Merkel bezeichnete es nach jüngsten Hacker-Angriffen auf den Bundestag und Unternehmen als offene Frage, ob man nicht auch Fähigkeiten zu Cyberangriffen entwickeln müsse, um zu wissen, was Angreifer alles können. Den Gesetzentwurf der großen Koalition zur Vorratspeicherung verteidigte sie gegen Kritik. Es könne nicht sein, dass Bürger Unternehmen alle möglichen Daten zur Verfügung stellten, aber Staaten bei mutmaßlichen Terroristen nach Anschlägen nicht einmal mit richterlicher Zustimmung für einige Wochen Kommunikationsdaten auswerten dürften.
„Ich würde mich sicherer fühlen, wenn wir so ein Gesetz haben“, sagte Merkel am Freitag beim Evangelischen Kirchentag in Stuttgart. Sie stehe hinter dem Gesetzesvorhaben, weil es die Möglichkeit geben müsse, nach dramatischen Ereignissen auf bestimmte Daten zurückzugreifen. Es gehe um den Schutz von rund 80 Millionen Menschen in Deutschland. Jeder, der gegen die Vorratsdatenspeicherung sei, sollte einmal überlegen, welche eigenen Daten er aus freien Stücken schon irgendwo preisgegeben habe, meinte die Kanzlerin.
Zudem stellte sie die Kooperation mit amerikanischen Geheimdiensten trotz der NSA-Affäre nicht infrage. Es gebe für sie keine Zweifel, dass Deutschland mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammenarbeiten müsse - auch mit US-Diensten. „Wir alle sind großen Bedrohungen ausgesetzt“ und nannte den Islamischer Staat als Beispiel. Viele IS-Kämpfer kämen aus Deutschland und Europa.
Die Frage sei aber, wie viel die Geheimdienste wissen müssten. Das sei auch für sie als Kanzlerin ein schwieriges Thema. In Deutschland werde mehr Wert auf den Schutz personenbezogener Daten gelegt als in den USA. „Trotzdem muss ich als Kanzlerin sicherstellen, dass wir sicher leben können. Das erfordert viel Abwägung.“ Die amerikanische NSA soll mit Hilfe des BND über Jahre hinweg europäische Unternehmen und Politiker ausgeforscht haben.
In ihrer Ansprache warnte Merkel davor, dass die deutsche Industrie zum Zulieferer für amerikanische IT-Konzerne herabsinken könnte. Deutsche Unternehmen dürften angesichts der rasanten Digitalisierung die Auswertung von Daten nicht nur großen amerikanischen Firmen überlassen, die über die Nutzung von Kundendaten zu Produzenten würden. In einer Diskussion über die Folgen der Digitalisierung warb sie dafür, dass Europa und Deutschland schnell die Basis für eine eigene Nutzung von „Big Data“ schaffen müssten, um selbst Kundenwünsche besser analysieren zu können. Europa habe bisher aber keine Unternehmen wie Google, Apple oder Facebook.