Gemischtes

Tausende Flüchtlinge aus Ungarn erreichen Österreich

Lesezeit: 2 min
05.09.2015 10:20
Nach Zusagen aus Deutschland und Österreich zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Ungarn haben am Samstagmorgen Tausende Menschen die österreichische Grenze erreicht. Die erschöpften Migranten wurden von den ungarischen Behörden mit Bussen zur Grenze gebracht, überquerten sie zu Fuß und wurden auf der österreichischen Seite von Helfern mit Wasser und Nahrungsmitteln empfangen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nach Polizeiangaben kamen bis zum Morgen etwa 2000 Menschen an. Die Zahl könne sich aber im Laufe des Tages mehr als verdoppeln. Im Grenzort Nickelsdorf wurden zwei Sonderzüge bereitgestellt, um die Flüchtlinge nach Wien zu bringen. Viele von ihnen wollen nach Deutschland weiterreisen.

In Ungarn herrschten tagelang chaotische Zustände, weil sich viele Flüchtlinge weigerten, sich von den Behörden registrieren zu lassen. Nach EU-Regeln ist das Land für Neuankömmlinge zuständig, in dem sie zuerst den Boden der Gemeinschaft betreten. Die Regierung in Budapest wollte zunächst die Flüchtlinge aufhalten. Mit der Bereitstellung von Bussen gestand sie aber faktisch ein, die Kontrolle verloren zu haben. Die Lage war eskaliert, als am Freitag mehr als 1000 Flüchtlinge von Budapest aus zu einem Fußmarsch auf der Autobahn ins knapp 200 Kilometer entfernte Österreich aufbrachen.

Ihre Entscheidung, die Menschen doch ausreisen zu lassen, begründeten die ungarischen Behörden mit der Verkehrssicherheit. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann erklärte indes auf Facebook: "Aufgrund der heutigen Notlage an der ungarischen Grenze stimmen Österreich und Deutschland in diesem Fall einer Weiterreise der Flüchtlinge in ihre Länder zu." Ein deutscher Regierungssprecher bestätigte die Übereinkunft. Wie viele Flüchtlinge von der Entscheidung betroffen sind und wie lange diese gilt, ist unklar.

Der Budapester Ostbahnhof, wo Flüchtlinge seit Tagen ausharrten, leerte sich rasch. Lächelnd bestiegen die Menschen die Busse Richtung Westen. Zurück blieben Schuhe, Kleidungsstücke und Matratzen. Das österreichische Rote Kreuz erklärte, in Nickelsdorf auch Betten bereitzuhalten und die Flüchtlinge medizinisch zu betreuen.

Die ungarische Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban hat Deutschland für die chaotische Lage in seinem Land verantwortlich gemacht. Hintergrund ist die Zusage der Bundesrepublik, Syrer nicht in andere EU-Staaten zurückzuschicken. Auch deswegen wollen viele Flüchtlinge von Österreich aus weiterreisen. "Wir sind glücklich. Wir werden nach Deutschland gehen", sagte etwa ein Syrer am Morgen bei der Ankunft an der Grenze. Beim Fußmarsch auf der Autobahn hatten Flüchtlinge am Freitag Bilder von Kanzlerin Angela Merkel gezeigt.

Die Bundesregierung hat die Kritik aus Ungarn zurückgewiesen. Sie fordert wie etwa Frankreich eine verbindliche Quote zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Eine Einigung ist wegen des Widerstandes vor allem osteuropäischer Länder nicht in Sicht. Die Bundesregierung erwartet in diesem Jahr nach eigenen Angaben 800.000 Neuankömmlinge. Manche Landespolitiker gehen von einer Million aus. Viele von ihnen kommen aus Balkenstaaten und haben praktisch keine Chance auf Asyl.

Deutschland nimmt in Europa mit Abstand die meisten Flüchtlinge auf. Am Sonntag trifft sich die große Koalition in Berlin, um die Krise zu beraten. Viele Gemeinden sind überfordert und müssen Flüchtlinge in Zeltstädten unterbringen oder Sporthallen umfunktionieren. Merkel hatte am Montag erklärt: "Deutschland ist ein starkes Land. Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das." Steuererhöhungen schloss sie nun trotz der Milliardenkosten aus. "Wir werden keine Steuern erhöhen", sagte sie in einem Interview der Funke-Mediengruppe auf eine entsprechende Frage. Die Regierung habe dennoch weiter das Ziel, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...