Politik

USA leiten strafrechtliche Ermittlungen gegen VW ein

Die USA leiten offenbar nun auch strafrechtliche Ermittlungen gegen VW ein. Verkehrsminister Dobrindt hat eine Nachuntersuchung aller VW-Dieselmodelle angeordnet. Der Börsenwert von VW wurde an nur einem Tag um 14 Milliarden Euro vermindert.
21.09.2015 22:03
Lesezeit: 3 min

Der deutsche Autohersteller Volkswagen (VW) muss im Skandal um gefälschte Abgaswerte laut einem Medienbericht auch strafrechtliche Konsequenzen fürchten. Das US-Justizministerium ermittle, ob dem Konzern kriminelle Machenschaften vorzuwerfen seien, meldete der Finanzdienst Bloomberg am Montag unter Berufung auf zwei mit der Untersuchung vertraute Personen. VW war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die US-Umweltbehörde EPA wirft dem Konzern die Manipulation von Schadstoffmessungen bei Dieselfahrzeugen vor, es drohen milliardenschwere Strafzahlungen. Die Wolfsburger haben das Fehlverhalten bereits eingeräumt und versprachen, mit der Behörde zu kooperieren. Der Konzern erließ zudem einen Verkaufsstopp für die betreffenden Modelle in den USA.

Die manipulierten Abgastests bei VW-Dieselwagen in den USA schrecken die gesamte Autobranche auf und erschüttern das Vertrauen der Anleger. An der Frankfurter Börse verlor das Papier von Europas größtem Autobauer am Montag zeitweise mehr als ein Fünftel an Wert und zog auch die Titel anderer Hersteller mit in die Tiefe. Am Handelsende stand noch ein Minus von 18,60 Prozent für die VW-Aktie zu Buche. Das bedeutete einen Börsenwert-Verlust von etwa 14 Milliarden Euro für den Konzern.

Neben einem Imageverlust drohen Volkswagen Strafzahlungen von bis zu 18 Milliarden Dollar, Rückrufkosten sowie mögliche Regressansprüche von enttäuschten Kunden und Aktionären. Volkswagen erließ einen Verkaufsstopp für die betroffenen Modelle in den USA. Am Mittwoch will sich der innerste Zirkel des Aufsichtsrats bei einem Krisentreffen mit dem Thema beschäftigten, verlautete aus VW-Kreisen.

Am Wochenende hatte Volkswagen eingeräumt, dass Abgaswerte von Diesel-Autos in den USA für Fahrzeugtests manipuliert worden waren. VW-Chef Martin Winterkorn hatte eine externe Untersuchung und eine rasche Aufklärung zugesagt. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte, die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Er warnte zugleich vor Vorverurteilungen. «Wir gucken uns in den nächsten Tagen an, was passiert ist, wer die Verantwortung trägt», sagte er am Montag auf der IAA in Frankfurt.

Dass es dabei nicht um einen Sachbearbeiter gehe, sei klar. Aber jetzt schon den Abschied von Volkswagen-Chef Martin Winterkorn zu fordern, sei ein Unding. «Ich stehe zu Herrn Dr. Winterkorn», sagte Osterloh. Winterkorn stehe an der Spitze und müsse das Thema aufklären. Wenn herauskommen sollte, dass Winterkorn an dem Skandal beteiligt ist, werde er von alleine zurücktreten.

Am Freitag steht bei der VW-Aufsichtsratssitzung die angekündigte Vertragsverlängerung Winterkorns auf der Tagesordnung. Winterkorn hatte im Frühjahr einen Machtkampf mit dem damaligen Aufsichtratschef Ferdinand Piëch gewonnen.

«Die gegen VW in den USA erhobenen Vorwürfe wiegen schwer», sagte Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Kontrolleur Stephan Weil (SPD), der Mitglied im Präsidium des Aufsichtsrates von VW ist.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach mit Winterkorn über den Abgas-Skandal, wie das Bundesverkehrsministerium am Abend mitteilte. Dobrindt werde das Kraftfahrt-Bundesamt anweisen, bei den VW-Dieselmodellen nun umgehend strenge spezifische Nachprüfungen durch unabhängige Gutachter zu veranlassen. Winterkorn habe für diese Tests seine absolute Unterstützung zugesagt.

