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt Fahrt auf. Nun wurden E-Mails bekannt, die zeigen, wie die Amerikaner die Kanzlerin knallhart auflaufen ließen. Die Dokumente werfen ein bemerkenswertes Licht auf die offenbar ziemlich hilflose deutsche Außenpolitik. Die Deutschen wurden von der US-Regierung behandelt wie kleine Schuljungen – und reagierten nicht zornig, sondern mit überraschender Unterwürfigkeit.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Bundeskanzlerin Angela Merkel gerät in der Spionageaffäre weiter unter Druck. Am Wochenende veröffentlichten Medien E-Mails, aus denen man schließen kann, dass die Amerikaner Merkel in der Spionageaffäre weder decken wollen noch die Kanzlerin scheinbar überhaupt ernst nehmen. Die E-Mails wurden von der Süddeutschen, dem NDR und dem WDR bekannt gemacht. Die Bild-Zeitung, in früheren Jahren eine treue Verbündete der Bundeskanzlerin, bereitete die Dokumente genüsslich auf und stellt die Bundeskanzlerin und ihren wichtigsten außenpolitischen Berater, Christoph Heusgen, als unfähig dar, sich in Washington durchzusetzen. Die Kombination aus öffentlich-rechtlichen Sendern und Bild-Zeitung, die beide gemeinsam gegen die Bundeskanzler vorgehen, dürfte Merkel einigermaßen alarmieren.

Tatsächlich sind die Dinge, die durch den E-Mail Verkehr zutage gefördert wurden, alles andere als rühmlich für die Kanzlerin. Sie zeigen, dass die Bundesregierung in Washington nicht ernst genommen wird und wecken den Verdacht, dass Merkel in der Öffentlichkeit Dinge versprochen hat, deren Einhaltung sie in keiner Weise sicherstellen konnte.

Dazu gehörte in erster Linie die Verabschiedung eines No-Spy-Abkommens, also die Zusage, dass befreundete Staaten einander nicht ausspionieren werden. Ein solches Abkommen existiert zwischen den wichtigsten englischsprachigen Geheimdiensten, Deutschland ist hier ausdrücklich außen vor. Nach dem ersten NSA-Skandal hatte Angela Merkel versprochen, dass es ein solches Abkommen geben werde. Mehr noch: Am 12. August 2013 sagte Merkels damaliger Kanzleramtsminister Ronald Pofalla: „Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten.“

Doch der nun aufgetauchte E-Mail-Wechsel zeigt, dass die Amerikaner niemals auch nur daran gedacht haben, die Spionage gegenüber Deutschland aufzugeben. So versuchte Merkel-Mann Christoph Heusgen mehrfach, von den Amerikanern die Zusicherung zu erlangen, dass Deutschland auch für die US Geheimdienste deutsches Recht gelte. Doch seine Ansprechpartnerin, Karen Donfried, eine Europa-Beraterin von Barack Obama, ließ Heusgen abblitzen. Sie behauptete auf die Anfrage, ob die Amerikaner gedenken, sich in Deutschland an deutsches Recht zu halten, dass die US Experten nicht ausreichend gerüstet sein, um die Einhaltung von deutschem Recht zu beurteilen.

Das Kanzleramt bot den Amerikanern Hilfe an und wollte Experten aus den deutschen Ministerien schicken, die den Amerikanern die deutsche Gesetzgebung erklären sollten. Die Amerikaner rührten sich nicht von der Stelle. Einziger Vorschlag, den Berlin zu hören bekam, war die Möglichkeit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe. Aus dieser vagen Ankündigung der Verschleppung machte Profalla die Behauptung, die Amerikaner hätten ein Abkommen angeboten. Die Süddeutsche analysiert, dass die Bundesregierung diese Manipulation ganz bewusst vorgenommen habe, um im anstehenden Bundestagswahlkampf nicht unter Beschuss zu geraten.

Daraufhin bürsteten die Amerikaner die Abgesandten von Merkel regelrecht ab und teilten mit, dass es kein No-Spy-Abkommen geben werde. Danfried wurde sogar ungehalten und sagte den Merkel-Leuten, dass man dies schon oft genug betont habe.

Christoph Heusgen erklärt den Kampf laut Süddeutsche daraufhin für beendet und schreibt geradezu unterwürfig: „Ich verspreche, diesen Ausdruck künftig nicht mehr zu verwenden. Wir haben realisiert, dass wir dieses Ziel nicht erreichen werden.“

Diese Haltung wird ein denkbar schlechtes Licht auf die Politik Angela Merkels im Verhältnis zu den USA. Die Kanzlerin gilt seit jeher als eine besonders treue Verbündete Washingtons, hat es aber bisher geschafft, diese Nähe zu keinem öffentlichen Thema werden zu lassen. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass Merkel die Tatsache ihrer großen Nähe zu US-Interessen innenpolitisch zum Verhängnis werden könnte.

Bereits seit einiger Zeit verliert die Kanzlerin deshalb deutlich an Zustimmung bei den Wählern. Auch innerhalb der EU die bisher unumstrittene CDU-Politikerin in die Kritik geraten, weil bekannt geworden ist, dass der BND im Auftrag der NSA die EU-Kommission und Frankreich ausspioniert hatte. Die Opposition und der eigene Koalitionspartner SPD toben. Merkel will nicht, dass das Parlament eine umfassende Aufklärung erhält. Stattdessen hat sie angekündigt, die Amerikaner um Erlaubnis fragen zu wollen, welche Dokumente den gewählten deutschen Mandataren vorgelegt werden.

Vor dem Hintergrund des nun bekannt gewordenen E-Mail-Verkehrs braucht man nicht besonders viel Fantasie, um sich vorzustellen dass die Amerikaner dieses Ansinnen äußerst restriktiv behandelt werden. Es ist sogar eher zu erwarten, dass sich die US-Regierung mit dem Ansuchen von Merkel überhaupt nicht beschäftigen wird. Dies dürfte in der Öffentlichkeit in den kommenden Wochen die Frage aufwerfen, welche Politik Angela Merkel eigentlich vertritt. Schon jetzt zweifeln nicht wenige in der Opposition und beim Koalitionspartner, dass Angela Merkel selbst durch die Affäre Schaden nehmen könnte. Dies ist überraschend, weil sie bisher alle Umfragen unangefochten gewonnen hatte.

Es ist erstaunlich, weil die Frage, ob die deutsche Bundeskanzlerin dem deutschen Volk oder dem amerikanischen Präsidenten verpflichtet ist, eigentlich nicht besonders schwer zu beantworten sein sollte.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...