Seit der aufgekommenen Diskussion um einen bevorstehenden „Grexit“ oder „Grexident“ kam zeitgleich auch immer die Variante für eine „Griechenland-Rettung“ über den ESM in die Debatte.
Seit sich die Euro-Gruppe respektive die Staats- und Regierungschefs der Euroländer am Montag über einen neuen „Griechenland-Deal“ verständigten, steht der „Griechen-Rettung“ also nichts mehr im Weg. Dieser „Deal“ soll im Wesentlichen dazu dienen, alte Kredite mit neuen Krediten abzulösen. Kritiker erklären, der Deal sei noch schlechter als der „Versailler-Vertrag“.
Gleichwohl müssen nach dem ESM-Vertrag entsprechende Voraussetzungen für weitere Kredite – in Rede stehen 82 bis 86 Milliarden Euro – gewährleistet sein.
Die Euro-Zone als Ganzes muss gefährdet sein
Dies wurde mehrfach und von verschiedenen Institutionen, Volkswirtschaftlern als auch deutschen Politikern in Zweifel gezogen.
Gleichwohl hatte die EU-Kommission schon am Samstagmorgen, als es in die erste Verhandlungsrunde ging, die Gefährdung der gesamten Eurozone als „gegeben“ betrachtet.
Die Schuldentragfähigkeit muss gewährleistet sein
Aktuell beträgt die Schuldenquote Griechenlands mit etwa 320 Milliarden Euro knapp 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit weiteren rund 80 Milliarden Euro also bei rund 400 Milliarden Euro oder rund 200 Prozent.
Klaus Regling, Chef des ESM hatte bereits letzte Woche, noch bevor der Deal unter Dach und Fach war und unabhängig von der nun ausgehandelten Summe von über 80 Milliarden Euro, davon gesprochen, dass die Schuldentragfähigkeit des Landes auf jeden Fall gewährleistet sei.
Regling muss nun also die hauseigenen Regularien ignorieren, indem er die Schuldentragfähigkeit Griechenlands als positiv bewertet in dem Papier, das er alsbald herausgibt. Und mit ihm die Politiker in den Euro-Parlamenten, die den Deal alsbald absegnen werden (müssen).
Der Finanzierungsbedarf
Hilfen aus dem ESM sind drittens nur dann zulässig, wenn ein Finanzierungsbedarf unabweisbar ist. Auch dieser Punkt ist strittig.
Schließlich konnte Griechenland im 3. Quartal 2014 einen Primärüberschuss erzielen und durch die nun geplanten Steuererhöhungen könnte es auch seinen Haushalt finanzieren.
Der Fiskalpakt (die Schuldenbremse)
Um Kredite aus dem ESM zu erhalten, muss das jeweilige Land den Fiskalpakt unterzeichnet haben. Athen hat den Fiskalpakt bis heute nicht in nationales Recht umgesetzt.
Hier jedoch kommt der Deal vom Montag zum Tragen. Das griechische Parlament muss am kommenden Mittwoch (unter anderem) abstimmen, über … „Die vollständige Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags über die Stabilität, Koordination und Governance in der Wirtschafts- und Währungsunion“, wie es im „Euro Summit“-Statement heißt, was somit der Implementierung des Fiskalpakts entspricht.
Bis auf den letzten kann man also von einem ESM-Vertragsbuch sprechen, insbesondere was die ersten beiden Punkte betrifft.
Die Gefährdung der Eurozone ist nicht gegeben. Die Schuldenlast ist nicht tragfähig. Es handelt sich um eine reine Technokraten-Lösung zur Sedierung der Krise.
Da insbesondere von deutschen Abgeordneten stets gefordert wurde, dass für ein neues Abkommen der IWF zwingend an Bord bleiben muss, ist auch dieser Passus im „Euro Summit“-Statement enthalten: „Von einem Euro-Mitgliedstaat, das aus dem ESM Finanzhilfe beantragt wird erwartet, dass es, wo immer möglich, eine ähnliche Anfrage an den IWF stellt. Dies ist eine Voraussetzung der Eurogruppe, einem neuen ESM-Programm zuzustimmen“. Der Passus ist zugegebenermaßen juristisch sehr schwammig, wird aber aktuell nicht als fakultativ interpretiert, sondern als zwingend. Umgangssprachlich würde man von Erpressung sprechen.
Da die aktuelle Vereinbarung mit dem IWF im März 2016 beendet ist, wird Griechenland zum gegebenen Zeitpunkt angehalten sein, erneut – diesmal mit dem IWF – zu verhandeln.
Das Wichtigste aber ist: Ist der ESM-Vertrag mit Griechenland erst einmal unter Dach und Fach (Memorandum of Understanding) ist der ESM niemandem gegenüber verantwortlich. Er ist außerhalb jeder Jurisdiktion. Einwände sind alle berechtigt, doch sie sind völlig unerheblich. Der ESM und seine Direktoren können von niemandem wegen Rechtsbruchs verklagt werden, und sei er noch so offenkundig.
Die Technokraten-Lösung mit Griechenland hat jedoch noch einen politischen Hintergrund: Der „Griechen-Deal“ soll über drei Jahre laufen. Bis dahin ist die Bundestagswahl gelaufen. Und bei den Spanien-Wahlen im Herbst/Wintern dieses Jahres soll den Podemos-Wählern das Wasser abgegraben werden.
Diese Rechnung geht jetzt schon auf. Aktuell liegen die Umfragewerte für die Podemos-Partei abgeschlagen bei 13 Prozent, die konservative Partido Popular (PP) von Ministerpräsident Rajoy bei 31 Prozent.