Der langjährige Audi-Chef Rupert Stadler bleibt trotz des VW-Abgasskandals an der Spitze der wichtigen Ingolstädter Konzerntochter. Die Aufsichtsräte beriefen am Donnerstagabend einen neuen Entwicklungsvorstand in Sachen Personal-Rochade für Audi, ließen Firmenchef Stadler aber ungeschoren. Der Spitzenmanager musste den Aufsehern zuvor wegen der Affäre um manipulierte Motorensteuerungen und massenhaft gefälschte Abgaswerte Rede und Antwort stehen. Das Unternehmen verkündete nach der Sitzung außerdem die Berufung des neuen VW-Chefs Matthias Müller zum Audi-Aufsichtsratschef.
Vor knapp zwei Wochen hatte Audi einräumen müssen, eine nach US-Recht illegale Software bei 3-Liter-Dieselmotoren eingebaut zu haben. Zuvor war man im Konzern davon ausgegangen, dass die Technik gesetzeskonform ist. Seit dem Eingeständnis steht Stadler im Fadenkreuz der Kritik. Der Audi-Chef gilt als Zögling des früheren VW-Miteigentümers und Konzernpatriarchen Ferdinand Piech. Der Kaufmann aus Oberbayern leitete zu Beginn seiner Karriere dessen Büro, bevor er Finanzchef bei Audi wurde und letztlich in Ingolstadt an die Firmenspitze aufstieg.
Prominentestes Opfer der Abgasaffäre an der Donau bleibt damit Ulrich Hackenberg. Der bisherige Entwicklungschef war bereits kaltgestellt, nun wird er endgültig durch Stefan Knirsch ersetzt, der bisher Leiter der Aggregateentwicklung war. Der 49-Jährige tritt seinen neuen Posten zum Jahreswechsel an.
Die Arbeitnehmervertreter lobten den Umgang der Audi-Spitze mit der Abgasaffäre. „Die Aufklärung geht voran“, erklärte der stellvertretende Aufsichtsratschef, der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber. „Das ist ein notwendiges und gutes Zeichen.“ Betriebsratschef Peter Mosch stärkte Stadler den Rücken. „Die bisher getroffenen Maßnahmen des Vorstands zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagte er. „Zudem müssen jetzt weiter Konsequenzen gezogen werden, damit so etwas nicht mehr passiert.“ Der neue Entwicklungschef Knirsch müsse Stadler bei der weiteren Aufklärung unterstützen.
Müller tritt seinen neuen Posten als Audi-Oberaufseher mit sofortiger Wirkung an, Huber bleibt sein Vize. Müllers Vorgänger als Audi-Aufsichtsratvorsitzender, der frühere VW-Chef Martin Winterkorn, war wegen des Abgasskandals von seinen Ämtern zurückgetreten. Auch VW-Patriarch Ferdinand Piech und seine Frau Ursula hatten sich nach dem Machtkampf bei Volkswagen aus dem Kontrollgremium zurückgezogen. In den Audi-Aufsichtsrat ziehen dafür andere Mitglieder der Eigentümerfamilie ein: Piechs Nichte Julia Kuhn-Piech, bereits Kontrolleurin bei der Konzerntochter MAN, sowie sein Neffe Josef Ahorner, der lange Jahre im Gesellschafterausschuss der Salzburger Porsche Holding saß.
Wie Audi mitteilte, scheidet Entwicklungschef Ulrich Hackenberg im Einvernehmen aus. Der 65 Jahre alte Manager, der sein komplettes Berufsleben bei Audi und VW verbracht hatte, hatte sich einem Insider zufolge gegen seine Suspendierung gewehrt. Nun verabschiedete ihn Audi mit Lob und Dank: Müller würdigte Hackenberg als „prägend für die technische Entwicklung des gesamten Volkswagen-Konzerns“. Von seiner Idee der modularen Baukästen profitiere heute der ganze Unternehmensverbund. Der neue Entwicklungschef Stefan Knirsch, ein 49-jähriger promovierter Werkstofftechniker, startete seine Karriere bei Audi. Später wechselte er zu Porsche, danach in den Rheinmetall-Konzern. 2013 kehrte er als Leiter der Aggregateentwicklung zu Audi zurück.
Unterdessen ist die Zahl der Volkswagen-Fahrzeuge mit falschen Kohlendioxid-Werten offenbar nicht so groß wie anfangs erklärt. Die Überprüfung sei zwar noch nicht abgeschlossen, „aber es haben sich viele CO2-Werte inzwischen durchaus als korrekt gemessen erwiesen“, sagte ein VW-Sprecher. Ein Zwischenstand der Untersuchungen werde voraussichtlich in der kommenden Woche im Rahmen einer Pressekonferenz veröffentlicht.