Politik

Österreichs Wirtschaft: Russland-Sanktionen treffen die Falschen

Die österreichische Wirtschaft fordert ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland. Alle Bereiche der österreichischen Exportwirtschaft seien schwer getroffen, sagt der Präsident der Österreichischen Wirtschaftskammer, Christoph Leitl.
18.12.2015 01:03
Lesezeit: 2 min
Österreichs Wirtschaft: Russland-Sanktionen treffen die Falschen
Christoph Leitl. (Foto: WKO)

Die Russland-Sanktion schaden der österreichischen Wirtschaft nachhaltig. Christoph Leitl, Präsident der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO), sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

„In den global an sich schon schwierigen Wirtschaftsjahren 2014 und 2015 kam für Österreichs Unternehmen, insbesondere exportorientierte Firmen, die Russland-Ukraine-Krise mit den gegenseitigen Sanktionen erschwerend hinzu. Grundsätzlich muss dazu gesagt werden, dass die österreichischen Exporte nach Russland schon im letzten Quartal 2013, noch vor der aktuellen Krise, tendenziell nachgelassen hatten – unter anderem bedingt durch den schon damals einsetzenden Rubelverfall. Hinzu kamen ein generelles Schwächeln der russischen Wirtschaft, ein Rückgang der innerrussischen Investitionen und zuletzt die Wirtschaftssanktionen.“

Vor allem in den Exporten haben die Sanktionen Österreich zurückgeworfen:

„1.200 österreichische Unternehmen exportieren nach Russland, 550 Niederlassungen heimische Betriebe gibt es in Russland, davon sind 70 Produktionsstätten. Insgesamt hängen rund 50.000 Jobs in Österreich direkt oder indirekt an den Handelsbeziehungen mit Russland. Die Handelsbeziehungen zu Russland sind somit ein bedeutender Faktor für die österreichische Wirtschaft. Russland war im letzten Jahr auch noch unser elftwichtigstes Exportland und ist heuer krisenbedingt auf den 15. Rang zurückgefallen. Das bilaterale Handelsvolumen mit Russland belief sich im Jahr 2014 auf rund 5,5 Milliarden Euro, 2013 waren es noch 6,7 Milliarden Euro. Heuer macht der Exportrückgang nach Russland macht 2015 weitere -40 Prozent aus.“

Die Schaden ist nicht auf eine einzelne Branche beschränkt, sondern hat alle Bereich erfasst:

„Auf österreichischer Seite sind durch die Sanktionen in erster Linie Lebensmittelexporte betroffen. Probleme gibt es auch mit Investitionsgüter-Exporten - dies aber auch bedingt durch eine „Investitions-Unlust“ russischer Unternehmen. Indirekt sind österreichische Zulieferer auch stark von den Rückgängen der deutschen Exportwirtschaft nach Russland betroffen - insbesondere von Einbrüchen bei den deutschen Kfz- und Maschinen-Exporten. Auch der russische Tourismus nach Österreich verzeichnete nach einem Rückgang 2014 um -26 Prozent von Jänner bis Juli 2015 einen weiteren Rückgang von -35 Prozent. Zusätzlich zu den Exporten nach Russland gingen auch die Exporte nach Belarus sowie in die meisten Staaten des Kaukasus und Zentralasiens zurück – in Länder, die eng mit der russischen Wirtschaft verbunden und damit direkt oder indirekt von den Sanktionen mit betroffen sind.

Die Rückgänge der Exporte nach Russland wirken sich auch auf die Transportwirtschaft aus: Österreichische Speditionen verzeichnen ein geringeres Transportaufkommen nach Russland, was auch Folgen auf die Transportpreise und – erträge hat. Besonders gravierende Auswirkungen für die österreichischen Lebensmittelexporte haben die russischen Gegensanktionen betreffend des Verbots des Imports von diversem Obst und Gemüse sowie Milch- und Fleischwaren aus der EU. So gingen die Exporte von Milcherzeugnissen heuer um rund -85% zurück, von Gemüsen und Früchten um -35%. Die österreichischen Fleischexporte brachen heuer wegen der russischen Gegensanktionen komplett ein!

