Offene Grenzen im Euroraum sind nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel Voraussetzung für eine funktionierende Währungszone. „Der Euro und die Freizügigkeit der Bewegung über Grenzen hinweg hängen unmittelbar zusammen“, sagte Merkel am Montag auf dem Wirtschaftsempfang der rheinhessischen Wirtschaft in Mainz. „Es soll niemand so tun, dass man eine gemeinsame Währung haben kann, ohne dass man eine einigermaßen einfache Überquerung von Grenzen hat.“ Sollten sich die Staaten wieder abschotten, würde „der Binnenmarkt massiv darunter leiden“. Dies sei der Grund dafür, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft im Zentrum der EU für die Freizügigkeit der Menschen kämpfen müsse. Es müsse gelingen, die EU-Außengrenzen zu stärken, um den passfreien Schengen-Raum zu erhalten, sagte Merkel im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Ansonsten müsse man „zu einer Variante greifen, die uns mit Sicherheit viel Kraft kostet“, sagte sie.
Diese Bemerkung ist interessant, weil die Kanzlerin damit erstmals durchklingen lässt, dass es einen Plan B in der Flüchtlingskrise geben könnte. Tatsächlich ist der Schutz der Außengrenzen trotz aller Beteuerungen der betroffenen Ländern immer noch mehr theoretischer Natur. Dies will die EU mit einer eigenen Grenzschutztruppe ändern, die allerdings sicher nicht vor 2017 einsatzfähig wäre. Ob dieser Zeitplan reicht, um die Bedenken vor allem in Osteuropa zu zerstreuen, ist fraglich: Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico hat wegen der sexuellen Übergriffe zu Silvester in Köln die Einberufung eines EU-Gipfels gefordert. „Es wird notwendig sein, einen Sondergipfel einzuberufen“, sagte Fico am Freitag bei einer Pressekonferenz in Bratislava. „Wir müssen den kürzlich angenommenen Terminkalender ändern, weil wir angesichts der Ereignisse (in Köln) nicht bis Herbst warten können.“
Merkel forderte nicht nur eine deutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen, sondern auch eine bessere Kontrolle. „Wir sind verwundbar, ... weil wir die Ordnung, die Steuerung noch nicht so haben, wie wir sie uns wünschen.“ Sie warnte auch vor einer Abschottung der gesamten EU. Die Türkei, der Libanon und Jordanien leisteten einen größeren Beitrag für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge als die Europäische Union mit ihren 500 Millionen Menschen, die ebenfalls nicht weit von Syrien entfernt sei. Wenn die EU dieser Herausforderung nicht gerecht werde, seien die Reden über Demokratie und Menschenwürde nur „Schall und Rauch“.