Politik

Fußball ist Geopolitik: An Sepp Blatter beißen sich alle die Zähne aus

Lesezeit: 2 min
30.05.2015 00:19
Die großen US-Zeitungen, die sich eigentlich kaum mit Fußball beschäftigen, haben mit Sepp Blatter einen neuen Lieblingsfeind gefunden. Die Beschimpfungen von Blatter übertreffen sogar die von Putin. Der Grund: Fußball ist auch Geopolitik, weil so viel Geld im Spiel ist.
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Vielsagende Pressestimmen zum Fall Blatter:

«NY Times»: Blatter muss sofort weg

«Schon seit Jahren stand die einst als 'byzantinisch und undurchdringbar' bezeichnete FIFA, die zwischen 2011 und 2014 insgesamt 5,7 Mrd. Dollar einnahm und größtenteils hinter verschlossenen Türen arbeitet, in der Kritik. Es gab eine Vielzahl von Anschuldigungen von Journalisten und Whistleblowern. Mitglieder des Exekutivkomitees wurden wegen der Anwerbung von Schmiergeldern ausgeschlossen, aber es folgten keine Reformen.

Die FIFA darf dieses Mal nicht so tun, als gehe es um ein paar korrupte Funktionäre. Ein erster Schritt wäre, sofort Herrn Blatter zu schassen und die FIFA umzustrukturieren.

Die Auswahl Russlands und Katars (als WM-Gastgeber) muss strengstens untersucht werden. Die Entscheidung für Katar sollte zurückgenommen werden, wenn keine überzeugende Beweise dafür vorgelegt werden, die Hinweise auf Fehlverhalten bei der Vergabe an Katar widerlegen und wenn nicht schnellstens Schritte unternommen werden, die Bedingungen für ausländische Arbeiter zu verbessern.

«Washington Post»: Zeit für Karrierende von Blatter

«Ja, der Fußball ist nur ein Spiel, aber korrupte oder diktatorische Herrscher sonnen sich gern in seinem Glanz. Deswegen wäre es auch ohne Schmiergeldaffäre töricht, die WM in Herrn Putins Russland oder in Katar abzuhalten, wo unterdrückte asiatische Gastarbeiter Stadien für den Wettkampf bauen.

Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für die FIFA, ihre Entscheidung für diese beiden Länder zurückzunehmen und die Ausschreibung unter unabhängiger Aufsicht wieder zu eröffnen.

Es wäre auch ein guter Zeitpunkt, die Karriere von FIFA-Präsident Sepp Blatter zu beenden, der seit 1998 über den Verband geherrscht und deren Einnahmen verteilt hat. Er soll am Freitag wiedergewählt werden und ist angeblich auch daran interessiert, weiter im Amt zu blieben.»

«NZZ»: Blatter-Bashing ist en vogue

«(FIFA-Präsident Joseph) Blatter holt in Europa nicht viele Stimmen, sein Revier ist anderswo. Eine kleine Insel in der Karibik oder einen Staat in Afrika kümmern Fifa-Reformen weniger. Sie sind daran interessiert, aus dem gefüllten Tresor des Weltverbands bedient zu werden. Eine Million ist für die Uefa wenig, für den karibischen Inselstaat St. Kitts und Nevis viel. Man kann den 79-jährigen Schweizer in den Fällen der festgenommenen Fifa-Exekutiv-Mitglieder Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo moralisch in die Pflicht nehmen. Mehr aber nicht. Natürlich häufen sich Stimmen, die seinen Rücktritt fordern. Blatter-Bashing ist en vogue. Aber niemand weiss, ob und wie schnell das weitverzweigte (Geld-)System Fifa mit einem neuen Namen sauberer würde.»

«Politiken»: Blatter darf nicht auf seinem Posten bleiben

«Am späten Donnerstag hieß es, die Uefa wolle versuchen, Blatter zu stürzen. Die Wahl durchzuführen wirkt doch wie ein zu großes Glücksspiel. Keiner Sportnation kann damit gedient sein, dass der erste Mann des Fußballs in einem durch und durch korrupten Verband auf seinem Posten bleibt. Sollte Blatter doch gewinnen, kann man sich hoffentlich damit trösten, dass er zum Verlieren verdammt ist, sobald die Anklagen wegen Korruption beginnen loszurollen wie Lawinen von den Bergspitzen der Schweizer Alpen.»

«Libération»: FIFA-Skandal sollte Zorn unserer Politiker auslösen

«Korruptionsaffären in sehr großem Stil häufen sich bei der FIFA, haben allerdings bis heute in Frankreich keinerlei empörte Reaktionen hervorgerufen. Dabei könnte die Person (von FIFA-Präsident) Sepp Blatter durchaus unsere Politiker zornig werden lassen: Der Chef dieser von Korruption durchsetzten Institution ist sexistisch, homophob, leugnet Rassismus im Fußball und Sklavenarbeit in Katar. Wenn Mafia-Methoden einer so mächtigen Organisation wie der FIFA ans Tageslicht kommen, dürfen Politiker nicht schweigen, nur weil sie darauf hoffen, dass ihnen die Organisation einer Sportveranstaltung zugestanden wird.»

«La Repubblica»: Fußball ist geopolitischer Faktor

«Der Krieg um den Ball wird zu einem außerordentlichen ideologischen Manöver: Um Amerika, das sich als Weltpolizei aufspielt, anzuprangern und um zu unterstreichen, dass Russland immer mehr auf gleicher Augenhöhe behandelt werden will - wie eine Supermacht und nicht wie ein geschlagener ehemaliger kommunistischer Herrscher. Der Sport, und vor allem der Fußball mit all dem Geld, das er bewegt, ist ein großer geopolitischer Einflussfaktor, der sich oft mit der Korruption verbündet. Vor diesem Hintergrund ist es nicht schwer zu verstehen, dass Putin und Blatter bestens miteinander auskommen.»

Michael Payne: Ein erstaunliches Ergebnis


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