Politik

Gefürchtete Liste: Eine Million Amerikaner steht unter Terror-Verdacht

Lesezeit: 9 min
01.12.2012 22:14
Der US-Sicherheitsforscher Armin Krishnan hält den Polizeistaat USA für eine echte Bedrohung: Etwa eine Million US-Bürger gelten als Terroristen. Sie können im Grunde überall und jederzeit verhaftet und exekutiert werden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen - auch im Ausland.
Gefürchtete Liste: Eine Million Amerikaner steht unter Terror-Verdacht

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie haben berichtet, dass es in den USA mittlerweile sehr schnell möglich ist, des Terrorismus verdächtigt zu werden. Was droht einem Bürger, wenn er von den US-Behörden als „Terrorist“ eingestuft wird? Kommt er vor Gericht oder wird er gleich liquidiert?

Armin Krishnan: Prinzipiell behauptet die Obama-Regierung, dass Terroristen, auch wenn sie amerikanische Staatsbürger sind, weltweit getötet werden dürfen. Zum Beispiel autorisierte Obama die Tötung des amerikanischen Staatsbürgers jeminitischer Abstammung Anwar Al-Awlaki im Jemen in 2011. Generalstaatsanwalt Eric Holder verteidigte dieses Vorgehen gegen einen amerikanischen Bürger in einer Rede an der North Western University in Chicago im März dieses Jahres damit, dass eine interne juristische Überprüfung dem verfassungsmäßig garantierten Recht auf ein ‚ordentliches Verfahren‘ entspricht.

Als der Kongress FBI-Direktor Mueller daraufhin befragte, ob gezielte Tötungen von Terroristen nun auch in den USA möglich seien, konnte oder wollte er diese Frage nicht mit einem klaren ‚Nein‘ beantworten. Das heißt wohl, dass es im Ermessen des Präsidenten liegt, wann ein amerikanischer Terrorist getötet werden darf. In der Praxis dürften solche Fälle extrem selten vorkommen.

Was allerdings der Fall ist, ist, dass es Terrorbeobachtungslisten gibt, auf der die Namen von wenigstens einer Million Amerikanern stehen, die dann möglicherweise diskriminiert werden. Zum Beispiel gibt es eine Flugverbotsliste. Wer auf der Liste steht, darf kein Flugzeug benutzen. Es gibt eine Terrorliste, die das FBI Arbeitgebern zugänglich macht, was bedeutet, dass diese Personen dann keinen Job bekommen.

Problematisch ist natürlich, dass die Regierung keinem Gericht Beweise vorlegen muss, um Namen von Personen auf diese Listen zu setzen. Solch potenziell willkürliche Maßnahmen gegen Individuen sollten in einem formal demokratischen Staat nicht zulässig sein.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Findet diese rechtlich völlig unjgedeckte Verfolgung auch im Ausland statt?

Armin Krishnan: Selbstverständlich gibt es für die CIA und das US-Militär strenge Regeln, nach denen sie tödliche Gewalt einsetzen dürfen. Die Amerikaner haben eine überaus legalistische Denk- und Vorgehensweise. Was immer die Regierung oder das Militär unternimmt – es überprüft üblicherweise ein Jurist zuerst, ob es auch legal ist. Wenn die CIA in neutralen Staaten töten will, dann muss es zuerst eine juristische Überprüfung geben. Der Chef-Jurist der CIA bekommt dann ein etwa fünfseitiges Dossier über jede Zielperson. Die resultierende Todesliste muss ebenfalls vom Nationalen Sicherheitsrat abgesegnet werden. Der Präsident hat ein Veto-Recht. Der Kongress hat ebenfalls Einsicht in die Todeslisten.

Im Oktober veröffentlichte die Washington Post einen Artikel, der die ‚Bestimmungs-Matrix‘ (‚disposition matrix‘) als ein Verfahren für gezielte Tötungen beschrieb. Demnach gibt es eine Datenbank mit den Namen von Terroristen, sowie deren Aufenthaltsort und anderen Daten. Die Datenbank zeigt dann den Entscheidungsträgern Möglichkeiten auf, wie eine Zielperson am besten ‚neutralisiert‘ werden kann, also gefangen genommen oder getötet werden kann. Das bedeutet, dass gezielte Tötungen keineswegs unkontrolliert stattfinden.

