Russland hat im April seine Zielvorgaben für die Reduzierung der CO2-Emissionen präsentiert. Als Basis für die im Dezember in Paris anstehenden Klima-Verhandlungen nennt Moskau das Jahr 1990. Auch andere ehemalige Ostblockstaaten, wie etwa Polen, drängen darauf, als Bezugspunkt für die Einsparungen das Ende des Ostblocks heranzuziehen. Der Grund: In diesen Jahren lagen die Ausstoßmengen infolge ineffizienter Anlagen weit über den Abgasmengen der Folgejahre. Da nach 1990 ein in großem Stil alte, ineffiziente Anlagen abgeschaltet wurden, hätten die ehemaligen Ostblockstaaten schon automatisch große Erfolge, die sie einrechnen könnten. Polen, Ungarn sowie weitere Länder könnten sich in Paris, auf die Seite Russlands schlagen. Das würde eine gemeinsame EU-Position torpedieren.
Die Verhandlungen in Paris dürften daher trotz des Dezemberwetters heiß werden. Um die globale Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu beschränken, soll ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll von 1997 verabschiedet werden, das die CO2-Emissionen ab 2020 nachhaltig reduziert und das die Energiegewinnung aus Kohle und Öl bis 2050 verbietet. Die EU hat sich laut der UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) Anfang März dazu verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, so UNFCCC. Im Vorfeld hatte es Debatten um die genauen Details, etwa auch das Bezugsjahr, gegeben.
Auch Russland hat Anfang April seine Vorschläge für das gemeinsame Papier in die französische Hauptstadt geschickt. Christiana Figueres, Vertreterin der UNFCCC, nannte dies in einer Pressemitteilung einen wichtigen Schritt, den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu reduzieren. Mit dem russischen Papier haben insgesamt 35 industrialisierte Länder, darunter u.a. die EU-Mitgliedsstaaten und die USA, ihre Zielvorgaben für ein Klimaschutzabkommen dargelegt. Die Selbstverpflichtungen decken 80% der weltweiten Ausstoßmenge ab.
Russland schlägt vor, bis 2030 zwischen 25 und 30 Prozent seiner Emissionen herunterzufahren. Der entscheidende Unterschied: Als Ausgangsbasis wird das Jahr 1990 herangezogen, in dem Russland mit ineffizienten Anlagen noch weit höhere Ausstoßmengen hatte als in den Jahren danach, in denen diese Anlagen Stück für Stück erneuert wurden. Russland beharrt darauf, es könne seine Klimaziele nur dann sicher erreichen, wenn als Basis für die Reduktion der Industrieabgase die Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion zugrunde gelegt werde.
Der russische Vorstoß sorgt für Diskussionen: Deutschland drängt immer wieder auf strenge Klimaschutzvorgaben. Im Kyoto-Protokoll war es osteuropäischen Ländern wie Ungarn, Polen, Rumänien und Slowenien aber erlaubt worden, als Berechnungsgrundlage die Jahre 1986 bis 1990 anzusetzen. Von dieser Regelung profitierte auch das vereinte Deutschland. Allerdings gibt es in der EU, vor allem seitens der Grünen, Forderungen, das Basisjahr der Ausstoßmenge auf 2005 anzuheben. Mehrere ehemals kommunistische Länder Osteuropas, allen voran Polen, opponieren gegen eine Anhebung. „Damit würden all ihre bereits erzielten Erfolge bei der CO2-Reduzierung geschmälert“, stellt auch David Buchan vom Oxford Institute for Energy Studies in einer Studie klar.
Artur Gradziuk vom Polish Institute of International Affairs sagte, Polen habe Bedenken, dass die EU als Trendsetter in der Klimapolitik vorprescht, und dass unausgewogene Zusagen in einem globalen Klimaabkommen die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Staaten untergraben könnten, so die Global Energy Initiative. Polen produziert rund 90 Prozent seines Stroms aus fossilen Energien und setzt auf Kohlekraftwerke. Strenge Ausstoßbeschränkungen führen daher über den europäischen Emissionshandel (EU Emissions Trading System; ETS) in Polen zu einem immensen Anstieg der Energiepreise, so die Befürchtungen Warschaus. Der Moskauer Vorstoß hat das Potenzial, eine einheitliche EU-Klima-Position zu torpedieren.