Politik

Euro abschaffen: Sarah Wagenknecht verliert den Glauben an die EU

Lesezeit: 3 min
21.08.2015 12:11
Die künftige Fraktionsvorsitzende der Links-Partei, Sarah Wagenknecht, stellt den Euro und die weitere europäische Integration offen in Frage: Sie sagt, an Griechenland zeige sich, dass der Euro nicht funktioniert. Sie ist gegen die weitere Abgabe von nationaler Souveränität an die EU. Bisher hat sich noch keine im Bundestag vertretene PolitikerIn so klar gegen den Euro und die EU positioniert.
Euro abschaffen: Sarah Wagenknecht verliert den Glauben an die EU

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die künftige Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, stellt den Euro als europäische Gemeinschaftswährung infrage. «Es zeigt sich einfach, dass der Euro nicht funktioniert, sondern immer größere wirtschaftliche Ungleichgewichte erzeugt, und am dramatischsten zeigt sich das eben in Griechenland», sagte Wagenknecht der Zeitung Die Welt. «Darum beginnt in der Linken zu Recht eine Debatte darüber, welchen Spielraum eine Politik jenseits des neoliberalen Mainstreams im Rahmen des Euro überhaupt hat oder ob wir dieses Währungssystem nicht generell infrage stellen müssen.»

Die Führung der Links-Partei reagierte postwendend negativ auf die Aussagen von Wagenknecht und lehnt eine Diskussion über den Euro ab. 

Wagenknecht sagte, alles deute darauf hin, dass es in der Euro-Zone immer mehr Integrationsschritte geben werde, die jede nationale Souveränität erledigten. Als Beispiel nannte sie die Haushaltspolitik. «Die Währungsunion verengt die Spielräume der einzelnen Regierungen bis zur Handlungsunfähigkeit, das ist eine europaweite Abschaffung der Demokratie durch die Hintertür.» Deshalb müsse die Linke die Debatte führen, «ob sie sich dieser Logik weiterhin ausliefern will oder sich lieber für ein anderes Finanz- und Währungssystem stark macht».

Wagenknecht kritisiert die Pläne der EU und will die Rückkehr zu mehr nationaler Souveränität: «Alles deutet darauf hin, dass es immer mehr Integrationsschritte gibt, die jede nationale Souveränität erledigen. Wenn in Zukunft die Haushalts- und sogar die Lohnpolitik in den Mitgliedsstaaten von EU-Technokraten gesteuert werden soll, dann gibt es letztlich keinen Raum mehr für demokratische Entscheidungen, und die Ergebnisse von Wahlen werden so irrelevant, wie wir das gerade in Griechenland erleben.»

Wagenknecht ist Wortführerin des linken Parteiflügels und soll im Oktober gemeinsam mit Dietmar Bartsch den scheidenden Fraktionschef Gregor Gysi beerben.

Sollte sich ihre euro-skeptische Position durchsetzen, dann würde dies eine rot-rot-grüne Koalition nach der nächsten Bundestagswahl deutlich erschweren. Denn die SPD und die Grünen unterstützen den Euro ohne Wenn und Aber und setzen zur Lösung der Probleme auf eine massive Vertiefung der Integration in der EU.

Die erstaunlich radikale Abkehr der Links-Partei von der EU hatte sich bereits vor einiger Zeit angedeutet. So schrieben die Vordenkerinnen der Links-Partei, Janine Wissler und Nicole Gohlke, im Neuen Deutschland, in einem sehr interessanten Beitrag:

Welche Fragen müssen wir uns daher in der EU-Debatte neu stellen? DIE LINKE in Deutschland hat auch deswegen oft Schwierigkeiten, die EU als imperiales Projekt zu kritisieren, weil diese als eine historische Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg dargestellt wird. Nach den Weltkriegen hätten sich die verfeindeten Großmächte demnach zu einem Bündnis zusammengeschlossen, das künftige militärische Konflikte unmöglich mache. Philosophen wie Jürgen Habermas haben die EU in diesem Sinne als post-nationales Konstrukt und als Alternative zur Rückkehr zum Nationalstaat gepriesen. Doch auch wenn sich durch die EU die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten stark verändert haben, hat sich die wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den Staaten dadurch eben nicht vermindert, vor einer Woche bei den »Verhandlungen« zum Griechenland-Paket sind sie für jeden offensichtlich und unverbrämt zu Tage getreten.

