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Bei der Finanzierung flexibel entscheiden! Die vier Vorteile von Schuldscheinen

Lesezeit: 4 min
01.02.2016 14:28
Investitionen kosten Geld. Für neue Maschinen oder den Schritt ins Ausland nutzen Unternehmer häufig Fremdkapital wie Bankkredite oder Anleihen. Zusätzlich bietet jedoch auch ein enger Verwandter, das Schuldscheindarlehen, viele Vorteile.
Bei der Finanzierung flexibel entscheiden! Die vier Vorteile von Schuldscheinen
Patrick Miljes, Bereichsleiter des Firmenkundengeschäfts der HSH Nordbank (Foto: Thies Rätzke)
Foto: Thies Raetzke

Schuldscheindarlehen werden längst als attraktive Finanzierungsform auch von Großunternehmen entdeckt. So nahm kürzlich etwa der staatliche brasilianische Ölriese Petrobras per Schuldschein Mittel in dreistelliger Millionenhöhe bei Investoren auf. Die Brasilianer zeigten damit auch, dass immer mehr ausländische Unternehmen dieses typisch deutsche Finanzierungsinstrument nutzen, das als Mischprodukt zwischen klassischer Anleihe und Kredit die Emittenten mit geringen Dokumentationspflichten und weitgehender Anonymität lockt.

Rein technisch betrachtet ist ein Schuldscheindarlehen ein unbesicherter, langfristig verzinster Kredit, der einer Anleihe insofern ähnelt, als der Kapitalnehmer dem Kapitalgeber einen Schuldschein in Form einer Urkunde ausstellt. Der Markt für diese Art von Wertpapieren ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und hat 2014 ein Volumen von circa 11,5 bis 12 Milliarden Euro erreicht. Im Schnitt wurden dabei 120 Millionen Euro pro Schuldner aufgenommen. In Deutschland platzierte zum Jahreswechsel der Automobilzulieferer ZK Friedrichshafen den bislang größten Schuldschein am Markt und sammelte damit bei Investoren 2,2 Milliarden Euro für eine Übernahme ein.

Fremdfinanzierung mit hoher Flexibilität

Schuldscheine, deren Nutzung bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, unterliegen deutschem Wertpapierrecht. Sie sind vor allem für kleine und mittelgroße Unternehmen eine lukrative und preisgünstige Methode, um Investitionsvorhaben, etwa die Expansion ins Ausland oder die Anschaffung einer neuen Produktionsstraße, mit vergleichsweise wenig Aufwand bewältigen zu können. Schließlich lassen sich per Schuldschein auch schon Beträge von zehn Millionen Euro und sogar darunter beschaffen. „Die Transaktionen, die die HSH Nordbank in jüngster Zeit begleitet hat, bewegen sich in der Größenordnung zwischen zehn und über 400 Millionen Euro. Wir fühlen uns sowohl bei diskreten Privatplatzierungen als auch bei öffentlichen Transaktionen sehr gut positioniert“, erklärt Patrick Miljes, Bereichsleiter Firmenkundengeschäft der HSH Nordbank.

Sind Eigenkapitalquellen für ein Unternehmen erschöpft oder nicht erreichbar, etwa weil keine Gewinne mehr einbehalten werden sollen oder der Eigentümer momentan kein Kapital nachschießen will, kommen Fremdfinanzierungsinstrumente ins Spiel: Der klassische Bankkredit etwa, länger laufende Darlehen und Anleihen – oder das Schuldscheindarlehen, dessen Laufzeit in der Praxis zwischen drei und sieben Jahren beträgt, aber auch auf zehn Jahre oder noch länger vereinbart werden kann.

Diversifizierte Finanzierungsquellen

Vor allem Mittelständler ab einem Jahresumsatz von etwa 200 Millionen Euro aufwärts dürften den Schuldschein attraktiv finden. Denn oft sind sie als Unternehmen noch zu klein, um bereits Erfahrung am Kapitalmarkt gesammelt zu haben, etwa indem sie dort schon einmal eine Anleihe platziert haben und dadurch das Vertrauen der Investoren genießen. Verfügen sie als Firma zudem noch über gute, von stabilen Cashflows gestützte Bonität, ist der Schuldschein für sie ein kostengünstiger Weg, um momentanen Kapitalbedarf zu decken. „Um im aktuellen Marktumfeld noch auf Investorennachfrage treffen zu können, sollte die Bonität des Unternehmens mindestens im hohen Sub-Investment-Grade-Bereich liegen. Ein öffentliches Rating an sich ist aber nicht unbedingt Voraussetzung für eine Übergabe von Schuldscheinen, da die begleitenden Banken den Investoren oftmals eine Bonitätseinschätzung zur Verfügung stellen“, erläutert Miljes.

