Politik

Österreich: Merkel hat schon längst Obergrenze eingeführt

Lesezeit: 2 min
03.03.2016 17:03
Österreich bezichtigt Angela Merkel ziemlich unverhohlen eines doppelten Spiels: Entgegen ihrer öffentlichen Behauptung, sie sei gegen eine Obergrenze, habe Deutschland seit November Beschränkungen für Flüchtlinge eingeführt. Diese kämen einer Obergrenze gleich und haben Österreich gezwungen, seine Grenzen zu schließen.
Österreich: Merkel hat schon längst Obergrenze eingeführt

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Österreich lehnt sich immer deutlicher gegen die Taktik der deutschen Bundesregierung auf: Angela Merkel spricht zwar öffentlich scheinbar unbeirrt davon, dass sie eine Obergrenze für Flüchtlinge als inhuman ablehne, doch faktisch hat Deutschland nach Aussage der österreichischen Regierung seit November still und leise eine Obergrenze eingeführt.

Österreich drückt sich zwar diplomatisch aus und sagt: Die aktuelle österreichische Tagesobergrenze von 3.200 durchreisenden Flüchtlingen orientiere sich an deutschen Gepflogenheiten an der Grenze, sagte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) am Donnerstag in Wien. Seit Anfang November gebe es Beschränkungen, wie viele Flüchtlinge Deutschland pro Stunde an den Grenzübergängen übernehme – in der Summe 3600 pro Tag.

Ein Beleg für die deutschen Tageskontingente sei auch, dass in Transitquartieren in Österreich zeitweise bis zu 20.000 Flüchtlinge untergebracht gewesen seien. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hatte erklärt, sein Land wolle nicht „zum Wartezimmer für Deutschland“ werden. Berlin hat Wien für dessen restriktive Flüchtlingspolitik kritisiert.

Diese Mitteilung bedeutet, dass Deutschland aus Sicht der Österreicher ein doppeltes Spiel betreibe und so die öffentliche Kritik auf das Nachbarland abwälze. Bundeskanzlerin Angela Merkel und zahlreiche deutsche Politiker haben in den vergangenen Tagen mit teilweise erheblicher moralischer Entrüstung die Grenzschließungen in Österreich als inhuman und uneuropäisch angeprangert – ohne jedoch zu erwähnen, dass Deutschland selbst bereits eine de facto-Obergrenze eingeführt hat.

Österreich sah sich schließlich gezwungen, seine Grenzen dichtzumachen – und wird dies auch nicht ändern, sollte es beim Gipfel mit der Türkei zu einem Ergebnis kommen. Die Österreicher trauen der Bundesregierung offenkundig nicht mehr über den Weg.

Durch die mangelnde Transparenz wird auch die Lage der Flüchtlinge und Migranten verschlechtert: Viele von ihnen glauben immer noch, dass sie nach Deutschland weiterreisen könnten und berufen sich, wie die SZ berichtete, sogar ausdrücklich auf die Einladung von Angela Merkel. Tatsächlich werden die Flüchtlinge nun an der mazedonisch-griechischen Grenze abgedrängt, zuletzt sogar unter dem Einsatz von Tränengas.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte der Türkei zuletzt versprochen, die Nato ins Mittelmeer zu entsenden, um die Flüchtlinge abzuwehren. Menschenrechtsorganisationen halten diesen Einsatz für unzulässig. Auch die EU-Grenzagentur Frontex lehnt es ab, Flüchtlinge in die Türkei zurückzubringen, weil die Lage in der Türkei zu unsicher sei.

Das harte Vorgehen gegen Flüchtlinge und Migranten dürfte noch nicht seinen Höhepunkt erreicht haben. Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz sagte der SZ: „Menschen werden mit Polizeigewalt aufgehalten werden müssen, das wird nur weiter entfernt von uns passieren, wo vielleicht nicht so viele TV-Kameras präsent sind.“ Die EU fordert am Donnerstag, dass die Zahl der neuen Flüchtlinge gegen Null zu reduzieren sei.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...