Politik

Justizminister Maas legt eine falsche Fährte: „Das war geplant“

Ein Justizminister sollte sich in der Öffentlichkeit grundsätzlich zurückhalten. Doch Heiko Maas tut das Gegenteil und schadet in der Frage der Massen-Gewalt von Silvester der Justiz und den Strafverfolgungsbehörden. Die These, dass sich die Gewalttäter abgesprochen haben, soll die Bürger in Sicherheit wiegen. Doch die These ist falsch und gefährlich.
10.01.2016 18:52
Lesezeit: 4 min

Bundesjustizminister Heiko Maas ist schon mehrfach als besonders karrierebewusster Partei-Mann aufgefallen: Er wird geradezu rabiat und schießt schon auch einmal über das Ziel, wenn es um die Gefahr von rechts geht. Bisher ist er mit dieser Linie in der SPD gut gefahren. Er konnte sich Chancen ausrechnen, eines Tages als Nachfolger für Sigmar Gabriel ins Rennen zu gehen.

Doch mit den Gewalt-Exzessen vom Wochenende hat der Wind auch in der SPD gedreht: Die Stimmen werden immer lauter, die, wie Andrea Nahles, sagen: Wir schaffen das nicht.

Dies gilt auch für die Justiz und die dem Minister unterstellten und weisungsgebundenen Staatsanwälte genauso wie für die Medien und die Polizei: Niemand in der deutschen Gesellschaft ist darauf vorbereitet, dass sich plötzlich hunderttausende Menschen im Land aufhalten – viele davon unregistriert. Sie kommen zusätzlich zu jenen Leuten, die bereits hier leben und der Justiz seit Jahren Probleme machen wie die jugendlichen kriminellen Straftäter, über die sich die Kölner Kripo beschwert, weil sie von der Justiz bereits nach einem Tag laufen gelassen werden, um dann in ihrem Netzwerk weiterzumachen.

Nun tischt Maas der Öffentlichkeit im Fall der Kölner Massenbelästigungen und Eigentumsdelikte eine neue Hypothese auf, die mit nichts belegt ist, und gegen die die Fakten sprechen.

Maas behauptet, hinter den Silvester-Angriffen auf Frauen in Köln stecke eine organisierte Absprache der Täter. „Wenn sich eine solche Horde trifft, um Straftaten zu begehen, scheint das in irgendeiner Form geplant worden zu sein“, sagte Maas der Bild-Zeitung. Maas behauptet, der Verdacht liege nahe, „dass hier ein bestimmtes Datum und zu erwartende Menschenmengen herausgesucht worden sind. Niemand kann mir erzählen, dass das nicht abgestimmt oder vorbereitet wurde.“

Das Bundeskriminalamt (BKA) will nun laut Welt ein bundesweites Lagebild erstellen, um das Vorgehen gegen die Tätergruppen besser abstimmen zu können. „Dazu werden kurzfristig die Fakten zu gleich gelagerten Vorfällen aus allen Bundesländern zusammentragen, um ein genaues Bild der Lage zu ermöglichen“, teilte das BKA mit. Auf dieser Basis würden dann bundesweit „Bekämpfungsansätze“ umgesetzt.

Das klingt professionell und ist doch eine völlig falsche Fährte, auf die Maas seine Beamten da setzt: Denn die Gewalttaten von Köln, Hamburg, Freiburg, Bielefeld, Frankfurt, Stuttgart und vermutlich noch zahlreichen anderen Städten waren nicht „abgesprochen“ in dem Sinn, dass eine Führungseinheit unter Migranten oder Aslybewerbern den anderen gesagt hätte, sie sollen eine Tat gemeinschaftlich begehen.

Es ist schon denkbar, dass sich Teile der Täter dahingehend informiert haben, dass es an Silvester zu Massenveranstaltungen im ganzen Land kommt und sich daher die Gelegenheit bietet, auch Frauen zu treffen. Ähnliches ereignete sich auch in Helsinki, Salzburg und Zürich. Doch dies ist keine „Absprache“, und etwas völlig anderes als die klassische organisierte Kriminalität, wo ein Kapo dezentrale Gruppen mit dem gezielten Auftrag zur einem Verbrechen organisiert. Außerdem zeigt der jüngste Vorfall vom Samstag in Leipzig, dass entsprechende Taten auch an anderen Tagen und ohne große Menschenansammlungen verübt werden.

