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Salman Rushdie: Kampf um Meinungsfreiheit fühlt sich manchmal an wie Krieg

Der von radikalen Muslimen immer noch mit einer Fatwa belegte Schriftsteller Salman Rushdie hat bei der Frankfurter Buchmesse eine Lanze für die Meinungsfreiheit gebrochen. Man dürfe alles sagen, weil es keine objektive Wahrheit gäbe. Die Idee von Verlegern, Büchern mit einem Warnhinweis zu versehen, hält er für Unsinn.
13.10.2015 17:38
Lesezeit: 2 min

Man kann über alles diskutieren – außer über Meinungsfreiheit: Mit einem leidenschaftlichen Appell, dieses Menschenrecht stets aufs Neue zu verteidigen, hat der mit dem Tode bedrohte Autor Salman Rushdie die Frankfurter Buchmesse eröffnet. „Die Freiheit des Wortes ist ein universelles Recht der Menschheit“, sagte der 68-Jährige bei der Eröffnungspressekonferenz am Dienstag. „Ohne diese Freiheit muss jede andere Freiheit scheitern.“

Wie nötig der Kampf um Meinungsfreiheit ist, zeigt allein die Tatsache, dass der Iran aus Protest gegen Rushdies Auftritt die Buchmesse abgesagt hat. In diesem Land war der indischstämmige Autor vor 26 Jahren in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Radikale Muslime hatten sein Buch „Die Satanischen Verse“ als gotteslästerlich empfunden. Die „Fatwa“ wurde bis heute nicht offiziell aufgehoben.

Auch sein neues Buch „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ richte sich indirekt gegen religiöse Werte und Überzeugungen, hatte das iranische Kultusministerium den Rückzug aus Frankfurt begründet. Einige iranische Verleger werden laut Buchmesse trotzdem kommen. Die Absage habe ihn „sehr enttäuscht“, bekräftigte Buchmessen-Direktor Juergen Boos. „Aber die Freiheit des Wortes ist nicht verhandelbar.“

Rushdie hat eine Reise unterbrochen, um für wenige Stunden in Frankfurt zwischenzulanden. Bescheiden betritt er durch einen Nebeneingang den überfüllten Presseraum. Sein Platz ist so von Fotografen und Filmteams umlagert, dass die Zuhörer sein Kommen kaum bemerken. Ein zaghafter Versuch, vor der Rede ein Autogramm zu ergattern, wird von den Sicherheitskräften sofort unterbunden. Nach einer knapp 20-minütigen, auf Englisch gehaltenen Rede wird Rushdie, ohne Fragen zu beantworten, zum Flughafen zurückgebracht.

Bücher zu verlegen ist die Verkörperung der Meinungsfreiheit“, begründet er seinen Blitzbesuch. Dieser Job sei schwerer geworden. „Manchmal fühlt es sich an wie Krieg.“ Nicht nur Gewalt und Angst bedrohten das freie Wort – auch übertriebene „Political Correctness“ sei eine ernstzunehmende Gefahr. In den USA denke man darüber nach, Bücher mit Warnhinweisen zu versehen, dass die darin enthaltenen Ideen den Leser herausfordern könnten. „Das wäre lustig, wenn es nicht so wenig lustig wäre.“

Die Meinungsfreiheit müsse nicht nur in Diktaturen erkämpft, sondern auch dort verteidigt werden, wo sie so selbstverständlich sei „wie die Luft, die wir atmen“, betont der Booker Prize-Gewinner. „Die mächtigste Gefahr für die Meinungsfreiheit ist die Idee, dass diese Freiheit kultur-spezifisch ist: dass sie etwas ist, das WIR für richtig halten, aber Andere hätten das Recht, das anders zu sehen. Das ist falsch: Meinungsfreiheit ist universell.“

Radikale hätten Angst vor Literatur. „Wenn Sie an eine einzige Version der Wahrheit glauben, und versuchen, diese anderen aufzuzwingen, werden Menschen, die verschiedene Versionen der Wahrheit anbieten, zu Ihren Feinden.“ Aber Literatur sei langlebig, sagt Rushdie und zählt Bücher auf, die allesamt die Diktaturen überlebten, in denen sie verboten waren. „Literatur ist stark, aber Autoren sind schwach. Ihre Leben können zerstört werden, selbst wenn ihre Werke bleiben. Das ist kein großer Trost, wenn man tot ist.“

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