Politik

Griechenland: Tsipras verliert Poker mit der EU und muss Troika akzeptieren

Lesezeit: 3 min
19.02.2015 12:46
Die griechische Regierung gibt eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen auf und akzeptiert, dass die Wirtschaftspolitik Griechenlands auch weiter von der Troika kontrolliert wird. Der nun in Brüssel eingelangte Kredit-Antrag entspricht der von der EU verlangten Unterwerfung unter das Memorandum. Offenbar haben die internationalen Investmentbanken dem griechischen Finanzminister Varoufakis keine Hoffnung gemacht, aus dem Programm aussteigen zu können.
Griechenland: Tsipras verliert Poker mit der EU und muss Troika akzeptieren

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die griechische Regierung hat der Verlängerung des Kreditprogramms unter Überwachung der Troika-Gläubiger zugestimmt. In dem Reuters am Donnerstag vorliegenden Brief aus Athen an Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem heißt es, dass die Verlängerung des Programms um sechs Monate unter Einhaltung der Rahmenvereinbarungen mit EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) geschehen soll. Bisher hatte die linksgerichtete Regierung in Athen eine Zusammenarbeit mit den Institutionen, die unter dem Namen "Troika" firmierten, abgelehnt. Die EU hatte kurzzeitig die Parole ausgegeben, die "Troika" nicht mehr zu nennen und stattdessen von den Institutionen zu reden.

Nun darf wieder von der Troika geredet werden, weil die griechische Regierung zähneknirschend zur Kenntnis nehmen muss, dass sie aus den Kreditverträgen mit der EU nicht aussteigen kann. Die FT sieht in dem Antrag Griechenlands eine "Kehrtwende" der bisherigen Syriza-Politik.

Denn aus dem Ansuchen der Griechen geht eindeutig hervor, dass es sich um eine Verlängerung des "Master Financial Assistance Facility Agreement". Diese Vereinbarung ist mit dem EFSF geschlossen. Die rechtliche Grundlage dieser Kredite ist völlig unstrittig die gemeinsame Kontrolle des Schuldners durch die Troika aus EZB, IWF und EU. Die griechische Regierung bestritt zwar nach Bekanntwerden des Kredit-Antrages, sich entgegen ihrer Ankündigung noch doch der Kontrolle unter die Troika zu unterwerfen. Doch das ist lediglich politische Rhetorik - die Verträge sind eindeutig, weshalb die Eurogruppe auch in ihrer nächsten Sondersitzung am Freitag dem Antrag zustimmen werden.

Die Einigung hatte sich in den vergangenen Wochen bereits abgezeichnet. Der Theaterdonner über einen "Grexit" war als politisches Schauspiel inszeniert worden, damit beide Seiten ihren Wählern eine in der Logik der Euro-Retter unausweichliche Verlängerung der Kredite als alternativlos verkaufen können. Das dürfte der Syriza-Regierung nun doch etwas schwerer fallen als der Euro-Gruppe. Deren Chef Jeroen Dijsselbloem, der noch vor wenigen Tagen in Griechenland bei einer Pressekonferenz von Yanis Varoufakis bloßgestellt worden war, twitterte folglich auch genüsslich die Nachricht von der auf seinem Schreibtisch eingelangten griechischen Unterwerfung.

Die Zeitung To Vima berichtet, es bestehe "95% Übereinstimmung" zwischen der Euro-Gruppe und Griechenland.

Die Zeitung Kathimerini berichtet, dass das Ansuchen um Verlängerung der Kredite identisch mit dem der Regierung Samaras sei, welches im Dezember gestellt wurde und eine entsprechende Passage wortgleich enthält.

Damit knickt die Syriza-Regierung überraschend schnell ein. Hintergrund dürfte sein, dass dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis bereits vor einigen Wochen in Athen bei einer Investorenkonferenz in London bedeutet worden war, dass es keine Alternativen für Griechenland gäbe als nach den bisherigen Spielregeln weiterzuspielen. Varoufakis hatte damals noch in einem BBC-Interview gescherzt, dass es paradox sei, dass eine linke Regierung mit Investmentbanken gemeinsam eine Lösung für die griechischen Probleme suchten. Wie es scheint, haben sich beide Seite darauf geeinigt, dass es für sie am besten ist, wenn das Risiko für die griechischen Staatsschulden weiter bei den europäischen Steuerzahlern bleibt (interessanter BBC-Bericht mit einem damals noch heiteren Varoufakis am Anfang des Artikels).

Die griechische Regierung erkenne die finanziellen und prozeduralen Inhalte des bestehende Rettungsprogramms als bindend an, heißt es nun gut technokratisch in dem Brief. Zudem akzeptiert die Regierung die finanziellen Verpflichtungen gegenüber allen Gläubigern. Neue Maßnahmen der Regierung müssten voll durchfinanziert sein. Zudem werde Griechenland während der sechs Monate eng mit den Partnern zusammenarbeiten, damit keine einseitigen Reformen ergriffen werden, welche die Haushaltsziele, die wirtschaftliche Erholung oder die finanzielle Stabilität des Landes gefährdeten.

In dem Brief sind zugleich eine Reihe von Punkten aufgelistet, die Griechenland mehr Spielraum ermöglichen könnten. So will das hoch verschuldete Land die gegebene Flexibilität im aktuellen Paket bestmöglich nutzen. Zudem soll die Verlängerung dazu genutzt werden, einen angemessenen Primärüberschuss zu erreichen. Bisher hatten die Euro-Partner von Griechenland einen Überschuss von drei Prozent in diesem und 4,5 Prozent im kommenden Jahr gefordert. Griechenland beantragte zudem eine Verlängerung von EFSF-Anleihen, die für die Stabilisierung der griechischen Banken vorgesehen waren. Auch will Griechenland über Schuldenerleichterungen verhandeln, wie sie von der Eurogruppe im November 2012 in Aussicht gestellt wurden.

Am Freitag werden die Finanzminister der Eurogruppe in Brüssel über den Brief und eine Lösung des Schuldenstreits beraten. Es ist mit anzunehmen, dass es zu einer raschen Einigung kommen wird. Zwar hat Deutschland am Donnerstag noch keine Zustimmung zu dem griechischen Vorschlag gegeben, doch es wird erwartet, dass die letzten Unklarheiten bei dem Treffen beseitigt werden sollten. Die deutsche Ablehnung dürfte eher dazu geeignet sein, dass die Syriza ihren Wählern den Kompromiss verkaufen können, denen sie den Deutschen in hartem Kampf abgerungen hätten.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...