...

Es ist an der Zeit, dass wir die EU-Politik zum Gegenstand der real existierenden sozialen Kämpfe in den verschiedenen Mitgliedsstaaten machen, statt abstrakt von einer »sozialen EU« zu sprechen, für die es in absehbarer Zeit keine Bewegung geben wird. Unsere Politik muss dazu beitragen, gesamteuropäische Netzwerke und Solidarität zwischen den politischen AkteurInnen und den politischen AktivistInnen in europäischen, nationalen, regionalen oder kommunalen Bewegungen zu schaffen, zu erhalten und zu vertiefen. Nach der Unterwerfung Griechenlands unter das Diktat der Institutionen ist es unwahrscheinlich und unangemessen zu erwarten, dass sich die GenossInnen in der Europäischen Linken weiterhin positiv auf den Euro oder die EU beziehen, denn die Mitgliedschaft in der Eurozone hat sich als Erpressungsinstrument für die Durchsetzung von Austeritätspolitik entpuppt.

In der Sache hat Sahra Wagenknecht nur teilweise recht: Nicht der Euro allein ist das Problem. Der Banken- und Finanzexperte Achim Dübel von Finpolconsult analysiert für die Deutschen Wirtschafts Nachrichten das Problem, das in der Verschuldungstechnik der Staaten und der Rolle des IWF liegt:

«Wenn Italien oder Griechenland den Euro nicht hätten, dann würden sich die Regierungen trotzdem in Euro verschulden. Gebietskörperschaften in Ungarn und Polen sind hoch in Schweizer Franken verschuldet, andere europaeische Staaten wie Rumänien und Bulgarien in Euro, die Türkei, Mexiko und Argentinien in US-Dollar. Diese Währungen sind Reservewährungen, aus offizieller und aus Investorensicht, weshalb unter anderem die Realzinssätze deutlich niedriger sind.

Weil die Bankenregulierung - von unserer Politik - dazu gebracht wurde, Staatskredit als absolut sicher anzusehen, geben die Banken in Reservewährung faktisch unbegrenzt Kredit, und die Investoren kaufen faktisch unbegrenzt Bonds. Bei einem Ausfall auf Schulden in Reservewährung tritt seit dem Zweiten Weltkrieg stets der IWF auf den Plan – der genau als eine Währungstauschinstitution zur Begleichung der Schulden in Reservewährung ist. Die Regierung druckt Geld und bekommt Reservewährung - und Konditionalität des IWF (siehe dazu auch die aktuelle Diskussion über China im IWF-Währungskorb, die genau mit diesem Problem zusammenhängt, Anm. d. Red.)

Das galt selbst zu Zeiten des kalten Kriegs und der ideologischen Machtblöcke. Wer also etwas an der Konditionalität ändern will, wenn es denn sinnvoll ist, und manchmal ist es das, muss nicht die Währung ersetzen, sondern das System öffentlicher Schuldenübernahme von privaten Schulden gegenüber diesen Staaten durch den IWF (inzwischen auch ESM etc).

Wichtig wäre zumindest eine klare Selbstbeteiligung der Investoren. Die Weiterentwicklung des ESM zu einem Europäischen Währungsfonds wäre eine Möglichkeit, gerade im Hinblick auf die hohe Verschuldung in Euro auch von Nicht-Euro-Staaten (Bulgarien) und die rasche Expedierung aus dem Euro bei Griechenland.»


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...