Politik

Mittelmeer: Flüchtlinge weichen in die Türkei aus

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex meldet, dass sich die Flüchtlingsströme vom zentralen Mittelmeer in Libyen in das östliche Mittelmeer in Griechenland und der Türkei verlagern. Doch die Regierung in Ankara hat sich offenbar darauf eingestellt, dass die meisten Syrer die Türkei nicht mehr verlassen werden. Deshalb erhalten die Flüchtlinge Sprachkurse, Aufenthalts- und Niederlassungsgenehmigungen und dürfen von allen öffentlichen Gütern profitieren.
18.05.2015 03:02
Lesezeit: 2 min

Der Chef der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Frontex), Fabrice Leggeri, sagt, dass es eine Verlagerung der Flüchtlingsströme vom zentralen Mittelmeer zum östlichen Mittelmeer gibt. Die Anzahl der Flüchtlinge, die über die Türkei und Griechenland nach Mitteleuropa gelangen wollen steige an. „Sie bewegen sich sehr schnell, also müssen wir flexibel sein (…) Wir sind besorgt wegen der Situation in Griechenland und deshalb werden wir unser Vorgehen dort und unsere Hilfe an die griechischen Behörden erweitern“, zitiert AP Leggeri.

Das türkische Nachrichtenportal A24 berichtet, dass die EU und die Türkei beschlossen hätten, gemeinsam zu kooperieren, um die Flüchtlingsströme über die Türkei in die EU einzudämmen.

Eine Frontex-Sprecherin sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass es nicht zwangsläufig um Flüchtlinge gehen würde. Denn beispielsweise hätten Syrer aufgrund des Bürgerkriegs das Recht, Asylanträge in EU-Staaten zu stellen. Dramatischer seien die reinen Migrationsströme nach Europa. Damit beschäftige sich Frontex ebenfalls. Migranten seien im Regelfall keine Flüchtlinge, wobei dies nicht ausschließe, dass sich unter Migranten auch Flüchtlinge befinden.

Über das zentrale Mittelmeer gelangen hauptsächlich Menschen aus Eritrea, Äthiopien und Nigeria nach Europa. Über die Türkei – also über die Route des östlichen Mittelmeers – würden vor allem Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak kommen. Zwischen Januar und April 2015 hätten die Route über Libyen etwa 26.000 und über die Türkei etwa 27.000 Migranten und Flüchtlinge genutzt.

Nach Angaben der Flüchtlingsorganisation UNHCR befinden sich in der Türkei offiziell über 1,6 Millionen Flüchtlinge. Die größte Gruppe der Flüchtlinge stammt mit 1,5 Millionen Personen aus Syrien. Die restlichen Flüchtlinge stammen vor allem aus dem Irak und aus Afghanistan. Der UNHCR schätzt, dass sich die Gesamtanzahl der Flüchtlinge in der Türkei im Verlauf des aktuellen Jahres auf 1,9 Millionen Personen erhöhen wird. Doch nach Aussagen der Chefin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), Helen Clark, könnte sich diese Anzahl auf 2,5 Millionen Personen erhöhen.

Die türkische Regierung hat bisher entlang der türkisch-syrischen Grenze 22 Flüchtlingslager eingerichtet, wo sich aktuell 217.000 Flüchtlinge befinden. Die restlichen Personen wurden über die Türkei verteilt. Clark sagte der Zeitung Hürriyet, dass die Flüchtlingslager in der Türkei einen sehr hohen Standard hätten. „Die Flüchtlingslager in der Stadt Gaziantep gelten als die besten Flüchtlingslager der Welt“, so Clark. Es gebe Schulen, Geschäfte und sanitäre Einrichtungen. Die Flüchtlinge hätten sogar die Möglichkeit, ihre Einkäufe mit Kreditkarten zu bezahlen. Die Regierung in Ankara finanziere die Flüchtlingslager weitgehend aus dem Haushaltsbudget. Direkt zuständig ist die türkische Behörde für Katastrophenmanagement (AFAD). Die Flüchtlinge erhalten im Regelfall türkische Ausweise und dürfen sich in der Türkei niederlassen und berufstätig werden. Ausgenommen von dieser Regel sind Personen, denen eine kriminelle Vergangenheit nachgewiesen kann und die ohne gültige Papiere in die Türkei geflüchtet sind, berichtet das UNHCR.

Die syrischen Flüchtlinge müssen in den meisten Lagern nach Ankunft in der Türkei an Sprachkursen teilnehmen, um die Landessprache zu erlernen. Dadurch soll die Integration in die Gesellschaft möglichst zügig erfolgen. Die Sprachkurse erfolgen über örtliche Vereine und Organisationen, die staatlich bezuschusst werden. Weiterhin sollen an acht türkischen Hochschulen auch arabischsprachige Lesungen angeboten werden, die speziell auf geflüchtete Akademiker zugeschnitten sind, berichtet die Zeitung Milliyet.

Allerdings gibt es zwischen den Flüchtlingen ein Gefälle zwischen Arm und Reich. Während die reichen Syrer Firmen gründen, sich Häuser kaufen und Investitionen in der Türkei durchführen, arbeiten die Ärmeren auf Plantagen oder im Dumpinglohn-Sektor.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftskriminalität: Insider-Betrug kostet Millionen - Geschäftsführer haften privat
05.07.2025

Jede zweite Tat geschieht im eigenen Büro - jeder fünfte Schaden sprengt die fünf Millionen Euro Marke. Wer die Kontrollen schleifen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft kippt den Bluescreen, doch das wahre Problem bleibt
05.07.2025

Microsoft schafft den berühmten „Blauen Bildschirm“ ab – doch Experten warnen: Kosmetische Änderungen lösen keine...

DWN
Panorama
Panorama So bleiben Medikamente bei Sommerhitze wirksam
05.07.2025

Im Sommer leiden nicht nur wir unter der Hitze – auch Medikamente reagieren empfindlich auf hohe Temperaturen. Doch wie schützt man...