Der WKO-Präsident auf die Frage, wie sich die Situation wieder entspannen kann und ob die Sanktionen sofort aufgehoben werden sollen:

„Eines vorweg: Ich möchte betonen, dass die Wirtschaftskammer Österreich hinter allen internationalen und europäischen Beschlüssen steht und es diesbezüglich unsere Aufgabe ist, unsere Mitgliedsunternehmen über derartige internationale Bestimmungen bestmöglich zu informieren, da wir als Unternehmensvertretung immer darauf hinweisen, dass alle internationalen Sanktionen eingehalten werden müssen. Wir tragen daher Sanktionen der EU oder etwa der UNO mit und halten sie ein. Sanktionen in Richtung Visabeschränkungen und Kontosperren für Einzelpersonen, also zielgerichtet, gehen in Ordnung.

Jedoch sind wir bei der Beurteilung von Sanktionen, die den ungehinderten Handel beziehungsweise den Schutz von Investitionen betreffen, vorsichtig, denn diese treffen in der Regel die Falschen. Dies deswegen, da dann immer Retorsionsmaßnahmen zu erwarten und auch in diesem Fall eingetroffen sind. Die Wirtschaft ist ein Brückenbauer, sie verbindet Menschen und Kulturen weltweit, sie oft der Faktor, der auch dann noch funktioniert, wenn die Politik versagt. Die Wirtschaft – und das sind wir alle, Arbeitnehmer und Unternehmen – darf grundsätzlich nicht als Instrument der Politik missbraucht werden. Ich plädiere dafür, den politischen Dialog intensiv fortzusetzen. Mit Sanktionen kann zwar der politische Druck verstärkt werden, sie treffen aber oft nicht diejenigen, gegen die die Sanktionen gedacht sind – und zwar die Bevölkerung wie auch die vielen Unternehmen - und zwar auf beiden Seiten.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Technologie
Technologie Gefahr Solaranlage: Kann China Photovoltaik in Deutschland abschalten?
05.03.2025

Viele deutsche Haushalte setzen auf Solarenergie – doch wie sicher ist diese? Eine Recherche zeigt: Über chinesische Wechselrichter...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-Kurs und Solana-Kurs volatil: Wann kommt die nächste Krypto-Welle? Eine Analyse
05.03.2025

XRP, die Kryptowährung von Ripple, und Solana sind - trotz kurzzeitiger Rückschläge - seit einigen Monaten auf der Überholspur. Zur...

DWN
Politik
Politik Reform der Schuldenbremse: Das sagen Wirtschaft und Industrie dazu
05.03.2025

Union und SPD haben sich auf ein massives Finanzpaket verständigt: 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur, dazu neue Schulden für die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelskrieg 2.0? Peking will ambitioniertes Wirtschaftswachstum angesichts US-Handelsstreits
05.03.2025

Chinas Wirtschaft musste 2024 einige Hürden überstehen. Jetzt droht auch noch der Handelskrieg mit den USA unter Donald Trump zu...

DWN
Politik
Politik Last-Minute-Beförderungen in Ampel-Ministerien: Unternehmer kritisieren Missbräuche bei Verbeamtung im Staatsdienst
05.03.2025

Kurz vor Ende einer Legislaturperiode setzt in deutschen Ministerien häufig eine Praxis ein, die im politischen Berlin als „Operation...

DWN
Politik
Politik Union und SPD schnüren historisches Finanzpaket
05.03.2025

Die Scharmützel aus dem Wahlkampf sind vergessen. Union und SPD haben ein gigantisches Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur...

DWN
Technologie
Technologie Vom Silicon Valley zum Mars: Trumps Tech-Milliardäre und ihre sehr seltsame Weltsicht
05.03.2025

Früher galten die Nerds zwischen San Francisco und Santa Cruz im sogenannten Silicon Valley als Linke und unterstützten vornehmlich die...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktie aktuell kräftig im Plus: Konzernprognose besser als befürchtet – was jetzt für Anleger wichtig ist!
05.03.2025

Die Bayer-Aktie legt am Mittwoch im frühen Börsenhandel kräftig zu, trotz einer negativen Prognose. Der DAX-Konzern erwartet einen...