Der wohl augenfälligste Vorteil besteht dabei in der Flexibilität, die sich ein Unternehmer erhält, wenn er per Schuldschein finanziert. Denn anders als beim klassischen Bankdarlehen müssen keine Sicherheiten unterlegt werden. Das bedeutet, dass sich der Finanzierungsspielraum der Firma spürbar erweitern lässt. Schließlich bleiben die Vermögenswerte in der Unternehmensbilanz frei, um als Sicherheiten für andere Finanzierungsformen zu dienen – etwa für Bankkredite. Der Schuldschein ist damit ein ideales Mittel zur Diversifizierung der Finanzierungsquellen eines Unternehmens.

Günstige Kosten, geringer Informationsaufwand

Das Verfahren bietet noch weitere Vorteile: Die Kosten der Bereitstellung eines Schuldscheindarlehens sind im Vergleich geringer. Sie liegen zwischen 0,2 und 0,6 Prozent des Darlehensvolumens. Denn die Vorbereitung, bei der sich eine Bank oft nur als Mittlerin zwischen Investor und Kapitalnehmer stellt, ist deutlich weniger aufwendig als bei einem Bankkredit, bei dem für den Kapitalnehmer bestimmte Dokumentationspflichten gelten und Vereinbarungen über die Verwendung der Mittel getroffen werden müssen.

Schuldscheine herauszugeben verlangt aber auch deutlich weniger Aufwand als etwa die Platzierung einer Anleihe, bei der Kosten für eine vermarktende Roadshow, den vorgeschriebenen Prospekt oder das Listing an der Börse anfallen. Auch über die Laufzeit eines Schuldscheindarlehens hinweg sind die Berichtspflichten über die Geschäftsentwicklung des Emittenten im Vergleich minimal. Ein wichtiger Vorteil ist zudem: Ein Unternehmen benötigt kein Rating, um an ein Schuldscheindarlehen zu kommen.

Allen Vorteilen steht ein Nachteil gegenüber: Die zu zahlenden Zinsen, die das individuelle Risiko des Investors spiegeln, ist bei Schuldscheindarlehen etwas höher als am Kapitalmarkt. Die niedrigeren Transparenzanforderungen haben also ihren Preis. Darlehen per Schuldschein können sowohl variabel- als auch festverzinslich strukturiert werden. Nur Tranchen mit variablen Zinsen sind vor Fälligkeit kündbar. Solche Nachteile werden von Fall zu Fall durch andere praktische Vorteile aufgewogen. Der Unternehmer vermeidet ein Kursrisiko, wie er es bei einer am Markt gehandelten Anleihe zu tragen hätte. Somit entfallen über die Laufzeit auch möglicherweise notwendig werdende Wertberichtigungen in der Bilanz.

Vor- und Nachteile des Schuldscheindarlehens

Banken in unterschiedlichen Rollen

Ein weiterer Vorteil: Beim Schuldscheindarlehen können Kapitalnehmer und -investor die individuellen Bedingungen für die Tilgung und Bereitstellung der Mittel aushandeln. Am Markt sind die aktivsten Investoren für Schuldscheine Pensionskassen, Versicherungen, Geschäftsbanken oder auch die Landesbanken und Sparkassen. Aufseiten der Banken werden Schuldscheindarlehen flexibel gehandhabt. In der Praxis vermitteln sie die Darlehen, indem sie zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer treten und auch Anschlussfinanzierungen arrangieren können, sollten etwa Investor und Unternehmen unterschiedliche Vorstellungen über die Laufzeit haben.

Doch die vermittelnde Bank kann auch selbst vorübergehende Darlehensgeberin sein und sich etwa das Recht sichern, die Forderung an andere Investoren abzutreten. Die Initiative kann aber auch vom Investor ausgehen, der eine Geschäftsbank damit beauftragt, über eine bestimmte Anlagesumme einen passenden Darlehensnehmer zu finden. In einer dritten Variante kann ein großer Kapitalgeber wiederum einer Bank auch die Mittel en bloc zur Verfügung stellen, die sie dann in individuellen Schuldscheinen an Unternehmen weitervermitteln kann.

Drei Fragen an Patrick Miljes, Bereichsleiter Firmenkundengeschäft der HSH Nordbank

Warum setzen zunehmend Mittelständler auf Schuldscheindarlehen?

Patrick Miljes: Schuldscheine bieten unseren Kunden ein bankenunabhängiges, flexibles, kostengünstiges Finanzierungsinstrument und unterstützen das Unternehmen hierdurch in der weiteren Verfolgung seiner strategischen Ziele.

Was sind die Finanzierungsinstrumente der Zukunft und welche Rolle werden die Banken dabei spielen?

Patrick Miljes: Schuldscheine und Anleihen, aber auch weitere Instrumente zur Betriebsmittelfinanzierung wie zum Beispiel Factoringstrukturen werden zukünftig an Bedeutung gewinnen. Unternehmen setzen zunehmend auf bankenunabhängige Finanzierungsinstrumente, auch um die eigene Investorenbasis strategisch zu erweitern.

Wird das Risiko bei der Darlehensvergabe für die Geldgeber in Zukunft steigen?

Patrick Miljes: Der Kredit wird als Ankerprodukt für weitere profitable und provisionsträchtige Geschäfte dienen. Er ist „Türöffner“ in eine für beide Seiten sinnvolle Geschäftsbeziehung.

 

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