Das Problem an der These von Maas ist, dass der Justizminister in einer solch sensiblen Lage schweigen sollte, so lange es geht: Er kann nur politische Statements abgeben, weil die Faktenlage zu dünn ist. Der Fall des Pariser Messer-Angreifers, der in einer Flüchtlingsunterkunft in Recklinghausen gewohnt haben soll, zeigt, wie kompliziert die Aufklärung ist: Die Behörden klassifizieren den Mann als einen „modernen Nomaden“, der über Frankreich nach Deutschland gekommen, schon mehrfach straffällig und von der deutschen Polizei schließlich wieder laufengelassen wurde: „Es sind uns sieben Identitäten bekannt“, sagte der Direktor des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes, Uwe Jacob, am Sonntag in Düsseldorf. Die wahre Identität des Mannes sei nicht geklärt. Es sei auch nicht klar, ob es sich um einen Syrer oder Tunesier gehandelt habe. Der Mann habe in Deutschland mehrfach im Gefängnis gesessen und sei wegen Delikten wie Drogenhandel, Körperverletzung und Belästigung von Frauen auffällig geworden.

Der in diesen Tagen zu Unrecht vielgescholtenen Polizei sind nämlich die Hände gebunden - und ebenso der Justiz. Und das ist auch gut so: Polizei und Justiz müssen nach Recht und Gesetz handeln. Die politisch opportune Willkür darf nicht die Arbeitsgrundlage der Behörden werden.

Maas legt seine falsche Fährte aus mehreren Gründen: Er will nicht eingestehen, dass Polizei und Justiz von der unkontrollierten Masseneinwanderung heillos überfordert sind und dass das Problem in Deutschland nicht zu lösen ist. Zugleich ist er Gefangener der eigenen unrealistischen Ideologie, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: Maas will die Fiktion aufrechterhalten, dass die Kriminalität unter Asylbewerbern auf einige wenige Einzelfälle beschränkt und daher beherrschbar ist.

Vor allem aber will Maas die Bevölkerung beruhigen: Mit der These der „Absprache“ soll der Eindruck erweckt werden, dass das Problem in dem Augenblick gelöst ist, in dem die Führungsgruppe ausgeforscht und dingfest gemacht wurde. Die beruhigende Aussicht ist nicht gegeben, wenn man die Verbrechen als zahlreiche Einzeltaten ansieht – was sie vermutlich gewesen sind. Dann nämlich müsste Maas die sehr unangenehme Frage beantworten, was der Staat zu tun gedenkt, um seine Bürger zu schützen.

Die einzige Antwort auf diese Frage ist allerdings jene, die Angela Merkel nach wie vor verweigert: Der Staat kann seine Bürger und hier insbesondere seine Frauen nur schützen, wenn er bei der Einreise kontrolliert, wer kommt. Eine Einreise ohne gültige Papiere und damit ohne die Möglichkeit, die Identität von Straftätern festzustellen, ist der einzige Hebel, damit die Bevölkerung und alle unschuldigen Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten wirkungsvoll geschützt werden.

Solange sich die Bundesregierung dieser rechtsstaatlichen und sicherheitspolitischen Unabdingbarkeit verschließt, wird es zu neuen Vorfällen kommen. Die Silvesternacht hat in vielen Städten gezeigt, dass wir hier nicht von einer abstrakten, sondern einer sehr konkreten Gefahr an Leib und Leben für die Bürger Deutschlands sprechen. Diese schleunigst abzuwenden ist die vordringliche Aufgabe der Regierung. Der ideologisch motivierte Aktivismus von Maas behindert die Regierung in dieser Erkenntnis. Wie sträflich locker die SPD die Vorfälle von der Silvesternacht genommen hat, zeigt die Reaktion eines anderen SPD-Ideologen: Ralf Stegner antwortete auf die Frage, ob denn die Bundesregierung nicht fürchte, eines Tages wegen der Verbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden: „Mir schlottern schon die Knie.“

Seit klar wird, was sich aktuell in Deutschland abspielt, dürfte diese eigentlich zynisch gemeinte Bemerkung mittlerweile die wirkliche Gefühlslage vieler Spitzenpolitiker ausdrücken.

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