Gemischtes

Musiker und Revolutionär: Dirigent Kurt Masur ist tot

In der Wendezeit trug er mit seinem Engagement zum unblutigen Ende der DDR bei. Musikalisch wirkte er unter anderem in Leipzig, London, Paris und New York. Nun ist Kurt Masur im Alter von 88 Jahren gestorben.
19.12.2015 21:23
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Musik war für den Dirigenten Kurt Masur mehr als nur ein Beruf. «Wenn man alle Menschen der Welt in einen Konzertsaal setzen könnte, würden sie zumindest für zwei Stunden friedvoll sein», sagte er einmal. Masur liebte die Musik, er nannte sie «mein Motor». Der Motor trieb den ehemaligen Leipziger Gewandhauskapellmeister auch im hohen Alter auf die Konzert-Bühnen dieser Welt, auch wenn die Parkinson-Krankheit ihm das Umblättern der Noten zusehends schwerer machte. Am Samstag ist Leipzigs Ehrenbürger Kurt Masur im Alter von 88 Jahren gestorben.

Der in Schlesien geborene Masur begann schon mit fünf Jahren, sich selbst das Klavierspiel beizubringen. Eigentlich wollte er Organist werden. Doch als 16-Jähriger erfuhr er beim Arzt, dass seine Finger wegen einer genetischen Sehnenverkürzung im Laufe der Zeit verkrüppeln werden. Er sattelte aufs Dirigieren um. Masur studierte an der Musikhochschule Leipzig, bekam dann Kapellmeister-Jobs in Halle, Erfurt und an der Leipziger Oper, war Chefdirigent bei Walter Felsenstein an der Komischen Oper Berlin sowie Chefdirigent bei den Dresdner Philharmonikern.

Im August 1970 trat der Ingenieurssohn in die Fußstapfen von Felix Mendelssohn Bartholdy - als Kapellmeister des Leipziger Gewandhauses. «Ich bin mit den Musikern gewachsen. Es war ein Geschenk, ein gegenseitiges Geben und Nehmen», sagte er Jahrzehnte später. Masur prägte den besonderen Klang des Gewandhausorchesters, absolvierte mit dem Ensemble 900 Tourneekonzerte; zu DDR-Zeiten auch im «kapitalistischen Ausland». 1981 erfüllten ihm die DDR-Oberen sogar den Traum einer neuen Spielstätte. «Ich wurde ausgelacht, als ich sagte, das neue Gewandhaus wird gebaut», erzählte Masur. Das Gewandhaus wurde gebaut.

Leipzig, die international renommierte Musikstadt, prägte Masur. «Leipzig hat mich getragen, als ich Student war. Leipzig hat mich getragen, als ich Operndirektor war. Leipzig hat mich getragen, als ich Gewandhauskapellmeister war», sagte er. Und mit dem Ende der DDR kam ihm eine weitere bedeutsame Rolle zu: Er wurde «Dirigent der deutschen Revolution».

Als 63-Jähriger tauschte der mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnete Musiker kurzzeitig den Taktstock gegen das Megafon ein. Im Herbst 1989 trug er mit seinem Gewaltverzichts-Appell zum unblutigen Ende der DDR bei. «Es ist mehr nachvollziehbar für jene, die es nicht miterlebt haben, was damals geschehen ist. Man kann es nicht erklären, aber etwas ist geblieben: der Geist der Leipziger Erneuerung», sagte er in einem dpa-Interview.

Obwohl der Pulloverliebhaber später auch als Chefdirigent des New York Philharmonic Orchestra (1991-2002) vom amerikanischen Publikum verehrt wurde und danach als Chef des London Philharmonic Orchestra und des Orchestre National de France hoch geschätzt, wollte er selbst nie als Star bezeichnet werden. «Der Unterschied zwischen einem großen Musiker und einem Star ist eklatant», meinte der Dirigent, der über sich sagte, er sei scheu und gehemmt - und der immer an seiner musikalischen Vollkommenheit zweifelte. In seinen Villen in Leipzig und New York reparierte der gelernte Elektriker auch gerne seine Musikinstrumente selbst.

Noch als über 80-Jähriger tourte der international gefragte Dirigent neun Monate im Jahr um die Welt. «Es hält mich fit, wenn ich weiß, morgens um 10 Uhr ist Probe. Soll ich aufhören und auf den Tod warten?», sagte der Maestro. Auch nach einem Sturz im Frühjahr 2012 in Paris, bei dem er sich das Schulterblatt gebrochen hatte, kehrte er an das Pult zurück. Anfang 2013 brach sich Masur in Tel Aviv bei einem erneuten Sturz die Hüfte und musste operiert werden.

Ein bedeutendes Anliegen war ihm auch der künstlerische Nachwuchs. Er gab Meisterklassen für junge Dirigenten. Als junger Mensch sei er ein Idealist gewesen, erzählte Masur Anfang 2012 in Leipzig. Und fügte an: «Was ist geblieben von diesem Masur, der ein Träumer war? Gott sei Dank kein eingebildeter Künstler, der meint, dass er besser sei als andere. Gott sei Dank einer, der nichts an Glaubwürdigkeit verloren hat, von dem, was er sagte und sagen wollte.»

Der Präsident der New York Philharmonic, Matthew VanBesien, sagte, der Tod von Masur habe «tiefste Trauer» ausgelöst. In seiner Zeit bei dem Orchester habe Masur ein Vermächtnis gesetzt, das bis heute fortbestehe, so VanBesien. «Was wir lebhaft in Erinnerung behalten, ist Masurs tiefer Glaube an die Musik als Ausdruck von Menschlichkeit.» Er erinnerte auch an Masurs «bewegende» musikalische Arbeit nach den Terroranschlägen vom 11. September in New York. Masurs elfjähriges Wirken in New York sei eine der längsten Schaffenszeiten in der Geschichte der Philharmonie gewesen.

Nach einer längeren Pause dirigierte er im September 2013 erstmals wieder ein Konzert: Auf der Insel Usedom wurde er mit dem Europäischen Kulturpreis ausgezeichnet. Auf der Bühne bedankte er sich damals mit den Worten: «Es gibt keine schwierigeren Momente, als Danke zu sagen für etwas, was man getan hat, weil man es tun musste.»

Die Beisetzung soll nach Angaben der New Yorker Philharmoniker im privaten Kreis stattfinden. Zudem soll es später eine öffentliche Gedenkveranstaltung geben.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche fordert den Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland
09.05.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt auf einen schnellen Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland. Die Gründe dafür...

DWN
Politik
Politik Putins Parade: Moskau feiert "Tag des Sieges" – Europas Spaltung auf dem Roten Platz sichtbar
09.05.2025

Während Putin mit Pomp den „Tag des Sieges“ feiert, marschieren zwei europäische Regierungschefs an seiner Seite – trotz Warnungen...

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...