Politik

Machtkampf mit Merkel: Schäuble spricht erstmals von Rücktritt

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat erstmals laut über einen Rücktritt wegen der Euro-Krise nachgedacht. Würde man ihn zwingen, gegen seine Überzeugung zu handeln, würde er „zum Bundespräsidenten gehen und um meine Entlassung bitten“. Er sagte auch, dass er und Angela Merkel unterschiedlich über die Lösung der Euro-Krise denken. Die Aussage kommt interessanter Weise einen Tag nach dem Besuch von US-Finanzminister Lew in Berlin.
17.07.2015 20:32
Lesezeit: 2 min

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat erstmals die Möglichkeit seines Rücktritts ins Spiel gebracht. Er sagte dem Spiegel: „Politiker haben ihre Verantwortung aus ihren Ämtern.“ Würde er, von wem auch immer, gezwungen, gegen seine Überzeugung zu handeln, wüsste er, was zu tun sei: „Wenn das jemand versuchen würde, könnte ich zum Bundespräsidenten gehen und um meine Entlassung bitten“, sagte Schäuble. Schäuble sagte auf die Frage, ob er konkret an einen Rücktritt denke: "Nein. Wie kommen Sie darauf?"

Schäuble räumte auch erstmals ein, dass er und Angela Merkel nicht derselben Meinung sind, was die Euro-Rettung in Griechenland betrifft. Schäuble sagte: „Es gehört zur Demokratie, dass man auch einmal unterschiedliche Meinungen hat.“ Er sagte, dass ein Bundeskanzler und ein Finanzminister unterschiedliche Rollen zu erfüllen hätten.

Auf die Frage, ob er einen Grexit noch immer für möglich halte, sagte Schäuble: "Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hat gesagt, das könne jederzeit passieren." Ob er auch dieser Meinung sei - dazu wollte sich Schäuble nicht äußern.

Er attackierte auch Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Dieser hatte Schäuble vorgeworfen, über ihn, Gabriel, die Unwahrheit gesagt zu haben. Schäuble: „Man sollte eigene Probleme nicht durch unzutreffende Behauptungen über andere lösen wollen.“

Auffällig ist, dass die Aussagen nach dem Besuch von US-Finanzminister Jack Lew in Berlin kamen: Lew und der IWF bestehen auf einem Schuldenschnitt für Griechenland, Schäuble ist strikt dagegen. Am Donnerstag hatten sich Lew und Schäuble getroffen. Es ist nicht bekannt, ob Lew Druck auf Schäuble ausgeübt hat. Lew hatte nach dem Besuch gefordert, dass sich Griechenland und die Euro-Zone über die Schulden des Landes einigen müssten. Der IWF, der unmittelbar vor dem Besuch ein Papier lanciert hatte, in dem die Schuldenquote Griechenlands mit 200 Prozent vom BIP prognostiziert wurde, sagte nach der Abreise Lews, er stünde nur bei einem Schuldenschnitt für weitere Kredite zur Verfügung.

Schäuble verfolgt in der Euro-Krise ein anderes Konzept als die US-Regierung: Er will die Krise nutzen, um die Euro-Zone zurückzubauen.

Schon vor 20 Jahren hatte Schäuble die Auffassung vertreten, dass nur eine sehr kleine Euro-Zone mit einer vollen politischen und wirtschaftlichen Integration in der Lage sei, den Amerikanern und Russen Paroli zu bieten. Er wollte die Position der EU in der Nato stärken und die Partnerschaft mit Russland im Interesse Osteuropas vertiefen.

Es wäre nicht erstaunlich, wenn diese Positionen die Amerikaner alarmieren: Die US-Regierung ist an einer stabilen Euro-Zone interessiert, um nicht die geostrategischen Interessen der Nato zu gefährden.

Schon aus diesem Grund waren die Amerikaner stets für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone. Allerdings war Washington in den vergangenen Wochen zunehmend aufgeschreckt wegen des dilettantischen Krisen-Managements der Euro-Retter. Schäubles Rolle in dem EU-internen Machtkampf war unglücklich, weil es ihm nicht gelungen ist, seine Positionen so zu setzen, dass sie nicht von nationalistischen Trittbrettfahrern in der ganzen Euro-Zone instrumentalisiert werden konnten.

Schäuble hatte in der Diskussion die volle Unterstützung der Bild-Zeitung. Dies schreibt auch im Bericht über den möglichen Schäuble-Rücktritt, dass der „Streit mit Angela Merkel um die Griechenlandrettung“ der Grund sein könnte, warum Schäuble hinschmeißt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Goldman Sachs: Europas Aktienmarkt wird die USA überholen
07.09.2025

Nach Jahren der US-Dominanz kommt die Trendwende: Goldman Sachs sieht europäische Aktien vor einem kräftigen Aufschwung. Banken,...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertspeicher im Taschenformat: Wie Sie Edelsteine kaufen – und ob sie als Anlageklasse taugen
07.09.2025

Chris Pampel, Geschäftsführer des Deutschen Edelstein Kontors und Autor des Buches „Das 1x1 der Edelsteininvestments“, erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Experteninterview: Wie Sie mit Geld in Zeiten sinkender Zinssätze umgehen sollten
07.09.2025

Börsen und Gold auf Rekord, Inflation rückläufig – doch die Zinsen wackeln. Während Trump Druck auf die Fed macht, ringt die EZB um...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Boliden-Chef: Mikael Staffas verteidigt Trump-Stahlzölle
07.09.2025

Der CEO von Boliden, Mikael Staffas, verteidigt Trumps Stahlzölle und warnt vor der chinesischen Konkurrenz. Europa steckt in lähmender...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation zwingt Unternehmen zu klarer Preisstrategie
07.09.2025

Die Inflation zwingt Unternehmen zu heiklen Preisentscheidungen. Wer zu schnell oder zu spät reagiert, riskiert Margenverluste – oder...

DWN
Panorama
Panorama Samenernte in 40 Meter Höhe: Wie der Wald von morgen wächst
07.09.2025

Die Samenernte hoch in den Baumwipfeln ist Abenteuer, Handwerk und Zukunftsarbeit zugleich. Wer an den Samen der Tanne gelangen will,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Österreichs Maßnahmen gegen die Inflation – und die Bedeutung für Deutschland
07.09.2025

Österreich steckt in der Krise: Die Regierung verspricht Milliardenhilfen, doch bei genauerem Hinsehen bleiben nur kleine Reformen übrig....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Turbojet-Drohne: Polen präsentiert universelle Technologieplattform
06.09.2025

Polen präsentiert die Turbojet-Drohne – eine universelle Technologieplattform für Militär und Zivil. Für Deutschland stellt sich die...