Andererseits gibt es das Problem, dass ‚Terrorist‘ ein ziemlich unscharf definierter Begriff ist und es damit im Ermessen der Sicherheitsbehörden und des Präsidenten liegt, wer ein ‚Terrorist‘ ist und wer nicht. Es ist aber gerade wegen der legalistischen Vorgehensweise der US-Regierung so erschreckend, dass die legalen Möglichkeiten tödliche Gewalt auch außerhalb von Kriegsgebieten anzuwenden immer mehr ausgebaut werden, wie zum Beispiel durch die NDAA 2012.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Kann es einem Europäer widerfahren, dass er plötzlich bei einem „Unfall“ ums Leben kommt, weil er irrtümlich oder durch Denunziation auf eine „Terrorliste“ geraten ist?

Armin Krishnan: Heutzutage ist so ziemlich alles möglich. Wie ich in meinem Buch beschrieben habe, können Geheimdienste schon lange in einer Weise töten, die keine Spuren hinterlässt. Es gibt eine Vielzahl von Giften, die einen Tod wie einen Herzinfarkt erscheinen lassen. Es gibt angeblich sogar eine EMP ‚Herzinfarkt-Pistole‘, die auf eine kurze Distanz mit Hilfe eines gezielten elektromagnetischen Impulses einen Herzinfarkt auslösen kann. Der Mossad tötete das Hamas-Mitglied Mahmoud al-Mahbou im Januar 2010 in einem Hotel in Dubai mit einer Giftinjektion, die den Tod zunächst als natürlich erscheinen ließ.

In 2003 gab es in Großbritannien einen Geheimdienstskandal, als der Massenvernichtungswaffen-Experte des britischen Verteidigungsministeriums, der den Fall irakischer Waffenprogramme untersuchte, David Kelly, nahe seines Hauses tot aufgefunden wurde. Offizielle Todesursache ist Selbstmord. Allerdings waren die Umstände verdächtig genug, um eine offizielle Untersuchung zu erzwingen. Ein Mitglied des britischen Parlaments, Norman Baker, behauptete, dass Kelly von der Regierung getötet wurde, um peinliche Wahrheiten zu vertuschen.

Der Enthüllungsjournalist Gary Webb, der die Verwicklung der CIA in den Drogenhandel aufdeckte, brachte es 2004 fertig, Selbstmord zu begehen, indem er sich ZWEIMAL in den Kopf schoss. Der Tod von Uwe Barschel 1987 ist ja auch nicht vollständig aufgeklärt. Verdächtige Todesfälle, die möglicherweise Geheimdienstmorde sind, gibt es überall.

Das oben angedeutete Szenario halte ich für derzeit eher unwahrscheinlich. Meine Befürchtung ist aber, dass staatlich sanktionierte Morde zunehmen werden, da es immer leichter wird, sie zu vertuschen. Es ist ebenfalls leichter für Regierungen, Tötungen anzuordnen, wenn sie formal als legal gelten. Die allermeisten Regierungsbeamten sind überaus gesetzestreu und würden sich weigern, an kriminellen Aktivitäten teilzunehmen. Formale Legalität stellt auch sicher, dass Regierungsmitglieder oder Geheimdienst-und Militärpersonal später nicht juristisch zur Rechenschaft gezogen werden können. Schließlich: Je mehr Menschen gezielt getötet werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass dabei Fehler gemacht werden und die Falschen zu Opfern werden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Betrachten die USA mittlerweile die ganze Welt als ihr Eigentum, wenn es um die Terrorbekämpfung geht? Schließlich gibt es keine nationalen Grenzen mehr, wenn gekämpft wird – wie man bei der Ermordung von Bin Laden in Pakistan gesehen hat?

