Politik

Italienischer General: Militär-Einsatz der EU gegen Flüchtlinge wird scheitern

Lesezeit: 2 min
26.07.2015 01:23
Der Militäreinsatz der EU gegen Flüchtlinge im Mittelmeer bewirkt offenbar das Gegenteil der beabsichtigten Abschreckung: Der ehemalige italienische Generalstabschef Vincenzo Camporini stellt fest, dass sich die Schlepper ermuntert sehen, weil die Kriegsschiffe verpflichtet sind, in Seenot geratene Flüchtlinge zu retten. Dadurch würden mehr und nicht weniger Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa geschickt.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Der frühere italienische Generalstabschef Vincenzo Camporini ist der Auffassung, dass der Militäreinsatz „EUnavformed“ gegen Flüchtlinge im Mittelmeer scheitern wird. Camporini sagte dem EUObserver, dass die Präsenz der Kriegsschiffe im Mittelmeer das Gegenteil dessen bewirken werden, was sie eigentlich wollten: Die EU wollte durch die Militär-Präsenz Schlepper einschüchtern und somit den Zustrom von Flüchtlingen über das Mittelmeer eindämmen. Der Militäreinsatz wurde von Menschrechtsorganisationen scharf kritisiert, weil die Schiffe auch den Auftrag haben, Flüchtlingsboote abzuschießen. Für diese Maßnahmen fehlt der EU jedoch die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats.

Doch tatsächlich hat die Anwesenheit der Schiffe dazu geführt, dass die Schlepper offenbar ermuntert werden, noch mehr Menschen über das Mittelmeer zu schicken. Camporini: „Tatsächlich unterstützen wir die Schmuggler-Organisationen, denn die Aktion hilft den Flüchtlingen, ihr Ziel Europa zu erreichen.“ Die Schiffe und ihre Besatzungen sind nämlich nach internationalem Recht verpflichtet, Schiffbrüchige zu retten. Genau darauf legen es die Schlepper nach Camporinis Einschätzung an: Sie können ihren „Kunden“ die Route nun als besonders sicher verkaufen, weil es faktisch zu einer Übergabe im Mittelmeer kommt. Camporini: „Wir haben innerhalb von 24 Stunden 2.000 Flüchtlinge gerettet. Ich hoffe, dass dies nicht zum Durchschnitt wird. Denn das würden hunderttausende Flüchtlinge pro Jahr bedeuten. Dann kann die EU ihre Quotenregelung nicht aufrechterhalten, weil die Integration von so vielen Menschen nicht nachhaltig geleistet werden kann – selbst wenn die EU zu einer gerechteren Verteilung in den Mitgliedsstaaten kommen würde.“ Der Militäreinsatz sei eine symbolische Geste, mit der die EU-Regierungen den Bürgern den Eindruck vermitteln wollten, sie würden etwas Konkretes unternehmen.

Camporini hält auch nichts vom Einsatz militärischer Gewalt: Libyen werde seit dem Sturz von Ghaddafi von rivalisierenden Stämmen beherrscht.

Die EU müsse sich mit dieser Realität auseinandersetzen und mit allen lokalen Behörden kooperieren. Camporini ist heute für das italienische Energierunternehmen ENI tätig. Mit ENI habe man einen Weg gefunden, mit den Behörden in Tobruk zu kooperieren: „ENI ist erfolgreich, nicht, weil das Unternehmen Schmiergelder an die lokalen politischen Führer gezahlt hat, sondern weil es ihnen gelungen ist, die Libyer davon zu überzeugen, dass eine Zusammenarbeit zu ihrem Vorteil ist.“

Die EU und die UN hätten die Regierung in Tobruk als die einzig legitime anerkannt. Diese werde jedoch nicht von den rivalisierenden Regierungen in Tripolis oder Misrata anerkannt. Es sei daher zu erwarten, dass militärische Aktionen der EU zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit diesen Regierungen führen würden, wodurch die EU unversehens in einen Krieg in Nordafrika gezogen werden könnte.

Camporini teilt auch die Befürchtungen von Menschenrechtsorganisationen: Er sagte, er erwarte, dass die Schmuggler die Migranten als „menschliche Schutzschilder“ einsetzen würden, sollten die Boote tatsächlich beschossen werden.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...

DWN
Finanzen
Finanzen Nach Trumps missglücktem Finanztrick: Stillstand der US-Regierung doch noch abgewendet
21.12.2024

Der US-Kongress hat einen drohenden Stillstand der Regierungsgeschäfte im letzten Moment abgewendet. Nach dem Repräsentantenhaus...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Griechenlands Wirtschaft boomt: Erfolgreiche Steuerreformen und starke Investitionen treiben den Aufschwung
21.12.2024

Griechenlands Wirtschaft überrascht: Für 2025 erwartet das Land einen Haushaltsüberschuss von 13,5 Milliarden Euro – mehr als doppelt...

DWN
Panorama
Panorama Winterurlaub in Gefahr: Weniger Gäste in den Alpen erwartet
21.12.2024

Die Alpenregion, ein traditionell beliebtes Ziel für Wintersport und Erholung, steht in der neuen Saison vor Herausforderungen. Weniger...