Politik

Kredite gegen „Reformen“: Tsipras geht auf Troika-Kurs

Lesezeit: 2 min
08.07.2015 14:54
Die griechische Regierung will offenbar den Vorgaben der Troika entsprechen und für neue Kredite „Reformen“ einleiten. Es steht zu befürchten, dass diese Maßnahmen ähnlich kontraproduktiv sind wie der bisherige Troika-Ansatz von Steuererhöhungen und Sozialkürzungen.
Kredite gegen „Reformen“: Tsipras geht auf Troika-Kurs

In ihrem neuen Hilfsantrag an den Euro-Rettungsschirm ESM hat Griechenlands Regierung zugesichert, der Eurogruppe bis spätestens Donnerstag detaillierte Reformvorschläge zur Lösung der Schuldenkrise vorzulegen. In dem Schreiben wird laut dpa die Umsetzung erster Reformversprechen für den Beginn kommender Woche angekündigt. Angestrebt wird ein Kredit-Programm mit drei Jahren Laufzeit, um fällige Kredite ablösen zu können und «die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten». Im Gegenzug sichert Athen «Reformen» im Steuer- und Rentensystem zu.

Das Problem dieser «Reformen» dürfte darin bestehen, dass es sich um eine ähnlich giftige Mischung aus Steuererhöhungen und Sozialabbau handelt, wie sie Griechenland von der Troika bisher serviert wurde. Die Grafik (am Anfang des Artikels) zeigt, dass das Konzept auf der ganzen Linie gescheitert ist: Die Schulden sind gestiegen, die Wirtschaft ist degeneriert.

Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass eine linke Regierung andere Vorschläge, wie etwa die Abschaffung der Mehrwertsteuer, bringen wird: Linke Wirtschaftspolitik war bisher stets von der Illusion geleitet, mit Steuererhöhungen die Reichen zur Kasse zu bitten. Die wirklich Reichen haben längst ihre Vermögen aus Griechenland abgezogen. Die Steuererhöhungen treffen daher in der Regel immer die mittleren Einkommen.

Damit wäre zwar die schlimmste Katastrophe dahingehend abgewendet, dass sie von einem Tag auf den anderen ausbricht. Doch die Folgen eines weiteren Austeritätsprogramms werden der griechischen Wirtschaft und damit der Bevölkerung schweren Schaden zufügen.

Ursprünglich war die Syriza mit dem Anspruch angetreten, die Troika aus dem Land zu werfen. Doch schon nach kurzer Zeit musste sich die Syriza der Realität beugen und mit der Troika verhandeln. Nun scheint sich Alexis Tsipras angesichts der drohenden Katastrophe zu dem aus seiner politischen Sicht kleineren Übel entschlossen zu haben. Für die Griechen ist der Unterschied nur auf der Zeitachse. Doch die Folgen könnten bei einem neuen Austertätsprogramm noch schlimmer sein, weil sich die Troika und die Syriza der Illusion hingeben, das Problem gelöst zu haben. Es gibt allerdings keinen rationalen Grund, warum unter normalen Umständen das über fünf Jahre gescheiterte Programm auf einmal funktionieren sollte.

Denkbar wäre lediglich ein externer Grund, etwa ein Krieg: Dann könnte Griechenland über zusätzliche Nato-Gelder neue Arbeitsplätze schaffen, etwa im Militärbereich. Polen und die baltischen Staaten haben den Kalten Krieg gegen Russland bisher geschickt ausgenützt, um die Nato ins Land zu holen und mit der Begründung der Sicherheitslage entsprechende neue Finanzmittel zu generieren.

Der permanente Euro-Rettungsschirm ESM («Europäischer Stabilitätsmechanismus») soll die Stabilität des Euro-Raumes gewährleisten. Er kann gegen Auflagen seit Oktober 2012 Finanzhilfen an Euro-Länder gewähren. Das Problem dieser Auflagen: Auch der ESM kann - wie die Troika - sogenannte Reformen nicht überprüfen oder gar erzwingen. Er bietet Athen daher die Möglichkeit, sich einfach Zeit zu kaufen.

Griechenlands Regierung begründete ihren Hilfsantrag nun mit der Gefährdung der «finanziellen Stabilität Griechenlands (...) und des gesamten Euroraums» - dies wäre die Voraussetzung dafür, dass der ESM überhaupt eingreifen darf.

Die Vorschläge aus Athen müssen nun zunächst der Eurogruppe vorgelegt und anschließend von den Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) beurteilt werden. Diese Experten haben sich bisher dadurch ausgezeichnet, dass sie alle Zahlen falsch vorhersagt und unter falschen sektoralen Annahmen an Griechenland herangegangen sind.

Griechenland sei fest entschlossen, «seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber allen Gläubigern vollständig und pünktlich zu begleichen».

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