Die grüne Fraktionschefin im Europaparlament, Rebecca Harms, hielt dem VW-Konzern «handfesten Betrug und Umweltkriminalität» vor und forderte die EU-Kommission zur Klärung der Frage auf, ob auch in der EU derartige Testverfahren manipuliert werden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte die Überprüfung sämtlicher Diesel-Modelle neuerer Bauart auf dem VW-Heimatmarkt.

Dagegen erklärte eine Sprecherin der Brüsseler EU-Kommission: «Es ist zu früh, um etwas darüber zu sagen, ob irgendwelche besonderen sofortigen Überwachungsmaßnahmen in Europa nötig sind und ob von Volkswagen in Europa verkaufte Fahrzeuge ebenfalls betroffen sind.»

Derzeit könne der in Tests gemessene Schadstoff-Ausstoß von Diesel-Wagen beträchtlich vom Ausstoß beim Fahren auf der Straße abweichen - aber «ohne jedes Fehlverhalten». Daher gelten ab 2016 neue EU-Regeln für Tests unter realistischeren Bedingungen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sorgt sich um den Ruf der deutschen Automobilindustrie und vor allem Volkswagens, meinte jedoch: «Ich bin aber sicher, dass das Unternehmen schnell und restlos den Fall aufklären und die denkbar eingetreten Schäden wieder gut machen wird.» Unklar sind die Auswirkungen auf den Absatz von Diesel-Wagen anderer deutscher Anbieter in den USA. Die Autobauer BMW und Daimler sind nach eigenen Angaben nicht betroffen.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) äußerte massive Kritik an VW. «Das Bestreben von Volkswagen, bis 2018 zum umweltfreundlichsten Autokonzern der Welt zu werden, ist stark beschädigt», sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Seine Organisation kritisiere seit langem, dass die Abgaswerte vieler Fahrzeuge nur auf dem Prüfstand eingehalten und in der Praxis deutlich überschritten würden. Es sei naheliegend, «dass neben VW auch andere Hersteller manipulieren und zwar auch in Europa», ergänzte Miller laut Mitteilung. Die EU-Kommission und die Bundesregierung müssten dem nun schleunigst nachgehen, Abgastests anpassen «und diese um Messungen im realen Fahrbetrieb erweitern».

Ähnlich sieht es der Verkehrsclub Deutschland. Was Experten schon seit langem vermuteten und Umweltverbände wiederholt kritisierten, sei nun Gewissheit: «Autohersteller betrügen bei Abgastests.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik US-Zölle als Wirtschaftskrieg: Trump zielt auf Europas Wohlstand
15.07.2025

Mit 30-Prozent-Zöllen will Donald Trump die europäische Wirtschaft in die Knie zwingen – und trifft damit ausgerechnet die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas seltene Chance: Schwedisches Metallvorkommen soll Abhängigkeit von China brechen
15.07.2025

In Schwedens Norden liegt Europas größte Hoffnung auf Rohstoffsouveränität. Doch der Fund der Seltenen Erden birgt Zielkonflikte,...

DWN
Immobilien
Immobilien Grunderwerbsteuer sparen: So zahlen Käufer weniger beim Immobilienkauf
15.07.2025

Der Kauf einer Immobilie wird schnell teurer als geplant – oft durch hohe Nebenkosten. Besonders die Grunderwerbsteuer kann kräftig...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Zuckerberg kündigt Mega-Rechenzentren an
15.07.2025

Mark Zuckerberg treibt den KI-Wettlauf in eine neue Dimension. Der Meta-Chef kündigt gigantische Rechenzentren an und will dabei selbst...

DWN
Politik
Politik Jetzt unterstützt Trump die Ukraine: Ist das die Wende?
15.07.2025

Donald Trump vollzieht die Wende: Plötzlich verspricht er der Ukraine modernste Waffen – auf Europas Kosten. Russland droht er mit...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche fahren wieder mehr Auto
15.07.2025

Deutschland erlebt eine Kehrtwende beim Autofahren: Nach Jahren des Rückgangs steigen die gefahrenen Kilometer wieder – obwohl einzelne...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldverbot 2025: Panikmache oder reale Gefahr für Ihr Gold?
15.07.2025

Mehrere Goldhändler warnen vor einem staatlichen Zugriff auf Barren und Krügerrands – Millionen Anleger fürchten um ihre Ersparnisse....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle sollen bleiben – weil er sie als Erfolg verbucht
15.07.2025

Donald Trump sieht seine Zollpolitik als Erfolg – und will sie verschärfen. Was der transatlantische Handelskrieg für Europa,...