Politik

Italien und Frankreich schmieden Allianz gegen Deutschland

Lesezeit: 3 min
18.07.2015 02:13
In der Euro-Zone stehen neue Spannungen ins Haus: Die Pläne von Frankreich und Deutschland für eine Vertiefung der politischen Union sind nicht kompatibel. Der offene Konflikt um einen Grexit hat Italien und Frankreich stärker zusammengebracht. Sie wollen eine deutsche Dominanz verhindern. Doch ihr Helfer Mario Draghi hat bereits dafür gesorgt, dass Deutschland in die Defensive geraten ist.
Italien und Frankreich schmieden Allianz gegen Deutschland
Die wirklichen Probleme der Euro-Zone kommen erst mit Italien und Spanien. (Grafik: livinginabubbleblog)

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die FT berichtet über einige interessante Details aus den Verhandlungen in Brüssel: Der französische Finanzminister Michel Sapin sagte, sein „Vertrauen“ in Angela Merkel war „erschüttert“, als er in Brüssel ankam und Wolfgang Schäuble seinen Grexit-Plan präsentierte. Sapin sagte, Angela Merkel hätte Francois Hollande noch am Morgen des Samstag versichert, sie werde einen „Grexit nicht erlauben". Am Höhepunkt des Konflikts, als der Gipfel zu scheitern drohte, seien Hollande und Matteo Renzi auf eine Terrasse getreten und hätten sich gefragt, was sie nun tun sollen. Die beiden hätten sich schließlich darauf verständigt, eine Allianz zu bilden. Die FT zitiert einen italienischen Verhandlungsteilnehmer mit den Worten: „In diesem Moment haben wir verstanden, dass sich Italien und Frankreich vereinigen können, um eine weniger radikale Lösung als einen Grexit durchzusetzen.“

Die Achse Rom-Paris dürfte in den kommenden Monaten stärker werden. Sie ist zwar noch nicht sehr stabil, doch in einem verfolgen die beiden Regierungen dieselbe Linie: Sie wollen eine stärkere Union und eine Vergemeinschaftung der Schulden in der Euro-Zone. Dies ist eine Überlebensfrage für beide: Die harte Position Deutschlands gegenüber Griechenland ist beiden ein Warnsignal. Sie müssen eine Strategie entwickeln, um nicht immer gegen Deutschland ankämpfen zu müssen und sich meist am Ende als Verlierer zu fühlen.

Wolfgang Schäuble vertritt dagegen eine andere Position: Er will auch eine stärkere Union, jedoch mit einer Gruppe von Staaten, die in der Haushaltspolitik Disziplin walten lassen. Weder Frankreich noch Italien haben in dieser Hinsicht eine Tradition.

Schäuble verwies in einem Interview mit dem Spiegel auf den Vorschlag der fünf EU-Präsidenten: Diese hatten vor wenigen Tagen gefordert, die Union müsse vertieft werden. Auch Mario Draghi bezog sich in seiner Pressekonferenz nach dem Beinahe-Crash auf dieses Papier. Draghi hat die politische Union vorangetrieben wie kein anderer vor ihm. Er hat es so gemacht, dass kaum einer es gemerkt hat. Durch das Ankaufprogramm von europäischen Staatsanleihen sind de facto Eurobonds entstanden. Das Risiko liegt bei der EZB – und damit auch bei Deutschland. Draghi arbeitet eindeutig im Interesse Italiens, was auch nicht zu verwundern braucht.

Durch die EZB sind Fakten geschaffen worden: Deutschland muss aus der Defensive operieren. Selbst wenn Schäuble immer noch hoffen mag, die Integration in seinem Sinn voranzutreiben: Die Staatsanleihen liegen bei der EZB. Wenn es in Italien oder Spanien kracht, steht Deutschland vor demselben Problem wie mit Griechenland. Bloß die Dimension ist eine andere. Man kann verstehen, dass Schäuble mit Rücktrittsgedanken spielt: Jetzt ist er Deutschlands populärster Politiker. Er könnte als Held abtreten. Niemand würde sich daran erinnern, dass er in der Kredit-Orgie über Jahre hinweg nie sein Veto eingelegt hat. Schäuble fürchtet, dass er den großen Crash noch miterleben könnte. Ein gesamteuropäischer Schuldenschnitt würde zu Lasten der Deutschen gehen. Die deutschen Sparer haben wegen der Niedrigzins-Politik bereits massiv verloren: Sie finanzieren die anhaltende Staatsverschuldung und können sich nicht wehren.

Deutschland hat zwar die Osteuropäer auf seiner Seite. Diese sind jedoch schwächer als Frankreich und Italien. Die beiden haben im Übrigen in der Euro-Krise auffällig aktiv mit den USA kooperiert. Die USA fordern einen Schuldenschnitt für Griechenland und sehen die EU als Einheit – schon wegen der Nato. Ein deutscher Sonderweg wird immer schwerer.

Das könnte auch Schäuble bald klarwerden: Die Dynamik eines Systems ist stärker als die Überzeugung eines Einzelnen. Angela Merkel ist weder fachlich noch charakterlich stark genug, um wirklich eine Position zu beziehen. Man wird sich vermutlich auf die dritte Griechenland-Rettung einigen und die Forderungen der Troika im Lauf der Zeit aufweichen. Denn nach der last-minute-„Rettung“ kann es sich keiner leisten, im September wieder zusammenzukommen, um erneut über den „worst case“ zu streiten.

Ob diese Rechnung, die die EU-Gremien mit Italien und Frankreich gemeinsam aufgestellt haben, wirklich aufgeht, wird von der Entwicklung in Griechenland abhängen. Noch ist nicht klar, welche wirtschaftlichen Schäden die Bankenschließung ausgelöst hat. Peter Spiegel von der FT hat errechnet, dass für das 3. Kreditprogramm noch etwa 24 Milliarden Euro fehlen – selbst wenn sich der IWF beteiligt. Ist die Wirtschaft noch stärker eingebrochen, werden es wohl noch mehr sein.

Wie auch immer die neue EU aussehen wird: Es werden nicht mehr die hehren Werte sein, aus denen sie geboren wird. Es wird eine Schulden-Union sein. Für eine solche Union wäre Deutschland mangels finanzpolitischer Expertise ohnehin keine geeignete Führungsmacht.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch kurz vor 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag hat die wichtigste Kryptowährung direkt nachgelegt. Seit dem Sieg von Donald...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Dividenden leben? So erzielen Sie ein passives Einkommen an der Börse
21.11.2024

Dividenden-ETFs schütten jedes Jahr drei bis vier Prozent der angelegten Summe aus. Wäre das auch was für Ihre Anlagestrategie?...

DWN
Politik
Politik Weltstrafgericht erlässt auch Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant - wegen Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen
21.11.2024

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den früheren...

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...