Armin Krishnan: Die USA sind die einzige verbleibende Weltmacht, und daher nehmen die USA Privilegien für sich in Anspruch, die sie anderen Staaten nicht zugestehen wollen. Unlängst hat Außenministerin Hillary Clinton nach Aussage der Washington Post erklärt, dass die USA das Recht haben, weltweit nach Gutdünken Terroristen anzugreifen. Die Abbottabad-Operation zur Ermordung von Osama bin Laden ist in der Hinsicht außergewöhnlich, da sie anscheinend ohne das Wissen und dem Einverständnis der pakistanischen Regierung stattfand. Das war nicht nur überaus riskant, es war eine Verletzung eines der Grundprinzipien des Völkerrechts. Ein Militäreinsatz in einem anderen Staat, der diesen Militäreinsatz nicht genehmigt hat, ist traditionell als ein Kriegsakt zu werten und hätte es Pakistan formal erlaubt, den USA den Krieg zu erklären, oder zumindest amerikanisches Militärpersonal in Pakistan als gegnerische Kombattanten zu betrachten. Natürlich sitzt die USA hier am längeren Hebel. Pakistan hat nichts davon, einen Krieg mit einem übermächtigen Verbündeten anzufangen. Zu befürchten ist, dass die USA in Zukunft weitere riskante und provokative Antiterror-Einsätze in neutralen Staaten durchführen könnte, welche im schlimmsten Fall zu einer unkontrollierten Eskalation führen könnten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie chirurgisch sind die Schnitte, die durch gezielte Tötungen erfolgen? Welche Rechte haben Zivilisten, die irrtümlich getötet werden?

Armin Krishnan: Die Genfer Konventionen schützen Zivilisten in militärischen Konflikten, und auch die USA sind daran gebunden. Kollateralschäden, also auch zivile Verluste, die verhältnismäßig sind, sind vom Kriegsrecht allerdings ausdrücklich erlaubt. Solange es eine militärische Notwendigkeit für den Militäreinsatz gab und Vorkehrungen getroffen wurden, um zivile Verluste gering zu halten, ist es innerhalb von Kriegsgebieten erlaubt, zivile Schäden zu verursachen.

Das rechtliche Problem besteht vor allem darin, dass Drohnenangriffe, die zuweilen erhebliche zivile Schäden anrichten und viele Zivilisten töten, in neutralen Staaten wie Pakistan, Jemen oder Somalia stattfinden. In Pakistan könnten bis zu ein Drittel der Todesopfer der Drohnenangriffe unschuldige Zivilisten sein. Manche Völkerrechtlicher, darunter auch von der Stanford University, betrachten diese Drohnenangriffe in neutralen Staaten, bei denen Zivilisten sterben, als mögliche Kriegsverbrechen.

In diesem Fall könnte Präsident Obama, der die Angriffe formal autorisiert, als Kriegsverbrecher in Den Haag vor Gericht gestellt werden. Das wird natürlich niemals passieren. Es gibt aber eine Reihe von Zivilklagen gegen die CIA und die US-Regierung, auch von den Angehörigen getöteter Zivilisten. Diese Klagen wurden bislang alle abgewiesen, da es sich um Belange nationaler Sicherheit handelt, die einen besonderen Schutz haben.

Juristisch gibt es das Drohnenprogramm der CIA nicht, und die Regierung muss auch keine Informationen in Bezug auf das Drohnenprogramm oder bestimmte Drohnenangriffe an Gerichte weitergeben. Ohne diese Informationen sind Klagen aussichtslos, da es auf die juristische Analyse der genauen Umstände ankommt, wenn es darum geht zu entscheiden, ob ein bestimmter Angriff völkerrechtlich zulässig war oder ein Kriegsverbrechen. Damit kann man sagen, die Drohnenopfer und deren Angehörige haben keine Rechte, solange sich hier nichts fundamental ändert.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es eigentlich noch so etwas wie nationalstaatliche Souveränität, oder sind wir bereits wieder bei einer Gesellschaft angekommen, in der ziemlich barbarisch das Recht des Stärkeren gilt?

Armin Krishnan: Ich würde die Lage nicht in dieser Weise beschreiben. Es gibt eine Weltordnung, auch wenn sie alles andere als perfekt ist. Staaten sind nach wie vor an das Völkerrecht gebunden und in der Tat werden die Beziehungen zwischen Staaten immer mehr rechtlich geregelt. Das Ziel scheint letztlich eine Art von Weltregierung zu sein. Die Weltpolizei der NATO nimmt für sich das Recht in Anspruch in jedem Staat zu intervenieren, in dem die Bevölkerung von der eigenen Regierung bedroht wird. Das nennt sich in der UN-Sprachregelung ‚Responsibility to Protect‘ (Verantwortung zu schützen) und gilt nun als Grundlage der ‚Obama-Doktrin‘.

