Politik

Front National: Stimmen-Rekord, aber keine Chance auf die Macht

Mehr Franzosen als je zuvor haben am Sonntag den Front National gewählt. Doch es reichte nicht für den Sieg in einer der Regionen. Die Taktik der Sozialisten und der Konservativen, in zwei besonders kritischen Regionen einen Wahlblock gegen Le Pen zu bilden, könnte auch als Blaupause für die Präsidentschaftswahl dienen. Le Pen muss vermutlich die absolute Mehrheit schaffen, um an die Macht zu kommen.
14.12.2015 00:27
Lesezeit: 2 min

Im zweiten und entscheidenden Wahlgang der französischen Regionalwahlen konnte der Front National am Sonntag keine einzige Region gewinnen. Parteichefin Marine Le Pen selbst unterlag in Nordfrankreich überraschend deutlich ihrem konservativen Kontrahenten. Zugleich erzielte die FN aber einen Stimmenrekord.

Die FN konnte mehr Wählerstimmen auf sich vereinen als jemals zuvor: Rund 6,6 Millionen Franzosen wählten die rechtsextreme Partei. Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 hatten rund 6,4 Millionen Franzosen für Marine Le Pen gestimmt. Damals hatte es die FN-Chefin nicht in die zweite Wahlrunde geschafft. Umfragen zufolge könnte ihr das bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 aber gelingen. Die jetzigen Regionalwahlen waren der letzte große Urnengang vor den Präsidentschaftswahlen und gelten deswegen als wichtiges Stimmungsbarometer.

Die Taktik der Sozialisten und der Konservativen, durch eine Art Wahlblock Le Pen zu verhindern, könnte auch ein Testlauf für die Präsidentschaftswahl werden. Es ist durchaus denkbar, dass die Sozialisten bei ihrem erwartbaren Ausscheiden vor der Stichwahl eine Wahlempfehlung für Nicolas Sarkozy ausgeben. Damit wäre Le Pen faktisch ohne Chance, in den Elysée-Palast einzuziehen. Nach der französischen Verfassung muss die mit zahlreichen Kompetenzen bis hin zum obersten Militärchef ausgestattete Spitze des Staats mit absoluter Mehrheit gewählt werden. Nach allen Umfragen hat Le Pen bisher keine Chance in einem zweiten Wahlgang gegen dann nur einen Gegner - egal, wie er heißen wird.

FN-Chefin Le Pen gab sich am Sonntagabend aber kämpferisch: "Nichts wird uns aufhalten können", rief sie ihren Anhängern zu. Der Aufstieg ihrer Partei sei "unabwendbar". "Der Front National hat die Zahl ihrer Vertreter in den Regionalparlamenten verdreifachen können und wird damit künftig die erste Oppositionskraft in den meisten Regionalparlamenten in Frankreich."

Das konservativ-bürgerliche Lager um Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy gewann laut Zahlen des Innenministeriums in sieben der 13 französischen Regionen und wurde damit stärkste Kraft. Die Sozialisten von Präsident François Hollande und verbündete Linksparteien gewannen in fünf Regionen - und konnten damit die Verluste kleiner halten als vorhergesagt. Auf der Mittelmeerinsel Korsika gewannen die Nationalisten.

Im ersten Wahlgang vor einer Woche war der Front National noch mit landesweit 28 Prozent stärkste Kraft geworden und hatte damit das beste Ergebnis seiner Geschichte erzielt. Landesweit landete der Front National nun mit rund 27 Prozent der Stimmen nur noch auf dem dritten Platz, hinter dem konservativ-bürgerlichen Lager mit knapp 41 Prozent und dem linken Lager mit knapp 30 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 59 Prozent und damit deutlich höher als in der ersten Runde.

Überraschend war die klare Niederlage von Parteichefin Le Pen, die als FN-Spitzenkandidatin in der Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie angetreten war. Im Duell gegen den konservativen Kandidaten Xavier Bertrand kam die Tochter von FN-Gründer Jean-Marie Le Pen auf lediglich knapp 43 Prozent, wie das Innenministerium nach Auszählung fast aller Stimmen mitteilte. Ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen unterlag in der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d'Azur ihrem konservativen Kontrahenten Christian Estrosi.

Für den zweiten Wahlgang hatten die Sozialisten in diesen beiden Regionen ihre Wahllisten zurückgezogen und riefen zur Wahl der konservativen Kandidaten auf, um der FN den Weg zu einem Sieg zu verbauen.

Der sozialistische Premierminister Manuel Valls dankte den linken Wählern am Sonntagabend, eine "Sperre" gegen die Rechtsextremen errichtet zu haben. Er mahnte zugleich: "Keine Erleichterung, kein Triumphgefühl. Die Gefahr der Rechtsextremen ist noch nicht gebannt."

Sarkozy konservativ-bürgerliches Lager gewann sieben Regionen: Neben Nord-Pas-de-Calais-Picardie und Provence-Alpes-Côte d'Azur auch die Regionen Elsass-Champagne-Ardenne-Lothringen, wo die FN ebenfalls gute Chancen hatte, Auvergne-Rhône-Alpes, Pays de la Loire, Normandie und die umkämpfte Hauptstadtregion Ile-de-France, wo bisher die Sozialisten den Regionalpräsidenten stellten. Die Sozialisten und verbündete Linksparteien gewannen die Regionen Bretagne, Aquitaine-Limousin-Poitou-Charentes, Languedoc-Roussillon-Midi-Pyrénées, Centre und Burgund-Franche-Comté.

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