Politik

Beschämend: Gewaltige Summen für Polit-Gipfel, aber kein Geld für Flüchtlinge

Lesezeit: 2 min
26.05.2015 17:51
Der G7-Gipfel im bayrischen Schloss Elmau kostet den deutschen Steuerzahler 360 Millionen Euro. Zum Vergleich: Ein Monat Flüchtlingseinsatz im Mittelmeer kostet 90 Millionen Euro. Wäre es nicht ein Zeichen der europäischen Werte, das Geld nicht für den feudalen Landausflugs der Politiker auszugeben - sondern es für die Flüchtlinge zu spenden, die zur selben Zeit im Mittelmeer ums nackte Überleben kämpfen?

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Der G7-Gipfel am 7./8. Juni auf Schloss Elmau in Oberbayern kostet die deutschen Steuerzahler offiziell 130 Millionen Euro. 40 Millionen Euro übernehme der Bund, teilte Bayerns Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) kürzlich im Haushaltsausschuss des Landtages mit. Diese «Demokratiekosten» seien nötig, um Gipfelteilnehmer zu schützen und friedliche Demonstrationen zu ermöglichen. Auch die Gemeinden vor Ort profitierten vom Gipfel, etwa von sanierten Straßen. Den Zuschuss, den das Land an Schlossherr Dietmar Müller-Elmau für die Renovierung des Hotels bezahlt, bezifferte Huber auf drei Millionen Euro.

Nach Einschätzung des Steuerzahlerbundes wird der Gipfel deutlich teurer werden als offiziell veranschlagt. «Nach unseren Berechnungen, die wir jetzt über einen längeren Zeitraum hin durchgeführt haben, sind das etwa 360 Millionen Euro», sagte der Präsident des Bundes der Steuerzahler in Bayern, Rolf von Hohenhau, dem ARD-Magazin «Fakt». «Das ist natürlich viel mehr, als uns offiziell mitgeteilt wurde.»

Zu dem Treffen werden die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) erwartet. «Krawalle wie in Frankfurt wollen wir in Bayern nicht erleben», sagte Huber mit Blick auf die gewaltsamen Proteste bei der Eröffnung des neuen Gebäudes der Europäischen Zentralbank im März in Frankfurt/Main. Die Polizei sei für ihren Einsatz in Elmau gut gerüstet. Von dort solle die Botschaft eines friedlichen Gipfels ausgesandt werden. Sollten Anwohnern dennoch Schäden entstehen, werde niemand auf seinen Kosten sitzen bleiben, versprach Huber.

Um den Frieden zu verkünden, werden die Bayern den "größten Polizeieinsatz in der Geschichte Bayerns" aufziehen, sagte Innenminister Joachim Hermann neulich.

Es wird zu umfangreichen Straßensperrungen und Grenzkontrollen kommen. Auch der österreichische Steuerzahler muss sich auf etwa 6 Millionen Euro einstellen, weil die Österreicher für die Bayern die "Südflanke" absichern müssen, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann vor einigen Tagen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter ziemlich militärisch sagte.

Österreich muss vermutlich noch einmal zahlen, weil wenige Tage nach dem G7 die Bilderberger nach Tirol pilgern. Auch hier wird umfangreich gesichert und abgesperrt, auch hier werden temporäre Grenzkontrollen erwogen, wie die Wiener Zeitung Die Presse berichtet. Zu den Bilderbergern sollen demnach etwa 3.000 Demonstranten erwartet werden, die meisten friedlich.

Hermann sagt, von den meisten Demonstranten gehe "keine Gefahr" aus. Doch man stelle eine Mobilisierung der Linksextremen seit Frankfurt fest, sagte Hermann, ohne näher Hinweise vorzulegen. Noch sei nichts davon bekannt, dass Islamisten unter den Demonstranten seien, doch die Polizei baut schon einmal vor: "Keine konkreten Drohungen" gebe es seitens des islamischen Terrors, aber: "Mit dieser Gefahr müssen sie an jedem Ort der Welt rechnen."

Eine offenbar reale Bedrohung sind für Österreich jedoch offenbar die Flüchtlinge: Der Tiroler Landeshauptmann fürchtet, dass wegen der G7-Grenzkontrollen mehr Flüchtlinge als üblich in Tirol festsitzen werden. Zwar habe man im Raum Kufstein und in Innsbruck Notquartiere geschaffen, doch dürfe das nicht reichen, sagte Platter.

Wir haben also die beschämende Situation: Die Mächtigen der Welt gönnen sich auf Steuerzahler-Kosten ein Wochenende in einem bayrischen Schloss, das auf Steuerzahler-Kosten zu diesem Zweck renoviert wurde. Und zur selben Zeit müssen Flüchtlinge versuchen, das Gebiet weiträumig zu umwandern.

Wieviel an humanistischem Grundwissen ist eigentlich notwendig, um zu erkennen, dass in dieser Gesellschaft etwas fundamental aus dem Ruder läuft?

Warum man diese Spektakel in Zeiten abhält, wo in unmittelbarer Nähe im Mittelmeer hunderte Flüchtlinge ertrinken und die EU angeblich kein Geld hat, um den Menschen zu helfen, ist unerklärlich. Die massive Steuerverschwendung für ein Wochenende des politischen Small-Talks ist nicht zu rechtfertigen vor der brutalen Tatsache, dass an den Küsten Europas Menschen ertrinken, die nach Europa kommen. Sie glauben, dass sie hier etwas anderes vorfinden als eine zynische Feudalherrschaft.

Diese Gesellschaft hat drei Millionen Euro aus Steuergeldern für eine Schloss-Renovierung, zeigt sich aber jämmerlich überfordert, realen Menschen Brot, Wasser oder gar Gastfreundschaft zuteil werden zu lassen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Finanzen
Finanzen Boom-Segment aktive ETFs: BlackRock startet fünf neue Fonds
07.09.2024

Blackrocks ETF-Tochter iShares erweitert ihr Angebot in Europa um fünf neue aktive ETFs. Ziel der Fonds ist es, Anlegern kostengünstige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Flexible Arbeitszeiten: Sind Vollzeitjobs ein Auslaufmodell?
07.09.2024

Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur noch eine Minderheit eine Stelle mit festen Arbeitszeiten...

DWN
Finanzen
Finanzen Derivate Erklärung: So funktionieren Zertifikate, CFDs und Optionsscheine
07.09.2024

Derivate wie Futures, Optionen, Zertifikate, Optionsscheine, Swaps und CFDs sind heftig umstritten. Einige sehen darin notwendige...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoffprojekt in Namibia könnte KZ-Gedenkstätte gefährden
07.09.2024

Deutschland unterstützt ein Großprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Lüderitz. An diesem Ort befand sich einst das erste...

DWN
Immobilien
Immobilien Tag des offenen Denkmals: 7 ungewöhnliche Monumente in Deutschland
07.09.2024

Ob Schloss Neuschwanstein oder Siegessäule: Viele Denkmäler in Deutschland sind international bekannt. Hier werfen wir einen Blick auf...

DWN
Technologie
Technologie Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab
07.09.2024

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine...

DWN
Politik
Politik Trump-Erfolg im Schweigegeld-Prozess: Urteil erst nach US-Wahl
07.09.2024

Im New Yorker Prozess wegen Schweigegeldzahlungen von Ex-Präsident Donald Trump wird das Strafmaß erst nach der Präsidentschaftswahl...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Ungesunde Ernährung bereits bei Kleinkindern weit verbreitet
07.09.2024

Laut einer aktuellen Studie ernähren sich bereits Kleinkinder zu süß und ungesund. Wie das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, ein...