In der Praxis heißt das, dass die NATO einen Regime-Wechsel überall dort fördern kann, wo es unbequeme Regierungen gibt, die den geostrategischen Zielen der NATO im Wege stehen. Die ‚Responsibility to Protect‘-Doktrin galt auch als Rechtfertigung für die umstrittene NATO-Intervention in Libyen in 2011. Seit Jahren versucht die NATO ebenfalls, die Regierungen in Syrien und im Iran zu stürzen. Klar ist, dass es in erster Linie die Souveränität abtrünniger Staaten ist, die hier verletzt wird. Sollten wir je eine echte Weltregierung haben, dann hat sich das Konzept der Souveränität sowieso erledigt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Auch andere Staaten bedienen sich der US-Methoden, wenn sie Gewalt unter dem Begriff „Krieg gegen den Terror“ ausüben. Welche sind besonders aggressiv?

Armin Krishnan: Ohne Frage ist Israel der Staat, der ebenfalls gezielte Tötungen äußerst aggressiv einsetzt, um politische und militärische Ziele damit zu verfolgen. Während der Zweiten Intifada (2000-2005) autorisierte Israel 134 Operationen, deren Ziel die gezielte Tötung von Feinden war. Von Dezember 2008 bis Januar 2009 führte Israel 42 gezielte Drohnenangriffe in Gaza durch. Im August 2012 schickte Israel eine Drohne nach Sinai in Ägypten, um einen islamischen Terroristen zu töten. Die Kidon-Einheit des Mossad mordet weltweit. So ermordete der Mossad in den letzten Jahren wenigstens fünf iranische Atomwissenschaftler. Zuletzt tötete Israel den Militärchef der Hamas in einem gezielten Luftangriff im Rahmen des israelischen Militäreinsatzes in Gaza. Israels Ansatz, Staatsfeinde gezielt zu töten, ist extrem provokativ und hat bislang jede Hoffnung auf Frieden und eine Lösung der Palästinenserfrage verbaut.

Abgesehen von Israel scheint auch Russland häufig gezielte Tötungen einzusetzen, um tschetschenische Terroristen und andere ‚Extremisten‘ auch weltweit zu verfolgen und zu töten. Die offizielle Position Russlands ist allerdings, dass außergerichtliche Hinrichtungen nicht akzeptabel sind. Inoffiziell kann der FSB – der Nachfolger des KGB - aber auf eine lange Geschichte von weltweiten Geheimdienstmorden zurückblicken - von der Ermordung Leo Trotzkis 1940 bis hin zu einem regelrechten Attentatsfeldzug in Tschetschenien seit Mitte der 1990er Jahre. 2006 verabschiedete das russische Parlament auch ein Gesetz, das gezielte Tötungen im Ausland erlaubt. Allerdings verwenden die Russen noch keine bewaffneten Drohnen. Die allermeisten FSB Morde finden wohl in Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken statt. In 2004 tötete ein russisches Kommando allerdings einen Tschetschenen-Führer in Katar.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Rolle spielt Deutschland? Macht die deutsche Regierung hier mit?

Armin Krishnan: Deutschland ist NATO-Mitglied und ist mit einem großen Truppenkontingent in Afghanistan vertreten, wo bekannterweise gezielte Tötungen von Taliban-Guerrillas stattfinden. WikiLeaks hat Sommer 2010 die Existenz der US-Einsatzgruppe 373 aufgedeckt, deren Aufgabe es ist, Taliban-Führer durch Gefangennahme oder Tötung auszuschalten. Nach Angaben des Spiegel hat die Bundeswehr sich nicht an diesen Einsätzen beteiligt.

Andererseits hat Außenminister Guido Westerwelle gezielte Tötungen in Afghanistan als völkerrechtlich zulässig bezeichnet, was formal gesehen durchaus zutreffend ist. Die Bundesregierung hat es vermieden, sich zu den völkerrechtlich sehr umstrittenen Drohnenangriffen in Pakistan zu äußern. Es gab kein Wort der Kritik angesichts des US-Einsatzes in Abbottabad. Stattdessen drückte Bundeskanzlerin Merkel ihre Freude zur gelungenen Tötung Osama bin Ladens aus.

Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung half der BND den Amerikanern während des Irakkrieges durch lokale Agenten Ziele zu identifizieren und aufzuspüren. Dabei hätte der BND auch Informationen über den Aufenthaltsort von Saddam Husseins Wagenkolonne weitergeleitet, die einen gezielten Angriff auf Hussein am 7. April 2003 ermöglichte, der anscheinend fehlschlug. Das Bild, das sich ergibt, ist, dass Deutschland sich nicht oder nur sehr indirekt an gezielten Tötungen beteiligt, sich aber auch nicht bemüht, die USA und Israel von gezielten Tötungen abzubringen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie fordern eine neue Haager Landkriegsordnung. Welche Elemente müsste diese enthalten, um der Zivilbevölkerung wieder ein Mindestmaß an Schutz zu geben?

Armin Krishnan: Das geltende Kriegsrecht ist in mancher Beziehung zu unpräzise. Es gibt einen Graubereich, der es Staaten ermöglicht, traditionelle Beschränkungen für den Einsatz militärischer Gewalt zu umgehen. Die Amerikaner operieren auf Grundlage der juristischen Prämisse, dass Terroristen Kombattanten sind und dass Kombattanten jederzeit aufgrund ihres Status getötet werden dürfen. Nachdem diese spezifischen Kombattanten, also Terroristen, auch abseits des Schlachtfeldes eine Gefahr darstellen, muss es nach Ansicht der US-Regierung auch möglich sein, sie auch abseits des Schlachtfeldes anzugreifen. Dies sei gedeckt vom Selbstverteidigungsrecht, welches durch den Artikel 51 der UN Charta garantiert wird.

Wie zuvor bemerkt, eine Regierung hat einen großen Definitions-Spielraum, wer ein Terrorist ist, und sie braucht auch nicht in der Praxis Beweise dafür vorzulegen, dass die Person, die Objekt eines gezielten Angriffs war, auch tatsächlich als Terrorist bzw. Kombattant charakterisiert werden kann.

Für die Obama-Regierung ist jeder Mann im wehrfähigen Alter in Pakistans Stammesgebieten automatisch ein militanter Islamist und damit ein Kombattant und legales Ziel, was natürlich absurd ist. Die Regierung muss auch nicht beweisen, dass eine unmittelbare Bedrohung beziehungsweise die militärische Notwendigkeit bestand, die es rechtfertigt auf ein nationales Selbstverteidigungsrecht zurückzugreifen. Damit ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Was ich als notwendig ansehe, ist ein klares internationales Verbot von gezielten Tötungen außerhalb von Kriegsgebieten. Geheimdienste sollten nicht autorisiert sein, identifizierte Ziele selbst anzugreifen wie die CIA mit ihrem Drohnenprogramm. Selbst innerhalb von Kriegsgebieten muss es ein Minimum an Transparenz geben, was konkret bedeutet, dass das Militär wenigstens nach erfolgten gezielten Tötungsoperationen offenlegen sollte wer das Ziel war, warum die Person zur Zielperson wurde und welche Kollateralschäden bei dem Einsatz entstanden.

Militärschläge müssen auch weiterhin beobachtbar sein, was bedeutet, dass es ein internationales Verbot für ‚Attentatswaffen‘ geben sollte, die es ermöglichen Zielpersonen auf heimtückische und bestreitbare Weise zu töten wie etwa durch Mikrodrohnen oder exotische gerichtete Energiewaffen wie die zuvor genannte EMP ‚Herzinfarkt-Pistole‘. Nach Jahrzehnten der strenggeheimen Entwicklung und dem geheimen Einsatz dieser Waffensysteme wird es immer schwerer, sie weiterhin vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen. Es ist an der Zeit, international öffentlich deren völkerrechtliche Zulässigkeit zu diskutieren und zu überprüfen.

Armin Krishnan ist Visiting Assistant Professor for Security Studies

Intelligence and National Security Studies Program an der Universität of Texas in El Paso. Sein neues Buch „Gezielte Tötung. Die Zukunft des Krieges“ ist im Berliner Verlag Matthes & Seitz erschienen.

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