Politik

Gefahr für den Euro: Deutschland und Frankreich können nicht mehr miteinander

Der wahre Grund für das Scheitern des EU-Gipfels sind tiefgreifende Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland. Was als Achse der Stabilität nach 1945 gut funktioniert hat, droht nun wegen der im Grunde unversöhnlichen Wirtschaftskulturen den Euro in den Abgrund zu reißen.
23.11.2012 23:39
Lesezeit: 2 min

Aktuell: Katalonien: Unabhängigkeit könnte Spanien in die Pleite treiben

Der EU-Gipfel zum neuen EU-Budget von 2013 bis 2020 ist gescheitert. Die EU-Mitgliedsländer konnten sich mit der EU-Kommissions-Präsident Barroso und EU-Ratspräsident nicht einigen. Wie bei den EU-Gipfeln in der Vergangenheit kamen auch hier die Differenzen zwischen dem Norden und dem Süden der EU deutlich zum Vorschein. Trotz heftiger Debatten und vieler Einzelgespräche konnte Van Rompuy mit seinem zweiten Entwurf zum Budget nicht punkten – eine Finanzlücke von etwa 30 Milliarden Euro ließ die Verhandlungen im Sand verlaufen (zu Rompuys Entwurf hier).

Während Frankreich, Italien und Spanien weniger starke Einsparungen wollten – Hollande will eine massive Kürzung der Agrarsubventionen verhindern (hier) – stellten sich Großbritannien und die Niederlande von Anfang an quer. Der britische Premier David Cameron wollte die größten Einsparungen durchsetzen, um den Beitrag seines Landes zum Budget zu reduzieren (mehr hier). Entscheidend war letztlich aber, dass sich auch Angela Merkel auf die Seite der Briten geschlagen hatte und auf weitere Kürzungen pochte.

Es gebe keine Notwendigkeit der Dramatisierung, versuchte Van Rompuy das Scheitern herunter zu spielen. Schließlich bräuchte man bei solch komplexen Verhandlungen in der Regel zwei Anläufe. Anfang 2013 sollen die Gespräche fortgeführt werden. Bundeskanzlerin Merkel stellte in einer anschließenden Pressekonferenz klar, dass eine gute Basis erreicht sei, um die Differenzen zu überbrücken. Francois Hollande betonte, „es gab keine Drohungen und kein Ultimatum“. Doch letztlich schadet der neuerlich enttäuschende Ausgang eines EU-Gipfels wieder der Glaubwürdigkeit der EU und schafft alles andere als Investitionsfreude.

Einige hochrangige EU-Beamte verwiesen darauf, dass der abgebrochene Gipfel letztlich auch auf die schlechten Beziehungen zwischen Merkel und Hollande zurückzuführen seien. „Sie trauen sich gegenseitig nicht“, sagte ein Beamter der FT. Beide würden Schattenspiele machen, aber keine „Brücke überqueren“. Hollande drängt noch immer darauf, die deutsche Sparpolitik auf EU-Ebene zu durchbrechen – sein Land läuft mittlerweile Gefahr, selbst zum Problem für die Eurozone zu werden (hier). Hollande braucht Wachstumsimpulse, während Angela Merkel mit Blick auf die Bundestagswahlen im kommenden Jahr den deutschen Wählern nicht weitere Milliarden-Ausgaben und –Garantien in Aussicht stellen will.

Das Problem liegt jedoch tiefer: Frankreich will nicht sparen, weil es eine Revolution im eigenen Land fürchtet. Es gab unter Hollande keine Strukturreformen, statt dessen opportunistische Allianzen mit Südeuropa. Deutschland weiß, dass ein schwaches Frankreich für die deutsche Wirtschaft zu einer großen Gefahr werden kann. Daher versuchen die Deutschen, jetzt Härte zu zeigen. In Berlin weiß man: Sollte die Achse mit Paris noch mehr Schaden nehmen und eines Tages tatsächlich zerbrechen, ist auch die EU in ihrer derzeitigen Form am Ende. Das will – noch – keiner. Es ist allerdings nach dem gescheiterten Budget-Gipfel durchaus ungewiss, ob die EU so einfach zur Tagesordnung zurückkehren kann.

Weitere  Themen

Katalanische Regierung: Wir wollen mit eigener Stimme in Europa handeln

Draghi: Ohne EZB-Intervention wäre es zum Crash gekommen

EU-Verschwendung: 150.000 Euro für Ausstellung zur „sozialen Relevanz von Kaffee“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...