Der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer, analysiert im Brief an seine Kunden:
Seit Mitte 2014 wird die Zinswende verschoben. Das Thema wurde zum Dauerbrenner der USD-Stärke gegenüber europäischen Währungen, aber auch gegenüber den Währungen der Schwellenländer. Nun geht das Thema in die x-te Verlängerung. Wir nehmen das zur Kenntnis.
Der Offenmarktausschuss der Federal Reserve hat mit 9:1 Stimmen für eine Beibehaltung der Niedrigzinspolitik (Fed Funds Rate 0,00% - 0,25%) votiert.
Maßgeblicher Hintergrund der Entscheidung war der Verweis auf Unsicherheiten des globalen Umfelds mit potentiell negativen Folgen für die US-Wirtschaft.
Fraglos gibt es diese Unsicherheiten. Fakt ist, dass die US-Wirtschaft unter den großen Wirtschaftsnationen die stärkste Verfehlung der Wachstumsprognosen gegenüber dem Jahresanfang zu verzeichnen hat.
Chinas BIP-Prognose wurden von gut 7,0% auf circa 6,7% reduziert und die US-BIP-Prognose von mehr als 3% auf jetzt 2,1%. Liegt das Problem der Weltwirtschaft nun in China oder in den USA Frau Yellen?
Wir empfehlen den Worten des chinesischen Finanzministeriums zu lauschen. Heutiger O-Ton: Die Erholung der US-Wirtschaft sei nicht stabil.
Sehr geehrte Frau Yellen, Sie blenden auch aus, dass dieser gegenüber Jahresanfang verringerte US-Wachstumspfad mit öffentlichen Haushaltsdefiziten in der Größenordnung von circa 4,5% (Eurozone voraussichtlich bei circa 2% oder weniger)erarbeitet wird. Was sagt das über die Qualität der wirtschaftlichen Expansion aus?
Der Konjunkturausblick der Federal Reserve bleibt moderat positiv geprägt. Das schwache Inflationsbild wird als vorübergehend klassifiziert.
Kenntnisnahme erfolgt – der Trackrecord der Fed-Prognostik wird dabei von uns im Hintergrund nicht ignoriert.
Implizit wurde die Bedeutung der USD-Bewertung angesprochen, indem darauf verwiesen wurde, dass die Nettoexporte das Wachstum im 1.Halbjahr belasteten.
Damit macht die US-Zentralbank implizit deutlich, dass eine weitere Befestigung des USD nicht auf dem Wunschzettel der US-Zentralbank steht.
Auch die Turbulenzen an den Finanzmärkten wurden als Risiko für das Konjunkturbild der USA thematisiert.
Die USA haben eine „Asset-driven Economy“, eine Konjunktur, die von der Bewertung wesentlicher Aktiva (Aktien, Immobilien) abhängig ist und von hoher Konsumverschuldung geprägt ist. Ergo gibt es ein Interesse an stabilen hohen Bewertungen dieser Aktiva.
Weitere Verbesserungen am Arbeitsmarkt und in der Gesamtwirtschaft seien erforderlich, um die Zinswende einzuleiten, die angemessen und schrittweise umgesetzt würde.
Die Frage ist, ob der Offenmarktausschuss sich nur die Nonfarm-Payrolls und die Quote U-3 anschaut oder auch auf die eingebrochene Partizipationsrate (Tiefpunkt seit 70er Jahren), die Quote U-6 (10,3%), die Vergleichbarkeit mit dem Pendant der Eurozone erlaubt, oder das Maß der Unterbeschäftigung schaut.
Man könnte bei vollständiger Betrachtung der Datensätze auch zu einem nahezu vollständig anderen Bild kommen. Der Beginn der Zinswende wird von der Mehrheit der Ausschussmitglieder noch in diesem Jahr sein.
Wir sind skeptisch, wir schließen es aber nicht aus.
Die Entscheidung sei datenabhängig, der Oktobertermin sei denkbar. Die Unsicherheit bei der Konjunktureinschätzung sei jedoch erheblich.
Ein Teilnehmer setzte sich für die Implementierung von Negativzinsen ein.
Hinsichtlich der strukturellen Defizite in den USA ist es zunehmend unwahrscheinlich, dass die Konjunkturerwartungen des Offenmarktausschusses voll erfüllt werden. Vor diesem Hintergrund sind maximale und vor allen Dingen temporäre Zinserhöhungen bis zu 0,50% nach wie vor nicht vollständig auszuschließen. Damit bleibt die Sichtweise aus unserem Jahresausblick 2015 valide.
Die aktuelle Sitzung weist Merkmale auf, die mit dem Einstieg in den Ausstieg aus einer nachhaltigen Zinswende der Federal Reserve in Verbindung gebracht werden dürfen.