Politik

Neue Taktik des Terrors in Europa: Angriff auf „weiche Ziele“

Die Europäer werden sich an die neue Taktik des Terrors gewöhnen müssen: In anderen Erdteilen kennt man die Angriffe auf „weiche Ziele“ seit längerem. Die Erfahrung zeigt: Nur ein radikaler Schutz der Außengrenzen kann die Unterwanderung von innen verhindern.
14.11.2015 15:37
Lesezeit: 2 min

Aditya Phatak von der AFP hat eine interessante Analyse aufgeschrieben, in der sie die Parallelen der Anschläge von Paris und Mumbai zeigt:

Die Einwohner der indischen Millionenmetropole Mumbai haben die Nachrichten von den Anschlägen in Paris mit besonderer Betroffenheit aufgenommen. Vor sieben Jahren, im November 2008, stürmten islamistische Gewalttäter in Mumbai Luxus-Hotels, einen Bahnhof, ein jüdisches Gemeindezentrum und mehrere Cafés. Da die Sicherheitskräfte die Lage lange nicht in den Griff bekamen, wurde die City von Mumbai für 60 Stunden in einer Art Kriegsgebiet verwandelt. Die Attentäter töteten insgesamt 166 Menschen.

"Wut steigt in mir hoch, wenn die aktuellen Bilder, Videos und Chats den Horror jener Nacht wieder wachrufen", sagt Sourav Mishra, der bei den Anschlägen vom 26. November 2008 verletzt wurde. Mishra saß damals mit Freunden im Leopold-Café bei einem Bier, als zwei Bewaffnete hereinstürmten. "Eben noch hatte ich mit meinen Freunden geredet, jetzt zischten Kugeln an mir vorbei und brachten anderen Gästen den Tod", erinnert er sich.

Bei dem Angriff auf den Bahnhof in Mumbai wurden damals bei einer 20-minütigen Schießerei fast 80 Menschen getötet. Die koordinierten Anschläge hätten bei allen Bewohnern der Stadt einen "psychologischen Effekt" hinterlassen, sagt der 39-jährige Manoj Singh, der damals für das indische Fernsehen arbeitete. Die jetzt von den Anschlägen in Paris ausgestrahlten Bilder zeigten "nicht alles" von den blutigen Anschlägen. Er aber könne "in meinem Kopf alle Bilder sehen, die sie nicht zeigen".

Nach den Anschlägen in Paris wurden die Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen und U-Bahn-Stationen in Mumbai und Neu Delhi verstärkt. Ein Sprecher des indischen Innenministeriums stellte aber klar, das sei das "reguläre Verfahren", spezifische Drohungen lägen nicht vor.

"Alle Erinnerungen sind wieder da", sagt Nirmala Ponnudurai, der nach den Anschlägen von 2008 ein Kugelsplitter aus dem Kopf operiert werden musste. "Auch nach all' den Jahren ist das nicht einfach." Die Erinnerungen seien "unvergesslich und schrecklich", sagt auch Chintan Sakariya, der damals zum Zeugen des Angriffs auf das jüdische Nariman-Gemeindezentrum wurde. Beim Lesen der Nachrichten aus Paris habe er eine Gänsehaut bekommen.

Terrorspezialisten verweisen auf starke Parallelen zwischen den Anschlägen von Mumbai und Paris. Da ist einerseits das koordinierte Vorgehen der Angreifer und zum anderen die Konzentration auf "weiche Ziele". Der Terror- und Sicherheitsexperte Sameer Patil weist darauf hin, dass in beiden Fällen belebte Plätze in einer "bedeutenden Stadt" angegriffen wurden.

Die Angreifer von Paris hätten "gleich geschossen" und an mehreren Stellen gleichzeitig zugeschlagen, mit einer solchen "Kampftaktik" könnten "selbst massivste Sicherheitsvorkehrungen ausgehebelt werden", sagte der deutsche Terror-Experte Rolf Tophoven. Eine ähnliche Strategie habe es in Mumbai gegeben, nun sei "diese kompromisslose Form des Terrrors auch mitten in Europa" eingesetzt worden.

Aus den Anschlägen von Mumbai seien sicher Konsequenzen gezogen worden, sagt der führere Vize-Chef des indischen Geheimdiensts, Vappala Balachandran. Aber selbst die "besser geschützten Länder" könnten die "Unterwanderung von innen" nicht verhindern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik US-Zölle als Wirtschaftskrieg: Trump zielt auf Europas Wohlstand
15.07.2025

Mit 30-Prozent-Zöllen will Donald Trump die europäische Wirtschaft in die Knie zwingen – und trifft damit ausgerechnet die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas seltene Chance: Schwedisches Metallvorkommen soll Abhängigkeit von China brechen
15.07.2025

In Schwedens Norden liegt Europas größte Hoffnung auf Rohstoffsouveränität. Doch der Fund der Seltenen Erden birgt Zielkonflikte,...

DWN
Immobilien
Immobilien Grunderwerbsteuer sparen: So zahlen Käufer weniger beim Immobilienkauf
15.07.2025

Der Kauf einer Immobilie wird schnell teurer als geplant – oft durch hohe Nebenkosten. Besonders die Grunderwerbsteuer kann kräftig...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Zuckerberg kündigt Mega-Rechenzentren an
15.07.2025

Mark Zuckerberg treibt den KI-Wettlauf in eine neue Dimension. Der Meta-Chef kündigt gigantische Rechenzentren an und will dabei selbst...

DWN
Politik
Politik Jetzt unterstützt Trump die Ukraine: Ist das die Wende?
15.07.2025

Donald Trump vollzieht die Wende: Plötzlich verspricht er der Ukraine modernste Waffen – auf Europas Kosten. Russland droht er mit...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche fahren wieder mehr Auto
15.07.2025

Deutschland erlebt eine Kehrtwende beim Autofahren: Nach Jahren des Rückgangs steigen die gefahrenen Kilometer wieder – obwohl einzelne...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldverbot 2025: Panikmache oder reale Gefahr für Ihr Gold?
15.07.2025

Mehrere Goldhändler warnen vor einem staatlichen Zugriff auf Barren und Krügerrands – Millionen Anleger fürchten um ihre Ersparnisse....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle sollen bleiben – weil er sie als Erfolg verbucht
15.07.2025

Donald Trump sieht seine Zollpolitik als Erfolg – und will sie verschärfen. Was der transatlantische Handelskrieg für Europa,...