Die allermeisten kleinen und mittelgroßen Banken in Deutschland kommen trotz massiver Gewinneinbußen auch in den nächsten Jahren mit niedrigen Zinsen zurecht. "Die Ertragslage der Banken ist sehr ernst", sagte der für Bankenaufsicht zuständige BaFin-Direktor Raimund Röseler am Freitag bei der Vorstellung der Ergebnisse eines Stresstests in Frankfurt. Die Institute selbst gehen bis 2019 im Schnitt von einem Gewinnrückgang um 25 Prozent vor Steuern aus. Wenn die Zinsen so niedrig bleiben oder weiter abrutschen, müssen sie sich nach Berechnungen ihrer Aufseher sogar auf einen Einbruch um 50 bis 75 Prozent einstellen. "Aber die meisten Banken haben inzwischen genügend Speck angelegt, um die Niedrigzinsphase überstehen zu können", sagte Röseler.
Bundesbank und BaFin hatten 1500 Sparkassen, Genossenschafts- und Privatbanken unter die Lupe genommen, die nicht direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht werden. Gerade diese kleineren Institute seien als Kreditgeber das "Rückgrat des deutschen Mittelstandes". Sie stehen für rund ein Viertel des Bankenmarktes. Im vergangenen Jahr hatten sie zusammen zehn Milliarden Euro verdient. Die 21 Großbanken, die unter der EZB-Aufsicht stehen, könnten niedrige Zinsen besser abpuffern, sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret.
Die anfälligsten unter den kleinen Instituten will die BaFin künftig genauer überwachen, wie Röseler ankündigte. 40 von ihnen drohten spätestens im Jahr 2019 Verluste, wenn die Leitzinsen bis dahin nicht wieder steigen. "Es gibt deutsche Banken, deren Geschäftsmodell schon heute in Frage steht", sagte Dombret. Im "Worst-Case-Szenario", einem weiteren Zinsrückgang, bei dem die Banken nicht gegensteuerten, würde sogar jede fünften der 1500 Banken Verluste schreiben. Dennoch erfüllten die meisten auch in diesem unwahrscheinlichen Fall die Kapitalanforderungen noch. "Mit dem Ausfall eines Instituts ist nicht zu rechnen", sagte Dombret. Gerade Volksbanken und Sparkassen hätten ausreichend stille Reserven und Kapitalpuffer, um die Verluste aufzufangen.
ABKEHR VON GRATIS-GIROKONTEN?
Dombret und Röseler appellierten dennoch an die Banken, sich weniger von Zinsen abhängig zu machen. Gratis-Girokonten könnten bald der Vergangenheit angehören. "Es geht um die Durchsetzung kosten- und risikogerechter Preise", sagte der BaFin-Direktor. Mehr als die Hälfte der befragten Banken hätten die Provisionen wegen der niedrigen Zinsen schon erhöht. Auch die Kosten könnten noch weiter gedrückt werden. Eine große Fusionswelle erwarte er nicht, sagte Röseler. Eher würden Banken weiter schrumpfen oder das Geschäft aufgeben.
Die Banken selbst zogen eine positive Bilanz: Die Ergebnisse des Stresstests zeigten, dass die Institute stabil und auch im Dauerstress durch die niedrigen Zinsen widerstandsfähig seien, erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft. Die Sorgen der Aufseher seien unbegründet. Die EZB müsse ihre expansive Geldpolitik aber sachte zurückfahren. Denn auch bei einer abrupten Zinserhöhung drohen den Banken nach dem Stresstest Gewinneinbußen von zehn Prozent.